Wie wird das wohl werden, eine deutsche Kult-Band zu treffen und interviewen zu dürfen, die schon seit über 30 Jahren das Publikum immer wieder in seinen Bann zieht? Wer kann nicht zu den bekannten Titeln „Ohne Dich“ oder „Tausendmal Du“ mitsingen? Das PFALZ-ECHO trifft beim Landauer Oktoberfest, stellvertretend für die ganze fünf-köpfige Band, Tim Wilhelm und Michael „Micha“ Kunzi von der Münchener Freiheit, zu einem Gespräch. Extra ins Hotel fahren müssen wir nicht dafür, wie es für das Interview vorgesehen war, wir setzen uns lieber ganz leger in und vor den Party-Bus von Tim, um noch die letzten Sonnenstrahlen der Abendsonne zu genießen und dem Hund Seppi beim Spielen zuzusehen.

Wie fühlt es sich an, nach 
37 Jahren immer noch auf der Bühne zu stehen und die Massen zu begeistern?

Michael (Micha) Kunzi: Für uns ist es ein Phänomen und wir freuen uns auch sehr darüber, dass wir mit unserem ganzen Werk, das wir geschaffen haben, bis heute noch präsent sind und die Leute immer noch zu unseren Konzerten kommen. Das ist ein tolles Gefühl. Deswegen spielen wir auch nach wie vor die alten Hits sehr gerne und immer wieder, weil wir auch am Applaus des Publikums messen können, wie gut die Songs einfach sind.
Tim: … Natürlich bieten wir einen Mix aus den Klassikern und neuen Titeln der aktuellen Alben.

Über 30 Jahre zusammen, wie ein „altes Ehepaar“. Trifft man sich auch noch privat oder sieht man sich nur auf Konzerten?

Tim: Bei einem Ehepaar sind selten fünf dabei. (lacht)
Micha: Also wir zwei treffen uns für die ein oder andere Geschichte schon mal in München.
Tim: Wir gehen zum Beispiel auch gern mal zusammen in die Sauna. Als wir vorhin an Karlsruhe vorbeigefahren sind, musste ich auch an ein lustiges Erlebnis mit dir denken, Micha. Wir zwei waren in den 90ern in der Europahalle als Gastmusiker eines anderen Projekts. Da hatten wir tatsächlich keine andere Möglichkeit, als den ganzen Tag in der Sauna zu verbringen, weil wir unsere Hotelkarten verlegt hatten. Und das war der einzige Bereich, zu dem wir Zugang hatten. Als wir abends dann auf die Bühne gingen, waren wir knallrot. Micha: Wir sahen etwas „verdörrt“ aus. Aber gut.
Tim: Dry aged, also optimal (lacht).

Eure Musik ist ja schwer in ein Genre einzuordnen, in den 80er Jahren hat man sie eher in die NDW eingeordnet, in den 90ern eher zur Popmusik und seit Mitte der 90er eher in die Schlagerrichtung. Auf den neuen Alben klingt ihr wieder deutlich rockiger. War das eine bewusste Weiterentwicklung?

Micha: Es ist schon so, dass dadurch, dass Stefan aus der Band ausgetreten ist und wir mit Tim einen neuen Sänger und Songwriter in der Band haben, sich selbstverständlich auch der Sound der Band verändert hat. Das ist ganz klar. Und das liegt in der Natur der Sache, dass wir alles zusammen schreiben.
Tim: Und inzwischen haben wir mit „Mehr“ und „Schwerelos“ ja weitere Platten nachgelegt und arbeiten bereits an neuem Material.

Unsere Redakteurin Brigitte Werling mit Tim und Micha vor Tims Bus. (Foto: privat)

2011 hat ja Stefan Zauner, der Mitbegründer und Sänger, die Band verlassen. Aber ihr habt durch Tim Wilhelm einen würdigen Nachfolger gefunden. Wie war das damals, sich „neu aufzustellen“ und wie nimmt das Publikum die „neue Stimme“ an, wenn Tim die älteren Songs singt?

Tim: Thomas Müller hat den FC Bayern auch nicht gegründet, ist aber durch seinen Einsatz für alle Fans eine absolute Identifikationsfigur geworden. Das Entscheidende ist, dass man mit Herzblut das macht, was man tut – getreu dem Motto: ganz oder gar nicht. Das finde ich entscheidend, gerade wenn man an der Front steht. Übrigens hatte ich für anfängliche Zweifel in der Zeit zwischen 2011 und 2012 immer Verständnis, und ich schätze die Verdienste meines Vorgängers sehr, möchte mich aber von Anfang an eigenständig in die Band einbringen, und nicht kopieren. Natürlich freuen wir fünf uns total über die großartige Unterstützung der Fans. Wir sind einfach nur glücklich, dass uns die Leute so angenommen haben. Denn ich glaube, die Tatsache, dass wir im sechsten Jahr unterwegs sind, spricht eine eindeutige Sprache.
Micha: Es ist auch kein Ende in Sicht.

Wie entstehen bei Euch die Texte auf einer neuen Platte? Wie findet man als fünf-köpfige Band dann eine Übereinstimmung?

Micha: Das ist genauso, wie es auch früher war, letztendlich hat einer eine Idee oder mehr und je nachdem was noch fehlt, wird dann halt ergänzt. Es ist nicht schwer, aber es ist auch nicht leicht. Man muss eben einen gemeinsamen Nenner finden, mit dem alle gut leben können, mit dem sich alle identifizieren können und dann ist der Song auch gut genug, um ihn auf Platte zu bringen.
Tim: Und mit Micha durfte ich in seinen eigenen Studios, schon lange bevor ich offiziell in die Band gekommen bin, Musik produzieren. Und das ist natürlich auch ein entscheidender Faktor, wir wussten schon, wie wir miteinander schreiben und dass wir das auch zusammen können.

Gab es in den letzten Jahren eine besondere Geschichte oder ein Ereignis, das sich eingeprägt hat bzw. nachhaltig in Erinnerung geblieben ist?

Micha: Wo soll ich da anfangen, wo soll ich da aufhören. Wir haben ja auch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre unheimlich viel international gemacht und haben drei Platten von uns in Englisch produziert. In Griechenland haben wir sogar mit der englischen Version von „Ohne Dich“, die hieß „Everytime“, einen Heavymetal Award bekommen. Man kann es kaum glauben. Wir haben viel erlebt und wir könnten darüber Bände schreiben.
Tim: Aron sagt gerne, wer sich erinnert, war nicht dabei (lacht).

Gerade war ja die Bundestagswahl ein großes Thema: Wie steht ihr dazu?

Micha: Jeder mündige Bürger sollte wählen gehen, es ist sehr wichtig und man sollte sich für seine Meinung einsetzen. Aber was wir wählen, das bleibt ja jedem selbst überlassen, dafür gibt es das Wahlgeheimnis.
Tim: Nur zu meckern, ist ja leicht: Es gibt in unserem Land so viele Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren und einzubringen, nicht nur Wahlkampfveranstaltungen, sondern auch während der Legislaturperioden beispielsweise Bürgersprechstunden, Vereine oder sogar die Option, sich parteipolitisch zu engagieren. Aron hat auf unserem aktuellen Bandfoto eine Raute mit den Händen geformt (lacht). Ob das ein Zufall ist oder nicht, das wollen wir dahingestellt lassen. Lena Meyer-Landrut hat auch gepostet „I love raute“ und ich habe es geliked, dazu stehe ich, aber wir sind keine politische Band. Im Rahmen unserer Konzerte bekenne ich aber durchaus, dass wir glücklich und dankbar dafür sind, im Herzen Europas und somit in einem friedlichen Teil dieser oft wahnsinnig wirkenden Welt leben zu dürfen. Das ist sicher nicht zuletzt, davon bin ich persönlich überzeugt, auch Resultat besonnener Politik.

Ihr ward ja europaweit auf Tour. Welche Verbindung habt ihr zur Pfalz? Gefällt es Euch hier? Habt ihr schonmal Pfälzer Saumagen probiert?

Micha: Es gefällt uns sehr gut hier, weil das Wetter immer mild ist, der Wein lecker und der Saumagen auch (lacht). Es ist jetzt aber nicht nur die Pfalz, sondern auch andere Bundesländer gefallen uns gut.
Tim: Wir wissen schon zu schätzen, dass wir in Regionen arbeiten dürfen, wo andere Leute Urlaub machen. Übrigens durfte ich Rheinland-Pfalz vor über zehn Jahren während einer Tour durch Grundschulen und Kindergärten wirklich gut kennenlernen, denn ich reiste, teils nur mit der Gitarre im Gepäck, auch in eher entlegene Winkel; unterwegs war ich mit einer musikalischen Verkehrssicherheitsinitiative für Kinder.

Auf was dürfen sich die Leser noch in Zukunft freuen?

Micha: Solange uns die Leute hören wollen, werden wir für sie spielen. Und es liegt in unserer Natur, uns immer weiterzuentwickeln.
Tim: Wir, da kann ich guten Gewissens in aller fünf Namen sprechen, lieben es einfach, zusammen Musik und dadurch Freude machen zu dürfen. (bwe)