Anette Nehberg-Weber und Rüdiger Nehberg kämpfen für Mädchen in Afrika. (Foto: Rüdiger Nehberg)

Von Thomas Heupel

Landau. „Querschnitt durch ein aufregendes Leben“ ist der Name einer Live-Multivisionsshow mit Rüdiger Nehberg im Universum Kinocenter Landau, am Samstag, 28. Oktober, um 20 Uhr. Organisiert wird die Veranstaltung von Naima Essaoudi, Geschaftsführerin von „Zuhause pflegen“. Unterstützung erhält sie dabei von ihrem Zwillingsbruder Hassan Essaoudi. Ein Teil des Erlöses des Abends geht an TARGET e.V., eine von Rüdiger Nehberg gegründete Menschenrechtsorganisation, die sich gegen die Genitalverstümmlung einsetzt und vor Ort in Äthiopien ein mobiles Hospital betreibt. Der 1935 in Bielefeld geborene Rüdiger Nehberg hat unzählige Reisen und Expeditionen um den gesamten Erdball unternommen. Er gilt als Survival Experte und setzt sich seit vielen Jahren für die Menschenrechte ein. Alles begann im Jahr 1951 als Nehberg mit dem Fahrrad die halbe Welt bereiste. Zu Anfang seiner Reisen trieb ihn die Abenteuerlust. Ein Schlüsselerlebnis war für ihn die Begegnung mit den Yanomami, einem Indianervolk im venezolanisch-brasilianischen Grenzgebiet, was sein Leben komplett umkrempelte. Seine Expeditionen wurden von dort ab Einsätze für Schwache und Unterdrückte auf der ganzen Welt. Thomas Heupel vom PFALZ-ECHO sprach mit dem Abenteurer.

Wie entstand die Idee, die ganze Welt zu bereisen?

Mit siebzehn bin ich mit dem Fahrrad von Münster nach Marokko gefahren. Das war zu Zeiten, als die Straßen noch nicht asphaltiert waren und das Wort Tourismus nicht erfunden. Weil ich im Freien schlief und von Brot, Tomaten und Seemuscheln lebte, kostete mich das nur eine Mark pro Tag. Der Grund: ich wollte in Marrakesch Schlangenbeschwörung lernen und dann mit eigenen Kobras im Hamburger Hansatheater auftreten. Mit dem Honorar wollte ich schneller selbstständig werden als Konditor. Der Auftritt kam nicht zustande, weil der Direktor absolute Angst vor Giftschlangen hatte. Im Gegensatz zu mir. Schlangen galt schon immer mein besonderes Interesse. Die Reise nach Marokko war so spannend, dass ich seither jedes Jahr nach irgendwo gestrampelt oder getrampt bin.

Wohin führte Sie Ihre erste Expedition?

Zum Blauen Nil in Äthiopien.

Gefährliche Situationen gab es während Ihrer Reisen ja zuhauf, welche war für Sie die gefährlichste?

Mit zwei Freunden zum Blauen Nil. Vor uns hatte es schon zehn andere Versuche gegeben, den Nil zu befahren. Sie waren gescheitert infolge von unzureichenden Booten, Überfällen, Wildwasser, Krokodilen. Vier Personen waren ermordet worden. Auch wir blieben von Überfällen nicht verschont. Bei einem wurde mein Freund Michael erschossen. Wir konnten die Angreifer in die Flucht schlagen, entkommen und die Täter später fangen.

Gab es auf Ihren Reisen Momente an denen Sie ans Aufgeben dachten?

Nein. Auch nicht nach dem Unglück mit Michael. Denn vor jeder Reise hatte ich alle Möglichkeiten des Scheiterns in Betracht gezogen und war auf alles vorbereitet. Durch Trainings, durch mein Wissen um Survival.

Warum die Kamelkarawane durch die Danakilwüste?

Weil sie als undurchquerbar galt. Nicht aufgrund von Geländeschwierigkeiten, sondern weil die Afar-Nomaden Fremde grundsätzlich nicht durchließen. Sie gelten als vogelfrei. Wir drei Deutschen hatten eine Sondererlaubnis des Sultans und zwei einheimische Begleiter. Der Grund für die Erlaubnis war meine Idee, aus Luftfeuchtigkeit Wasser zu zaubern. 1977 herrschte dort Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Das machte die Hauptgefahr aus. Auch wir wurden überfallen und ausgeraubt. Heute betreiben wir genau dort eine große Geburtshilfeklinik deutschen Standards für genitalverstümmelte Frauen.

Wie kam es zu Ihrem Engagement für die Yanomami?

Ich hatte von ihrer Bedrohung durch eine Armee von Goldsuchern gehört. Brasilien leugnete die Bedrohung. Also ging ich hin, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Allein, unbewaffnet und mit einer Mundharmonika. Ich wurde Augenzeuge der Vernichtung und entschloss mich, ihnen zu helfen. Das hat zwanzig Jahre gedauert. Die Konditorei habe ich verkauft. Seither arbeite ich vollzeitlich als Aktivist für Menschenrechte. 2000 erhielten sie einen akzeptablen Frieden. Bei einem anderen Indianervolk, den Waiapí in Nordostbrasilien, betreiben wir eine größere Urwaldklinik.

Rüdiger Nehberg mit einem Afar-Mädchen in Äthiopien. (Foto: Rüdiger Nehberg)

Sie setzen sich außerdem gegen die weibliche Genitalverstümmelung ein. Was war hier der Auslöser?

Nach dem Frieden für die Yanomami, haben meine Frau Annette und ich uns diesem Thema zugewandt. Ich kannte es seit der Danakildurchquerung. Doch damals war ich zu jung, um mir vorstellen zu können, dass ein Fremder gegen diesen Brauch Front machen könnte. Durch die Erfahrung mit den Yanomami hat sich das geändert. Vor allem hatten wir eine unschlagbare Strategie: Mit dem Islam als Partner. Islam deshalb, weil 80 Prozent der täglich 8.000 Opfer Muslimas sind, und der Brauch falsch mit dem Koran gerechtfertigt wird. Weil andere deutsche Menschenrechtsorganisationen vorm Islam Bammel hatten, haben wir unsere eigene Organisation (TARGET e.V.) gegründet. Sie macht uns von solchen Bedenkenträgern unabhängig. Die Hoffnung, mit dem Islam voran zu kommen, habe ich während meiner vielen Reisen in muslimische Länder gewonnen. Und der Erfolg gibt uns Recht. Wir haben erreicht, dass die höchsten Glaubensführer des Islam den Brauch zu einem Verbrechen erklärt haben, das höchste Werte des Islam verletzt. Es ist die wichtigste Voraussetzung für das Ende. Bei meinem Vortrag werde ich erzählen, was diesbezüglich meine ganz große Vision ist.

Was ist oder war der Antrieb für Ihre Reisen und Aktionen?

Eine tief verwurzelte Abenteuerlust, Neugier auf die Welt, Spaß am Risiko. Dazu die soziale Grundhaltung. Sie war ausschlaggebend für das Engagement.

Sie haben unzählige Bücher geschrieben, was ist ihr Lieblingswerk und warum?

„Überleben ums Verrecken“ – es ist das Buch, das die europäische Survivalbewegung ausgelöst hat.

Was wollen Sie Ihrem Publikum vermitteln?

Ich möchte mein Publikum unterhalten und am gelebten Beispiel zeigen, dass niemand zu gering ist, die Welt zu verändern und so eine tiefe Erfüllung finden kann.

Vom Abenteurer zum Aktivisten: Rüdiger Nehberg. (Foto: Rüdiger Nehberg)