Dominic Raecke: „Die Zeit in New York war mein „Coming-of-Age“

Unter vier Augen: Der Schauspieler Dominic Raacke über Großstädte, (Not-)Lügen und sein Talent als Zeichner

Thomas (Dominic Raacke) und Eva (Andrea Sawatzki) sehen (noch) positiv in die Zukunft. (Foto: ZDF/Martin Valentin Menke)

Die meisten kennen Dominic Raacke vermutlich noch als Berliner Tatort-Kommissar Till Ritter – seit 2014 ist er dort allerdings „pensioniert“ und geht schauspielerisch neue Wege. Am Montag, 26. Februar, zum Beispiel spielt er im ZDF-Film „Südstadt“ unter anderem neben Andrea Sawatzki und Anke Engelke einen Familienvater, der mit einer neuen Frau an seiner Seite den Start in einen neuen Lebensabschnitt wagen möchte.

Der Charakter, den Sie im Film „Südstadt“ spielen – Thomas Maiwald – ist jemand, der nicht mit ganz offenen Karten spielt. Dabei geht es um kleine Notlügen, aber auch um essentielle Dinge. Wie sehen Sie das persönlich. Gibt es Umstände, die es entschuldigen, auch mal nicht ganz die Wahrheit zu sagen?

Dominic Raacke: Es gibt Situationen im Leben, in denen eine kleine Notlüge völlig in Ordnung ist. Man bekommt zum Beispiel eine Einladung und antwortet höflich, dass man schon anders verplant ist, anstatt zu sagen, dass man einfach keinen Bock hat. Aber wenn man die Wahrheit so biegt, wie Thomas, dann hat das schon pathologische Züge. Ich glaube viele Männer haben die Neigung, nicht klar zu kommunizieren, gerade wenn es um Liebesdinge geht. Es ist dann so ein Lavieren, sich nicht festlegen, undeutlich bleiben. Ein wenig kenne ich das auch von mir, aber ich bin besser geworden. Man wird ja oft gefragt, wie viele Gemeinsamkeiten man mit der Figur hat, die man spielt. Ich sehe da also durchaus einen Anteil, aber im Fall von Thomas ist das schon eine Form von Betrug dieser Frau gegenüber. Sie setzt ja alle Hoffnungen in den neuen Mann an ihrer Seite: „Endlich hab ich ihn, meinen Traummann!“ Aber auch die Figur Eva hätte vielleicht mal reflektieren können, über die Frage, wenn es bisher immer schiefgelaufen ist, warum dann ausgerechnet Thomas ihr Mr. Right ist.

Dominic Raacke sprach mit Anne Herder. (Foto: privat)

Beide Charaktere haben Schwächen, klar. Das ist ja unter anderem eine Essenz des Films: Niemand ist perfekt.

Dominic Raacke: Ja, und genau das gefällt mir daran. Der Film verurteilt niemanden, er zeigt nur ganz genau, wie die Menschen miteinander umgehen, wie sie funktionieren. Das ist typisch Matti Geschoneck– ganz ruhig und chirurgisch legt er die Figuren frei. So liefen dann auch die Dreharbeiten.

Also überträgt sich die Stimmung vom Film auch auf das Team hinter den Kulissen?

Dominic Raacke: Na ja, meistens. Wir hatten ja ein paar Kollegen aus dem Comedy-Bereich dabei. Und da ging es manchmal schon rund. Ich habe zunächst ein wenig gefremdelt. Aber das passte zu Thomas, der ja auch der Neue in der Gruppe ist und sich erst mal beweisen muss. Die Szene, in der Thomas den anderen vorgestellt wird, war auch tatsächlich mein erster Drehtag.

Was würden Sie dem Thomas für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Dominic Raacke: Ich würde ihn zur Seite nehmen und sagen: „Schlimm genug, wenn deine Ehe in die Binsen geht, aber bevor du in die nächste Beziehung rutschst, reflektiere mal und sei offen und direkt in deiner Kommunikation.“

Der Film spielt in Köln, Sie selbst leben in Berlin, haben lange in München gewohnt und sogar einige Jahre in New York – lauter Großstädte! Sind Sie durch und durch ein Stadtmensch?

Dominic Raacke: Ja, ich bin schon ein Großstädter, meine bisherigen Lebensstationen belegen das. Aber eigentlich komme ich aus der Provinz, aus Hessen. Wo ich herkomme ist es nicht ganz so idyllisch wie in der Pfalz, aber sicher vergleichbar. Die Provinz ist ein toller Ort, um dort aufzuwachsen, um Kind zu sein, weil es einfach überschaubar ist. Ich habe an diese Zeit wirklich schöne Erinnerungen – aber es war für mich dann auch irgendwann an der Zeit, den Aufbruch zu wagen und die große, weite Welt zu entdecken. Bei mir war es auf Anhieb die ganz, große, weite Welt: Ich bin mit knapp 20 in New York gelandet.

Was haben Sie von dieser Stadt alles mitgenommen?

Dominic Raacke: Ich war dort auf der Schauspielschule, habe aber auch viel fürs Leben gelernt. Klarkommen in einem Moloch wie New York, seine Identität finden, sein Deutsch-Sein zu entdecken, war eine ganz große Erfahrung und ich kann es jedem jungen Menschen nur empfehlen. Anfang der 80er war New York noch ein gefährliches Pflaster, in meiner ersten Wohnung bin ich ausgeraubt worden, das war eine harte Zeit. Und am Anfang auch ziemlich einsam. Ich bin in das alles eher so reingestolpert und war naiv, aber man wächst genau an diesen Aufgaben. Die Zeit in New York war mein „Coming-of-Age“.

Hatten Sie Ihr großes Ziel, Schauspieler zu werden dabei immer vor Augen?

Dominic Raacke: Ja, ich wollte immer schon zum Film. Das Medium hat mich schon früh fasziniert. Ich war wahrscheinlich eines der ersten fernsehsüchtigen Kinder meiner Generation. Das Programm fing ja erst nachmittags an und war um Mitternacht zu Ende. Ich habe viel vor der Glotze gehockt, war ein Fan von Jerry Lewis und Walt Disney. Manchmal war es frustrierend und einfach zu viel, bis ich anfing, beim Fernsehgucken zu zeichnen und mir meine eigenen Geschichten auszudenken. Dann kam das Kino dazu, ich wurde Cineast. Mich hat diese Welt des „Make-Believes“ des „So-tun-als-ob“ in den Bann gezogen. Als ich dann mit Freunden meine ersten Hörspiele und Super-8 Filme drehte, spürte ich diese wohltuende Verschwörung, wenn man gemeinsam an etwas arbeitet. Das ist ja das Schöne am Filmemachen – kreatives Miteinander. Irgendwann wusste ich: „Da will ich hin!“

Szene aus dem Film „Südstadt“: Thomas bringt seine Tochter Greta nach Hause. (Foto: ZDF/Martin Valentin Menke)

Gab es also nie einen Plan B?

Dominic Raacke: Es gab nie einen Plan B. Nein. Eine Zeitlang habe ich ein bisschen mit der Werbebranche geflirtet und auch ein paar Monate als Zeichner in einer Agentur gearbeitet. Mir gefiel die Idee, Produkte mit guten kurzen Sprüchen und einer interessanten Optik zu verkaufen. Aber das große Ziel war immer der Film. Und erst jetzt habe ich auch das Theater entdeckt. Und es macht mir großen Spaß, vor allem diese magischen Momente, wenn man mit dem Publikum in Kontakt tritt (Raacke ist vom 4. März bis 15. April in der Berliner „Komödie am Kurfürstendamm“ in dem Stück „Die Niere“ zu sehen).

Zeichnen Sie auch noch?

Dominic Raacke: Ja, das mache ich immer noch, aber nur wenn mich die Muse küsst. (lacht) Aktuell ist zu viel anderes los. Vielleicht bringe ich mal ein Buch raus, ein „Best-of“ meiner Zeichnungen.

Mussten Sie oft kämpfen, um immer wieder neue Aufträge und Projekte zu haben?

Dominic Raacke: Irgendwie muss man immer kämpfen. Um ein besseres Drehbuch, oder eine Idee, oder auch um eine Rolle. Da ist es fast egal, wie bekannt man ist. Als kreativer Mensch hat man es nicht immer leicht mit Leuten, die Verantwortung tragen und das Geld verwalten. Aber das ist eben ein Teil dieses Miteinanders und ich bin immer noch glücklich in meinem Beruf. (hea)

„Südstadt“, Montag, 26. Februar, 20.15 Uhr, ZDF.