Neupotz. „Wenn ich groß bin, will ich für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielen!“, ein Traum, den  sicher sehr viele Kinder und Jugendliche träumen. Dass ein schwerer Unfall, ein harter Schicksalsschlag, sie diesem Traum näher bringt, hätten die Spieler dieser Mannschaft sicher nicht gedacht: die Nationalmannschaft der Amputierten. Die deutsche Auswahl hat gerade an der Europameisterschaft in Istanbul teilgenommen. Im Gegensatz zur DFB-Auswahl um Manuel Neuer, Thomas Müller, Mesut Özil und Co. nimmt die deutsche Nationalmannschaft der Amputuerten eher eine Außenseiterrolle im internationalen Vergleich ein. Der Sport steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen, es gibt keinen Ligabetrieb und nur vier Vereine insgesamt, die Mannschaften mit Amputierten stellen. Der achte Platz bei der Europameisterschaft – und damit auch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr – ist deswegen durchaus beachtlich.

Unter den Spielern ist auch ein Südpfälzer: der Neupotzer Florian Fischer. Mit 14 Jahren hat man einen Tumor in seinem rechten Bein festgestellt. Nach der Amputation dachte der heute 20-Jährige zunächst nicht daran, wieder Fußball zu spielen. Erst einige Jahre später lernte er beim Einstellen seiner Prothese auf sein Rennrad, zufällig einen Spieler der Nationalmannschaft der Amputierten kennen. „Ich habe eine Weile gezögert, bin dann aber doch mal zu einem Training nach Hoffenheim gefahren. Und die Jungs haben mich dort sofort aufgenommen und integriert“, erzählt der Neupotzer. Seitdem ist er regelmäßig beim monatlichen Trainingslager dabei. Um Spielpraxis zu bekommen, fährt die Mannschaft auch regelmäßig ins Ausland – in Polen beispielsweise gibt es eine Amputierten-Liga, die den Deutschen für einige Spiele „Asyl“ gegeben hat.

Privat trifft man Florian Fischer meist mit Prothese – beim Spiel mit der Nationalmannschaft kommen Krücken zum Einsatz. (Foto: hea)

Die Regeln auf dem Feld sind fast die gleichen wie bei anderen Fußballspielen: einige Anpassungen  gibt es natürlich schon. So darf im Tor nur jemand stehen, der zwar zwei Beine, aber nur einen Arm hat. Auf dem Feld dagegen sollten die Spieler zwei Hände, aber nur ein Bein zur Verfügung haben. Gespielt wird ohne Prothesen, nur mit Metallkrücken. Das ist eine sportliche Höchstleistung, vor allem für den Oberkörper. Deswegen dauert ein Spiel auch „nur“ 50 Minuten, das Spielfeld ist etwas kleiner, die Tore auch.

Für Florian Fischer bedeutete der Einstieg in die Nationalmannschaft deswegen auch persönlich eine große Umstellung: „Ich war vorher eigentlich ausschließlich mit meiner Prothese unterwegs – jetzt trainiere ich regelmäßig privat mit den Krücken, um Technik und Kraft aufzubauen. Man muss ja nicht einfach nur geradeaus laufen können, sondern mit den Krücken auch extrem wendig sein.“

Bei einer Europameisterschaft teilzunehmen, hat bei Fischer und der gesamten Mannschaft nicht nur Euphorie ausgelöst: „Ehrlich gesagt, sind wir mit gemischten Gefühlen nach Istanbul gefahren. Wir mussten dort schließlich teilweise gegen echte Profimannschaften wie beispielsweise die Türkei antreten.“ Trotzdem konnte die deutsche Nationalmannschaft auch zwei Siege erspielen, so dass die Teilnahme im Nachhinein – gerade durch die damit erworbene Qualifikation für die Weltmeisterschaft– eine große Bereicherung war.

„Beim Endspiel Türkei gegen England im Istanbuler Vodafone Park waren 40.000 Zuschauer – das Spiel wurde live im Fernsehen übertragen. Das zu erleben, ist ein großer Ansporn für uns alle, den Sport auch in Deutschland weiter voran zu bringen“, schwärmt Florian Fischer. (hea)

Aktuell wird die Nationalmannschaft der Amputierten von der Sepp-Herberger-Stiftung finanziert. Neue Spieler werden immer gesucht. Kontakt:
www.amputierten-fussball.de.

Der Neupotzer Florian Fischer (6, blaues Trikot) zeigt vollen Einsatz bei der EM. (Foto: privat)