„Dass es bei uns in Deutschland mal ein Gesetz geben wird, das alle Mitbürger zu Organspendern erklärt, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich“, sagt Chefarzt Dr. med. Dirk Piorko, Facharzt für Anästhesiologie am Vinzentius-Krankenhaus in Landau. In Deutschland gelte die sogenannte Entscheidungslösung, bei der einer Organspende ausdrücklich zugestimmt werden muss. In den Niederlanden wurde vor Kurzem (mit knapper Mehrheit) ein Gesetz bewilligt, mit dem jeder volljährige Bürger als Organspender registriert wird – es sei denn, man widerspricht explizit. Mit dieser Regelung versucht man dem Organmangel entgegenzuwirken.

Die Organspende-Bereitschaft der Deutschen liegt auf einem traurigen Tiefststand – auch in Rheinland-Pfalz. Dr. Piorko glaubt gleich mehrere Gründe für die fehlende Registrierungs-Bereitschaft zu kennen.

Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) warten in Rheinland-Pfalz zurzeit knapp 450 Menschen auf eine Organspende. Die Zahl der Organspender in der Region Mitte, zu der neben Hessen und dem Saarland auch Rheinland-Pfalz gehört, hat sich in den letzten sieben Jahren fast halbiert.

Chefarzt Dr. med. Dirk Piorko ist Transplantationsbeauftragter am Vinzentius-
Krankenhaus Landau. (Foto: honorarfrei)

Wenn Organe wie Herz, Niere oder Leber nicht mehr richtig funktionieren oder nach einem schweren Unfall gar versagen, ist die Transplantation häufig die einzige Therapie, die das Leben dieser Menschen noch retten kann oder deren Lebensqualität deutlich verbessert. Da aber immer noch zu wenig Menschen dazu bereit sind, sich mit dem Verbleib ihrer Organe nach dem eigenen Ableben zu beschäftigen, warten viele kranke Menschen vergebens auf eine Transplantation. Das ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft, meint auch Dr. Piorko. Die Widerspruchslösung unserer niederländischen Nachbarn, die seit langer Zeit auch schon in Spanien, Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Ländern fest im Gesetz verankert ist, empfindet Piorko jedoch als zu radikal; der Chefarzt plädiert für eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung: „Die Information ist das A und O. Wenn die Menschen wüssten, wie viele Patienten auf Organe warten, wie lang die Wartelisten sind und wie drastisch die Zahl der Organspender in den letzten 20 Jahren zurückgegangen ist, würden viel mehr Menschen einen Organspendeausweis bei sich tragen.“

Oft würden vor allem ältere Menschen denken, dass sie aufgrund ihres Alters nicht als Organspender in Frage kämen. Dies sei aber falsch: „Es ist durchaus möglich einem 70-jährigem Patienten, der seit Jahrzehnten dialysepflichtig ist, die Niere eines anderen 70-jährigen zu transplantieren“, klärt Dr. Piorko auf. „Dieses Verfahren nennt man in der Fachsprache auch Old-to-Old-Transplantation.“ Wenn die Organe gesund seien, käme potentiell jeder als Spender in Frage.

Nicht selten führten aber auch Zweifel an dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu der Ablehnung einer Organspende: Ist mit dem Hirntod auch wirklich das Leben beendet? „Ja“, sagt Chefarzt Dr. Piorko, „nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist mit dem Hirntod bzw. dem irreversiblen Hirnfunktionsausfall ein Stadium eingetreten, in dem das Gehirn abstirbt. Und ohne Gehirn kann der Mensch nicht existieren.“

In den meisten Fällen müssten Angehörige dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechend über eine Organspende entscheiden, da dieser zeit seines Lebens seinen Wunsch nicht mitgeteilt oder dokumentiert hat. In einem Organspendeausweis kann ein potentieller Spender festhalten, welche Organe er im Falle eines Hirntods spenden möchte. In dem Ausweis kann einer Organspende aber auch widersprochen werden. „Für Angehörige kann es eine große Erleichterung sein, wenn nicht sie über den letzten Willen des Verstorbenen entscheiden müssen“, sagt der Chefarzt, der selbst einen Organspendeausweis bei sich trägt.

Das Transplantationsgesetz, das am 1. Dezember 1997 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass die Krankenkassen alle Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, alle zwei Jahre über das Thema Organspende informieren, Aufklärungsmaterial sowie einen Organspendeausweis zukommen lassen – verbunden mit der Aufforderung die eigene persönliche Entscheidung, in diesem Dokument schriftlich festzuhalten. Haben Sie schon einmal einen solchen Brief von Ihrer Krankenkasse erhalten? (Titelfoto: Tim Reckmann/pixelio.de)