Vor wenigen Wochen erst gab es in den Medien einen lauten Aufschrei: Anna Loos verlässt die Band Silly, mit der sie zwölf Jahre lang als Sängerin unterwegs war, um sich ihrem Soloprojekt zu widmen. Ganz so sei es aber gar nicht, klärt sie nun im PFALZ-ECHO-Interview auf. Außerdem sprach sie mit Markus Eisel und Anne Herder über den neuen Helen Dorn-Film „Nach dem Sturm“ (Samstag, 9. Februar, 20.15 Uhr im ZDF) und das Familienleben.

Die Themen, die in den Helen Dorn-Krimis behandelt werden, sind oft schwere Kost. Auch die Rolle an sich ist sehr ernst angelegt. Müssen Sie sich da speziell vorbereiten, um sich auf den Dreh einzustellen?

Anna Loos: Kommt darauf an, was ich für den Dreh können muss, aber klar ich bereite mich immer vor. Menschen, die mich vor allem von den Helen Dorn-Filmen kennen, denken oft, ich sei auch privat ein extrem ernster und strenger Typ, der zum Lachen in den Keller geht. Das stimmt natürlich nicht! Ich kenne einige Polizisten und weiß, dass das ein sehr harter Beruf ist. Im Gegensatz zu früher nutzen Polizisten heute auch psychologische Betreuung, das verstehe ich gut. Natürlich fasst einen das, was diese Leute erleben, an. Und natürlich ist es wie in jedem Beruf: Man nimmt die Probleme mit nach Hause und beschäftigt sich damit. Als Schauspielerin in einem Krimi, fischt man immer auch in einem Sozialdrama, man befasst sich mit Tätern und Opfern. Gerade das finde ich auch besonders spannend.

Nehmen Sie als Schauspielerin diese Themen auch mit nach Hause?

Anna Loos: Wenn ich drehe, lasse ich meist das Zeitung Lesen sein – die realen Fälle wühlen mich zu sehr auf. Als normaler Zeitungsleser hat man natürlich einen gehörigen Abstand zu all diesen Themen: Krieg, Kriminalfälle, das alles findet eher auf einer fiktionalen Ebene statt. Aber wenn man mal in ein betroffenes Land gereist ist oder sich mitten in einem tatsächlichen Kriminalfall befindet, dann atmet man das ganze und es ist keine Fiktion mehr und es berührt auf einmal auch ganz anders.

Ihr Mann ist auch Schauspieler. Geben Sie sich gegenseitig Tipps? Sprechen Sie zuhause viel über Ihren Beruf?

Anna Loos: Dass wir uns konkrete Tipps geben, passiert eher nicht, aber wir tauschen uns natürlich sehr oft gegenseitig aus. Wir lesen beispielsweise fast immer gegenseitig unsere Drehbücher. Ich liebe es – all diese Geschichten! Und natürlich geben wir dann dem anderen auch eine Meinung rein.

Haben Sie ihm nach so einer Lektüre auch schon von Rollen abgeraten?

Anna Loos: Ja, vielleicht indirekt, durch das, was ich gesagt habe, aber prinzipiell entscheiden wir selbst. Wenn wir ein Angebot haben und uns unsicher sind, ob das wirklich ein gutes Projekt für uns ist, geben wir es dem anderen schon mal mit Nachdruck zum Lesen und fragen gezielt nach. Es geht ja immer um die Frage, ob ich bei einem Projekt ‚zuhause sein kann‘. Die Qualität der Angebote, die wir bekommen, ist eigentlich grundsätzlich ganz toll, was mich sehr glücklich macht!

Und wie ist es, wenn die Filme des anderen fertig sind? Haben Sie schon mal zu Ihrem Mann gesagt: „Den fand ich jetzt nicht so gut!“?

Anna Loos: Ach, klar. Es gibt schon auch manchmal Kritik. Wir sind aber beide selbst unsere größten Kritiker. Der Jani geht mit sich selbst stark ins Gericht – ich auch. Grundsätzlich ist die Meinung des anderen für uns sehr wichtig. Wenn eine Produktion abgeschlossen ist und der Film ausgestrahlt wird, kann man ja auch immer etwas für die Zukunft mitnehmen und daraus lernen: Haben wir schon den richtigen Look? Ist die Rolle zu eindimensional? Hat jemand zu sehr an der Oberfläche gefischt? Solche Fragen tauchen dann schon manchmal auf – und das hauen wir uns dann auch gegenseitig um die Ohren.

Anna Loos und
Markus Eisel trafen
sich in Köln. (Foto: Herder)

Nach welchen Kriterien suchen Sie sich denn Ihre Rollen aus?

Anna Loos: Es muss mich einfach packen. Man sagt ja immer: Das Paket muss stimmen – der Regisseur, die Darsteller, die Produktion usw. Das stimmt natürlich, das alles ist auch wichtig. Aber für mich ist das Buch entscheidend. Ich muss an die Geschichte glauben! Einzelne Details kann man zu einem frühen Zeitpunkt ja immer noch ändern, es ist ja noch nichts in Stein gemeißelt. Ich kann dann ja immer noch sagen: „Hey, das ist eine geile Idee! Aber diese eine Figur würde ich etwas anders anlegen.“ Wichtig ist erst mal, dass die Geschichte einen Sog hat und alles, was eine gute Geschichte grundsätzlich braucht.

Nun steht ja bald auch die Veröffentlichung eines Soloalbums an. Wann genau ist es soweit?

Anna Loos: Am 8. März! Was ist an diesem Tag? Na?

Weltfrauentag!

Anna Loos: Ja! Richtig!

Das Datum ist also bewusst so gewählt?

Anna Loos: Ja, das ist beabsichtigt. Ich bin eine Frau! Seit 48 Jahren lebe ich das Leben einer Frau. Ich liebe Frauen! Also dachte ich mir, dass das ein tolles Datum ist, um meinen emotionalen Werkzeugkasten denen, die sich dafür interessieren, an die Hand zu geben.

Haben die Themen der Songs denn solch einen Schwerpunkt: Feminismus, Frauenrechte?

Anna Loos: Feminismus ist eher nicht das Thema. Es geht um das Leben einer Frau. So könnte man es beschreiben: Geschichten aus dem Leben einer Frau, aus meinem Leben!

Haben Sie die Texte und die Musik komplett selbst geschrieben?
Anna Loos: Ich habe mit ein paar Freunden und tollen Musikern gemeinsam gearbeitet, es war eine schöne Reise und es war unglaublich inspirierend.

Das Soloprojekt ging ja einher mit der Trennung von der Band Silly …

Anna Loos: Ich hab mich nicht von der Band getrennt! Man soll nicht immer alles glauben, was in der Zeitung steht. (lacht) Es ist eine Pause. Bei Silly gab und gibt es gerade keinen Plan für ein nächstes Album. Die Jungs wollten live spielen, ich wollte ein Album schreiben. Ich hatte so viele Ideen für neue Songs im Kopf. Also habe ich angefangen, meine Ideen aufzuschreiben – und sie haben ihre Tour geplant. Ich bin sicher, das wird toll. Sie konnten zwei sehr gute Sängerinnen verpflichten und wer weiß, vielleicht schau ich ja auch mal vorbei.

Einen Song zu schreiben, ist für Sie also nichts, was Sie „erzwingen“ müssen – es kommt einfach raus?

Anna Loos: Ja, das war auch schon länger so. Ich hatte immer wieder Ideen im Kopf, von denen ich wusste, die passen nicht zu Silly. Jetzt musste ich mich einfach mal hinsetzen und daran arbeiten. Ich bin kein guter Interpret. Dafür tauge ich einfach nicht. Viele lachen ja über Schlagersänger, aber ich finde, dass das alles ganz tolle Interpreten sind, die die Emotionen rüberbringen, auch wenn es keine eigene Geschichte ist, die sie erzählen. Ich kann das gar nicht! Ich mache Musik, weil es mir Spaß macht, meine Geschichten zu erzählen. Beim Film ist es anders, da interpretiere ich ja Dinge, die andere geschrieben haben. Musikalisch interessiert mich das aber nicht so sehr.

Bei Silly haben Sie aber mit viel Erfolg auch interpretiert!

Anna Loos: Das war eine etwas andere Situation. Silly war ja die Band meiner Kindheit, die Helden meiner Jugend! Insofern gab es da natürlich schon eine enge Verbindung und eine extreme Beziehung zu manchen alten Songs. Auch nicht zu allen. Ich habe z.B. immer zu den Jungs gesagt, die wilde Mathilde singe ich nicht, das Lied hab ich nie gefühlt und das bin ich auch nie gewesen. Hab es trotz großen Protests auch nie gesungen. Bevor wir dann das erste Album zusammen geschrieben haben, hatte ich vier Jahre die alten Lieder der Band mit ihnen auf der Bühne gebracht, und ich denke, ich war, was die Arbeit an neuen Silly-Alben anging, wohl die, die am ungeduldigsten war.

Wie schwierig ist es denn, das alles unter einen Hut zu bringen? Musik schreiben, auf Tour gehen, Drehen, Familie …? Und dann kommt noch der Ehemann, der genau das Gleiche macht.

Anna Loos: Es ist eigentlich gar nicht schwierig. Ich habe mir als Schauspielerin schon ganz früh vorgenommen, nur Projekte anzunehmen, die auch wirklich passen, in denen ich eben zu Hause bin. Ich wollte auf jeden Fall genug Zeit für die Musik haben. Und das funktioniert auch! Ich habe keine Angst davor, wenn im Kalender mal vier Monate lang kein Dreh ansteht.

Anna Loos steht als Musikerin am liebsten auf der Bühne. (Foto: Grit Silwonia)

Sie müssen dafür sicher sehr strukturiert sein?

Anna Loos: Ja, das bin ich auch. Ich habe aber auch Hilfe: Ich habe eine ganz, ganz tolle Kinderfrau. Aber auch die hilft einem nicht, wenn man grundsätzlich nicht genug zu Hause ist. Ich organisiere mir mein Jahr also schon so, dass ich viel Zeit daheim verbringen kann. Meine Mutter, die als Krankenschwester gearbeitet hat, sagt immer, ich sei heute mehr für die Kinder da, als sie damals. Bei mir ist es halt unregelmäßiger. Aber damit können unsere Kinder gut umgehen, das kennen sie ja nicht anders, und wir haben unser Leben so strukturiert, dass ansonsten nicht allzu viele Unregelmäßigkeiten gibt.

Wie ist denn das Feedback Ihrer Kinder zu Ihrer Musik oder zu Ihren Filmen?

Anna Loos: Die meisten meiner Filme zeige ich Ihnen gar nicht, ich denke ehrlich, das interessiert sie auch gar nicht. Die Liebe zur Musik teilen wir alle! Wir sind alle musikalisch, jeder quält ein Instrument. Sie haben alle mitgeholfen, indem Sie bei meinen Videodrehs mitgewirkt haben. Sie haben mich da also richtig unterstützt und feiern mein Album.

Trifft Ihre Musik den Geschmack Ihrer Kinder?

Anna Loos: Das weiß ich gar nicht genau. Gute Frage! Den Geschmack der Kleineren treffe ich damit vielleicht eher als den von der Großen. Die hört momentan viel amerikanischen Rap, aber auch ein paar tolle Singersongwriter, also gibt es Hoffnung.

Haben Sie selbst musikalische Vorbilder? Von wem lassen Sie sich inspirieren?

Anna Loos: Gerade vor ein paar Wochen habe ich mir das neue Grönemeyer-Album gekauft. Vom Herbert bin ich wirklich ein ganz großer Fan. Und ich habe mir im Netz zwei alte Siouxsie and the Banshees-Platten ersteigert. Die finde ich schon ewig mega – kennt aber leider keiner. Es lohnt sich, da mal reinzuhören! Das ist halt meine Jugend, genau wie Silly. Ende der 80er kam dann Nirvana, die haben dann für kurze Zeit die totale Kontrolle übernommen.

Was war das letzte Konzert, das Sie als Fan besucht haben?

Anna Loos: Das war das Konzert eines guten Freundes: Rea Garvey. Ich bin sozusagen Freund und Fan! Es ist schön zu sehen, wie das gewachsen ist, und war ein tolles Erlebnis. Ich habe Rea das erste Mal bei Rock am Ring mit Raemonn gesehen und bin sehr stolz auf meinen Freund, weil er nicht nur jedes Jahr geile Musik macht, sondern auch ein wunderbarer Mensch ist, der mit Engagement, Liebe, Power und einem unendlichen „Positivismus“ durch das Leben schwimmt.

Rea Garvey ist auch als Juror in Castingshows zu sehen. Wäre das auch was für Sie?

Anna Loos: Keine Ahnung. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich möchte mit meiner Musik vor allem raus auf die Bühne. Ich mache ja eine kleine Clubtour – direkt nach der Veröffentlichung des Albums. Auch wenn viele mir davon abgeraten haben, das so früh schon zu machen. Es war mein Wunsch. Das Schönste, die Belohnung – der Preis am Ende des Rennens – ist, die Musik live vor Publikum zu spielen. Das ist genau das, was mich immer wieder antreibt, weiterzumachen. Ich wollte mit meinen eigenen Sachen also natürlich so schnell wie möglich auf die Bühne.