„Ich bin ein Egoist“

Unter vier Augen: Trigema-Chef Wolfgang Grupp über Computer, Patriarchen und das Geben und Nehmen

Wolfgang Grupp in der Schneiderei. (Foto: Trigema)

Wolfgang Grupp, Inhaber der Textilfirma Trigema, ist ein ganz besonderer Firmenchef: „Der Erfolg des Ganzen ist die Leistung jedes Einzelnen“ – das ist das Kredo des Unternehmers. Trigema ist einer der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands und beschäftigt nicht nur ganze Familien, sondern garantiert den Kindern von Arbeitnehmern einen gesicherten Arbeitsplatz. Im Gegensatz zum allgemeinen Trend in der deutschen Textilindustri, die Produktion in Billiglohnländer zu verlagern, setzt Wolfgang Grupp konsequent auf den Produktionsstandort Deutschland. Seit 47 Jahren gibt es bei Trigema weder Kurzarbeit noch Entlassungen wegen Arbeitsmangel. Markus Eisel vom PFALZ-ECHO traf den charismatischen Firmenchef zum Gespräch in Burladingen.

Ich habe auf der Homepage ein Bisschen nachgeschaut und auch in Wikipedia ein bisschen gelesen – da schmunzeln Sie schon, bei Wikipedia.

Wolfgang Grupp: Ich selbst gehe selten in das Internet; aber auf Wikipedia steht, soviel ich weiß, einiges über mich.

Dort haben Sie gesagt, dass Sie den Mitarbeitern und ihren Kindern Arbeitsplätze für die Zukunft anbieten.

Wolfgang Grupp: Ja, ich garantiere jedem Kind unserer Mitarbeiter nach der Schule, wenn es zu uns kommen will, einen Arbeitsplatz. Aber das ist nicht unbedingt sozial, sondern es ist auch für uns ein großer Vorteil, wenn die Kinder von Mitarbeitern bei uns arbeiten. Mit Kindern unserer Mitarbeiter haben wir noch nie Probleme gehabt, denn dafür sorgen schon die Eltern, dass die Kinder ihre Arbeit richtig verrichten.

Wie hat sich Ihre Firma und Ihr System entwickelt?

Wolfgang Grupp: Meine Aufgabe war es stets, den Wandel der Zeit zu erkennen. So hatten wir bis Anfang der 80er Jahre Bedarfsdeckung. Einen Auftrag zu erhalten, war kein Problem, es war nur eine Frage, ob man genügend Arbeitskräfte und die neuesten Maschinen hatte. Danach war der Bedarf gedeckt und dann musste man Bedarf wecken. In dieser Zeit gab es 26 Textilfabriken in Burladingen. Fast alle waren sie gestandene Millionäre. Heute gibt es leider nur noch Trigema. Meine Aufgabe war es, diesen Wandel der Zeit zu erkennen. In der Bedarfsdeckung waren die Kaufhaus- und Versandhauskönige unsere größten Kunden. Als diese anfingen, weil sie selbst Probleme hatten, die Preise zu drücken, musste ich erkennen, dass in einem Hochlohnland nicht über den Preis, sondern ausschließlich über Qualität oder Flexibilität verkauft werden kann. Da ich keine Preiszugeständnisse machen konnte, habe ich als erster diese Großkunden verloren und war gezwungen, neue Kunden zu suchen. Wir belieferten danach die SB-Kunden und später die Discounter und anschließend musste ich erkennen, dass ich in einer bedarfsgedeckten Wirtschaft auch einen Teil der Handelsfunktion in Form von Trigema-Testgeschäften übernehmen muss, um unsere Produktionsarbeitsplätze auch weiterhin garantieren zu können.  Zuerst waren die Arbeitskräfte und danach die Arbeitsplätze rar geworden. Es war aber für mich selbstverständlich, den Mitarbeitern, die uns in der Zeit, als die Arbeitskraft rar war, ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten, auch später, als sich alles wandelte, den Arbeitsplatz zu garantierten. Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass ich auch immer genügend Arbeit für die Mitarbeiter hatte. Es war also stets ein Geben und Nehmen. Wer mir geholfen hatte in schwierigen Zeiten, dem half ich selbstverständlich auch, wenn es für ihn schwierige Zeiten gab. Daraus entstand auch die Garantie des Arbeitsplatzes für die Kinder.

Auch Ihre eigenen Kinder sind in die Firma eingebunden?

Wolfgang Grupp: Meine Kinder sind gerne, nach ihrem Masterstudium in London, in die Firma gekommen. Mein Sohn ist 24,5 Jahre und meine Tochter 26 Jahre alt. Sie sind beide seit zwei Jahren im Unternehmen und wir unterstützen uns selbstverständlich gegenseitig. Meine Tochter ist im „E-commerce“ und hat sich dort spezialisiert und mein Sohn ist im Verkauf.

Sie sind jetzt 73 Jahre alt. Ihre Kinder sind quasi schon im Unternehmen mit dabei. Sind Sie jemand, der loslassen kann?

Wolfgang Grupp: Ja ich kann jederzeit Aufgaben delegieren oder abtreten. Aber es wird mir in der Firma immer noch das Gefühl gegeben, dass ich gebraucht werde. Auch ich gebe meinen Mitarbeitern und meiner Familie das Gefühl, dass ich sie brauche und das ist dann sicherlich ein sehr schönes Zusammenarbeiten.

Aber Sie gehen mit Freude?

Wolfgang Grupp: Ich gehe selbstverständlich jeden Tag mit Freude in den Betrieb. Im Übrigen darf jeder Mitarbeiter oder auch meine Kinder oder meine Frau selbständig entscheiden. Aber wer selbst entscheidet, muss dafür auch die Verantwortung tragen, so wie ich es auch tue. Aber auch ich frage vor meinen Entscheidungen stets meine Frau, meine Kinder oder Mitarbeiter, was sie von meiner Meinung halten und erst dann entscheide ich.

Sie sitzen als Chef mitten im Großraumbüro. Wie kommt das?

Wolfgang Grupp: Ich brauche alle meine Mitarbeiter, wie schon gesagt, für meine Entscheidungen und deshalb sitzen wir auch alle zusammen, um kurze Wege zu haben.

Sie haben auch keinen Computer. Das ist doch sehr ungewöhnlich…

Wolfgang Grupp: Ja, ich habe keinen Computer und auch kein Internet, aber Sie können mich sicher vieles fragen, was das Unternehmen betrifft. Ich werde Ihnen keine Antwort schuldig bleiben, da ich über mein Unternehmen, auch über Kleinigkeiten, stets informiert bin und Bescheid weiß.

Ist es für Sie ein Problem, Ihre Preise zu halten? Dadurch, dass Sie in Deutschland ja produzieren, ist natürlich die Preispolitik eine ganz andere.

Wolfgang Grupp: Wir sind in einem Hochlohnland und da ist es sicher sehr schwierig konstant die Preise zu halten oder sogar zu senken! Deshalb habe ich schon immer gesagt, wir dürfen keine Massenprodukte, sondern innovative Produkte fertigen, die auch unseren Löhnen gerecht werden. Deshalb wird auch bei uns nicht über den Preis diskutiert aber stets über Qualität oder Flexibilität; das ist für uns das Wichtigste. Wer einen billigeren Preis will, der kommt gar nicht zu uns, sondern geht gleich zu den Importeuren, die dann Billigware aus dem Ausland anbieten. Von uns verlangt er innovative Produkte oder entsprechende Schnelligkeit. Wir liefern innerhalb von 24 oder 48 Stunden und können, wenn wir wollen, oder müssen, jedes Produkt in 48 Stunden über unseren Drei-Schicht-Betrieb vom Garn bis zum Fertigprodukt herstellen. Hier sind wir sicherlich unseren Kollegen in China überlegen.

Sie legen großen Wert auf Qualität, nicht wahr?

Wolfgang Grupp: Wir müssen großen Wert auf Qualität legen, weil das die Voraussetzung für deutsche Fertigung ist. Billigprodukte bzw. Produkte mit weniger Qualität werden im Ausland gekauft!

Sie werben trotz allem nicht explizit mit der besonderen Qualität Ihrer Marke. Wieso?

Wolfgang Grupp: Die Qualität stand immer bei uns im Vordergrund und mit „Made in Germany“, mit dem wir stets geworben haben und auch zukünftig werben werden, ist automatisch Qualität verbunden.

Sehen Sie sich so ein bisschen auch als Patriarch?

Wolfgang Grupp: Selbstverständlich bin ich auch ein bisschen ein Patriarch, das heißt, der Schutzpatron für unsere Mitarbeiter. Von mir wird auch erwartet, dass ich im entscheidenden Moment eine Entscheidung treffe. Aber alle wissen, dass ich für diese Entscheidung dann auch gerade stehe und mit meinem gesamten Privatvermögen hafte. Im Übrigen waren früher alle Unternehmer in der persönlichen Haftung; so ist auch das Wirtschaftswunder nach dem Krieg geschaffen worden. Diese Unternehmer hatten ebenso den Drang nach mehr, aber sie wussten, dass wenn sie zu sehr der Gier und dem Größenwahn dienen, dass sie dann als erste in der Verantwortung bzw. Haftung stehen.

Der Patriarch ist aber auch der, der sagt, meine Meinung, oder das was ich sage, das ist maßgebend, alles andere interessiert mich nicht.

Wolfgang Grupp: Selbstverständlich ist das was ich entscheide, am Schluss auch maßgebend bzw. muss auch durchgeführt werden. Aber alle Entscheidungen sind vorher mit meinen Mitarbeitern diskutiert und werden dann, wenn Einwände sind, auch den Einwänden entsprechend angepasst und am Schluss einstimmig beschlossen! Dann müssen sie aber auch eingehalten werden.

Aber lassen Sie auch mitbestimmen?

Wolfgang Grupp: Natürlich kann auch eine Entscheidung geändert werden, wenn ich neue Erkenntnisse habe. Wichtig ist, dass man den Mut hat, eine Entscheidung von gestern zu ändern, sobald man neue Erkenntnisse hat. Aber die schlechteste Entscheidung ist eine Nichtentscheidung.

Früher waren Sie im Bereich Sportkleidung sehr aktiv, heute nicht mehr. Wie kam das?

Wolfgang Grupp: Wir sind auch heute in der Sportkleidung nach wie vor aktiv vertreten. Wir sind ja Deutschlands größter Sport- und Freizeitbekleidungshersteller und haben für alle Sportarten etwas zum Anziehen, ob Radsport, Fitness, Tennis, Fußball und viele Sportarten mehr. Wir haben nur das ganz Spezielle, das vielleicht ein Profi beansprucht, nicht. Dafür gibt es heute Spezialhersteller.

Aber zum richtigen Zeitpunkt hat Ihnen die Fußballwerbung auch gut gedient, nicht wahr?

Wolfgang Grupp: Selbstverständlich war die Fußballwerbung damals für uns ausschlaggebend um einen gewissen Bekanntheitsgrad zu bekommen. Ebenso wie später unser Fernsehspot mit dem Affen erneut unseren Bekanntheitsgrad gesteigert hat.

Mir ist aufgefallen, Sie haben früher viel Sportsponsoring gemacht, jetzt machen Sie Kultursponsoring. Wie kam es dazu?

Wolfgang Grupp: Wir haben Kultursponsoring vorletztes Jahr, anlässlich des 100. Geburtstages von Richard Wagner in Bayreuth gemacht. Aber es war eine Ausnahme.

In Outlets findet man Ihre Marken nicht. Warum?

Wolfgang Grupp: In Outlets sind wir nicht, da wir unsere eigenen Geschäfte, die sogenannten Testgeschäfte haben. Wir sind in Urlaubsorten und sind mit diesen Lagen sehr zufrieden.

Wie finden Sie das immer stärker werdende Internet-Geschäft?

Wolfgang Grupp: Das Internet ist für uns eine Riesenchance. Wir haben den Online-Shop vor ca. zehn Jahren begonnen und machen heute knapp 10 Prozent unseres Umsatzes über Internet. Mit unseren Testgeschäften können wir die Verbraucher nur in dieser Region beliefern, aber über Online bzw. im Internet können wir theoretisch die ganze Welt beliefern, das ist sicher für die Zukunft sehr wichtig.

Sehen Sie nicht das Problem, dass der Einzelhandel irgendwann  ganz verschwinden wird?

Wolfgang Grupp: Der Einzelhandel wird sicherlich, was die Fläche angeht, kleiner werden. Ich bin aber der Meinung, dass es sowohl den Einzelhandel auf der Fläche als auch den Internethandel geben wird. Viele Kunden wollen die Produkte sehen oder anfassen und dafür braucht man Einzelhandelsgeschäfte und erst, wenn sie die Ware kennen kaufen sie im Internet. Zudem ist das Einkaufen auch eine Freizeitbeschäftigung geworden, deshalb hat der stationäre Handel eine Chance, er muss nur erkennen was der Kunde will und sich diesen Wünschen anpassen.

Also finden Sie das Internet ganz positiv?

Wolfgang Grupp: Das Internet ist sicherlich, was den Online-Shop anbelangt, sehr positiv. Allgemein kann das Internet natürlich auch unsere Gesellschaft negativ beeinflussen, das sehen wir heute nicht selten, wenn man die jungen Leute betrachtet, die sich fast ausschließlich nur noch mit dem Internet beschäftigen. Für manche ist es eine Art Sucht geworden und das ist natürlich nicht positiv. Aber das Internet bietet sicherlich viele positiven Seiten und die sollte man nutzen.

Sie telefonieren noch mit dem Handy?

Wolfgang Grupp: Das Handy ist aus dem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken. Es ist sehr praktisch; jeder ist erreichbar. Auch ich habe ein Handy, aber nur, wenn ich nicht in der Firma bin, ansonsten ist es bei mir ausgeschaltet in meinem Büroschrank.

Sie gehen jeden Tag in die Produktion?

Wolfgang Grupp: Nicht unbedingt jeden Tag, aber immer wenn ich dort gebraucht werde, bzw. wenn es dort ein Problem gibt und manchmal auch aus eigenem Interesse, damit ich weiß, was alles im Moment in der Produktion läuft. (eis)