Getarnte Faulheit als Konzept

Pierre M. Krause ist ein Fernsehmensch, ein lustiger Fernsehmensch, den man vor allem als aufmerksamer SWR-Zuschauer kennt, denn dort moderiert, kommentiert und spielt er sich durch diverse Sendungen. Er ist für seine Schlagfertigkeit und seinen badischen Charme bekannt. Wenn Pierre M. Krause zu sehen ist, gibt es garantiert etwas zu lachen. „Ich weiß bis heute noch nicht, was ich beim Lohnsteuerjahresausgleich als Beruf reinschreiben soll. Humorist trifft es am besten, weil alles, was ich mache, sich am Ende mit Humor beschäftigt,“ so beschreibt er seinen Beruf selbst. Humorist also – das passt, denkt man sich bei der ersten Begegnung auch sofort. Denn man muss direkt grinsen, wenn er den Raum betritt und dabei (natürlich) auch schon den ersten Witz macht, es geht gar nicht anders. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Krause bei seinem Ausbildungsberuf geblieben wäre.

Vor deiner Karriere beim Radio und Fernsehen hast du Bankkaufmann gelernt. Brauchst du von dem, was du dort gelernt hast, heute noch etwas im Alltag?

Pierre M. Krause: Ja, ich habe gelernt, wie der deutsche Büroalltag funktioniert – hier im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das ganz hilfreich. Ich habe aber auch gelernt, wie dieses Land so tickt. Viele Menschen, die ich in der Zeit in der Bank getroffen habe, konnte ich später auch „verarbeiten“ in einem Buch oder einem Sketch. Für die soziale Kompetenz hat es mir viel gebracht, von Geld habe ich allerdings immer noch keine Ahnung (lacht).

War dir schon immer klar, dass du irgendwann auf der Bühne stehen wirst?

Pierre M. Krause: Ja! Nur die Form nicht. Ich habe Comics gezeichnet, bei der Schülerzeitung und der Video-AG mitgemacht usw. und das war immer mein Herzblut. Die Ausbildung und das Studium habe ich gemacht, um nicht als arbeitsloser Künstler zu gelten und damit sich meine Eltern keine Sorgen machen. Ich bin in Karlsruhe aufgewachsen – das ist nicht Köln, Berlin oder Hamburg. Da braucht man länger, um zu checken, dass Fernsehen auch ein Beruf ist.

Du hast schon viele Formate produziert bzw. moderiert (TV Helden, Es geht um mein Leben, In Deutschland um die Welt, Latenight…). Welches ist dein persönlicher Liebling?

Pierre M. Krause: Eigentlich immer das, was ich gerade mache. Das muss so sein, sonst würde man es nicht richtig machen. Aber Latenight ist mein Baby, was ich im Grunde daran liegt, dass ich alles selbst mache. Außerdem genieße ich eine Art Narrenfreiheit, die man in diesem Gewerbe sonst selten hat.

Die Nische, ist das der Platz, an dem du dich wohl fühlst oder könntest du dir auch vorstellen, etwas Größeres zu machen und prominentere Sendeplätze zu belegen?

Pierre M. Krause: Beides. Die Nische ist ja nicht automatisch schlechter, weil da weniger Menschen zuschauen als beim „großen Fernsehen“. Ob ich eine Sendung mache oder nicht hängt immer zuerst von der Sendung ab und nicht davon, ob es „etwas Größeres“ ist. Ich denke dann doch eher in Inhalten und nicht in Karriereschritten.

Das Pfalz-Echo zu Gast in Baden-Baden. (Foto: privat)

Was ist denn – trotz Nische – das Erfolgsrezept deiner SWR Latenight? Es gibt sie ja bereits seit zehn Jahren und wurde weit über 400 Mal ausgestrahlt?
Pierre M. Krause: Manchmal frage ich mich, ob es sie so lange gibt, weil die Entscheider lange gar nicht wussten, dass es sie noch gibt (lacht). Es ist nicht einfach, wenn man jede Woche so etwas macht. Es gibt gute und es gibt schlechte Sendungen. Ich mache das, worauf ich Lust habe, was ich lustig finde und was in der Kürze der Zeit und mit den sehr bescheidenen Mitteln machbar ist.

Woher kommen die Ideen, die du in die Sendung einbringst? Hast du Leute, die Gags für dich schreiben?

Pierre M. Krause: Die Ideen kommen aus dem Leben. Gerne hätte ich einen Stab an Autoren, würde gerne um 14 Uhr in den Sender kommen und dann sagen mir drei Jungredakteure: „Wir haben diese Gags für dich vorbereitet, Du musst sie nur noch ablesen.“ Darauf arbeite ich noch hin (lacht). Das hat aber nichts mit Eitelkeit zu tun. Gags zu schreiben, ist nicht immer nur Kreativität, sondern oft auch Handwerk. Wenn einem gar nichts mehr einfällt, funktioniert aber immer noch der Witz, der auf Lothar Matthäus oder Reiner Calmund endet.

Und schon lachen wir. Ertappt. Manchmal gibt es dann aber doch Menschen, die sich etwas für den Moderator ausdenken. In einer neuen Reihe für die Latenight-Show zum Beispiel trifft er auf Menschen, die ein besonderes Talent oder eine besondere Geschichte haben – er selbst kennt diese Geschichte aber nicht, sondern muss beim ersten Treffen selbst drauf kommen. „Das Konzept funktioniert super, alles ist authentisch und kein Gag ist geschrieben“, erzählt Krause.

Du kannst also sehr gut improvisieren?
Pierre M. Krause: Das ist getarnte Faulheit (lacht).

Gibt es von den vielen Gästen, die du in der Latenight bereits hattest, jemanden, der dir besonders in positiver Erinnerung geblieben ist? Oder jemand, der schwierig war?
Pierre M. Krause: Schwierig war überraschenderweise niemand. Manchmal wundert man sich nur über Leute. Als ich angefangen habe in diesem Gewerbe, war für mich die größte Enttäuschung, dass man Leute doof finden möchte und dann sind die aber total nett. Und das ist dann Mist. Ganz selten kommt das Gegenteilige vor, dass man merkt, der ist ja gar nicht so nett, wie man dachte.

Du bist im Südwesten verankert, lebst und arbeitest hier. Ist das Heimatverbundenheit oder gibt es Ambitionen, woanders hinzuziehen?
Pierre M. Krause: Ich bin vor einigen Jahren von Karlsruhe nach Köln gezogen, weil ich es hier uncool und provinziell fand, und jetzt wohne ich wieder in Karlsruhe und finde gerade das super angenehm. Ich treffe auf Plätze meiner Kindheit, ich mag das komplett medienbefreite – in Köln trifft man ja immer Fernsehleute. Es ist hier einfach das echte Leben und das tut mir gut. Und von der bekannt unfreundlichen Art des Badeners an der Supermarktkasse angepflaumt zu werden, das holt einen runter. Ich schließe aber auch nicht aus, mal wieder nach Köln zu ziehen. Das hängt auch von den Plänen des Senders hier ab.

Kennst du als gebürtiger Karlsruher den „Nachbarschaftsstreit“ zwischen Badenern und Pfälzern?
Pierre M. Krause: Nie emotional, aber ich bin tatsächlich mit Pfälzer-Witzen aufgewachsen. Aber das war natürlich nie ernsthaft – nur Frotzeleien. Ich finde den Pfälzer Dialekt auch lustig, obwohl man das als Badener eigentlich gar nicht sagen darf (lacht). Das ist so ein schöner Singsang.

Bist du im Dialekt aufgewachsen?
Pierre M. Krause: Oh, ja! Meine Eltern können überhaupt kein Hochdeutsch. Ich habe mir das als kleines Kind schon abtrainiert, weil ich die Sprache der Leute im Radio und Fernsehen schöner fand. Ich war das einzige Kind im Kindergarten, das hochdeutsch gesprochen hat. In der Pubertät fand ich Badisch auch extrem uncool. Heute finde ich es dagegen nett, höre und spreche es gern. Manchmal zum Beispiel mit Kollegen, die eigentlich hochdeutsch reden – einfach weil wir Spaß daran haben zu „schwätzen“.

Es folgen ein paar badische Ausdrücke – die alle ein wenig danach klingen, als würden sie von einem schlechtgelaunten Rentner aus dem Fenster gerufen werden. Der Anfall ist aber nur kurz und nach einem kurzen Schütteln konzentriert sich Pierre M. Krause wieder auf sein Hochdeutsch und unsere Fragen.

Wie kamst du zu „Sag die Wahrheit“ und was ist das Reizvolle, in einem Rateteam mitzuwirken?
Pierre M. Krause: Ich habe damals den ausgefallenen Smudo ersetzt. Dann bin ich eine zeitlang für Mike Krüger eingesprungen und irgendwann war ich ein festes Mitglied im Rateteam. Das macht einen Riesenspaß. Das Konzept ist uralt, aber zeitlos. Die Sendung sieht immer noch aus wie in den 50er Jahren – nur in Farbe. Das ist jedes Mal wie ein Spieleabend unter Freunden.

Neben deinen Fernseh-Projekten, hast du auch ein Buch geschrieben. Was hat dich dazu bewogen? Das ist ja etwas ganz anderes.
Pierre M. Krause: So viel anders ist es gar nicht, weil ich das Schreiben ja gewohnt bin durch das Scheiben von Filmen oder auch Kolumnen. Ich wollte schon immer mal ein Buch schreiben. Und das Einfachste ist es, wenn du etwas schreibst, was du erlebt hast – und so entstand das Buch über das Leben auf dem Dorf. Der Titel „Geschichten aus dem Schwarzwald“ ist etwas unglücklich formuliert, weil es überall in der deutschen Provinz sein könnte. Damit kann jeder etwas einfangen. Ich habe hier ja eine Zeitlang im Umland von Baden-Baden gelebt. Das ist sehr herzlich und lustig, was man so erlebt, wenn man aus der Großstadt dahin kommt und ein bisschen anders denkt und auch einen anderen Lebensrhythmus hat.

Wenn Du abends heimkommst, machst Du den Fernseher an?
Pierre M. Krause: Ja, natürlich! Es gibt inzwischen so viele Fernsehschaffende, die sagen, sie haben zuhause keinen Fernseher. Das ist doch wie ein vegetarischer Metzger! Wenn du Fernsehen machst, dann guck es gefälligst auch! Deshalb ist das Fernsehen im öffentlich-rechtlichen manchmal auch so betulich, weil die nicht mehr wissen, wie der Zeitgeist aussieht. Das Fernsehen ist eine wunderbare Inspiriationsquelle für Parodien. Ich gucke immer Tagesthemen und Tagesschau, also öffentlich-rechtliche Nachrichtenfernsehen, aber auch gerne Unterhaltungsfernsehen der Privaten. Ich kann stundenlang Homeshopping schauen oder unter schlimmen Moralschmerzen leidend „Schwiegertochter gesucht“ und bin fassungslos, was die da mit den Menschen machen. Nur so begreife ich, für welch schmutziges Medium ich da eigentlich arbeite. Aber wenn ich ernsthaft Fernsehen gucke, um mich gut zu unterhalten, dann schaue ich viel amerikanisches Fernsehen: Serien und natürlich auch Lateshows.