Alles muss raus!

Mahlzeit! Die Pfalz-Echo-Mittagspausen-Kolumne

Der Frühjahrsputz beginnt bei Paula immer schon im Dezember: Sie „reinigt“ ihren Haushalt von allen unnützen und hässlichen Gegenständen, die kein Mensch mehr haben möchte, bindet ein Schleifchen drum und verschenkt diese dann beim alljährlichen Weihnachtswichteln. Eine tolle Sache, findet Paula. Auf diese Weise konnte sie schon diverse ungebliebte und nicht gern gesehene Gegenstände aus ihrer Wohnung verbannen. Im letzten Jahr hat sie eine wirklich hässliche Puppe verschenkt – wobei man nicht wirklich von einer Puppe sprechen konnte. Die „Puppe“ trug ein potthässliches Kleid mit Flecken drauf, die Haare waren verfilzt und die Augen glichen eher denen eines Werwolfs als eines Menschen. Und gemuffelt hat die Puppe auch. Gerne erinnert sie sich auch an den Blick eines Kollegen zurück, als dieser beim Wichteln ihr Geschenk zog und voller Spannung das längliche Paket mit dem etwas dickeren Ende auspackte. Der Pömpel war ihr schon seit längerem ein Dorn im Auge. Auf den Holzstiel hatte sie mit Glitzerstift und in großen Lettern, man kann fast schon sagen kunstvoll, „Frohe Weihnachten“ in 16 Sprachen geschrieben. Für den japanischen Weihnachtsgruß hatte sie nur noch Platz auf dem roten Gummikopf gefunden. Der Gesichtsausdruck ihres Kollegen war unbezahlbar. Herrlich!
So machte sich Paula pfeifend ans Werk, durchstöberte ihre Wohnung und sammelte eine ganze Tüte voll mit Schrott und Ramsch für ihre lieben Kollegen. Mit einem Lächeln auf den Lippen verpackte sie die Scheußlichkeiten und stellte sich dabei vor, was die Kollegen wohl sagen würden. Während sie Schleife für Schleife festzurrte, entwich ihr ein leises, fast schon irres Kichern – dieses Geschenk war ein besonders hässliches Exemplar.
Als der Tag der Weihnachtsfeier gekommen war, versammelten sich die Kollegen um einen Tisch, der vollgepackt mit Geschenken in allen Größen und Formen war. Spielregel: Es wird reihum gewürfelt und wer eine sechs wirft, darf das ihm zugeteilte Geschenk auspacken. Als Paula an der Reihe ist, holt sie weit aus, schüttelt einmal oben, einmal unten, beschwört den Würfel in ihrer Hand und würfelt auf Anhieb eine sechs. Herr Schmidt überreicht ihr ein riesiges Geschenk. Paula nimmt das Geschenk mit großen Augen entgegen und macht sich sogleich daran, das rot-gold gestreifte Papier herunterzureißen. Plötzlich wird sie ganz blass. Auf Herr Schmidts Gesicht breitet sich eine hämisches Grinsen aus: „Frohe Weihnachten, Paula“.