Barbara Schleicher-Rothmund: „Es ist erfreulich, wenn man merkt, dass man professionell helfen kann!“

Unter vier Augen: Die Südpfälzer Wahlkreisabgeordnete Barbara Schleicher-Rothmund ist seit April Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragte der Landespolizei

(Foto: honorarfrei)

Mit Wirkung zum 29. April wurde Barbara Schleicher-Rothmund vom Parlament zur Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragte für die Landespolizei gewählt.

Worin liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Barbara Schleicher-Rothmund: Ich habe alle politischen Ämter abgegeben, um für alle Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz da zu sein. Das Amt der Bürgerbeauftragten von Rheinland-Pfalz ist neutral. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt darin, zwischen den Anliegen der Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung zu vermitteln. Auch bei den Anliegen der Polizistinnen und Polizisten habe ich eine vermittelnde Position.

Wie kann man sich konkret den Arbeitsalltag als Bürgerbeauftragte vorstellen?

Barbara Schleicher-Rothmund: Ich biete Sprechtage in ganz Rheinland-Pfalz an, welche mit einem gewissen Vorlauf ankündigt werden. Die Bürgerinnen und Bürger können sich zu diesen Sprechtagen anmelden. Ich rede mit ihnen oder auch mit den Petenten, die eine Petition bzw. Eingabe machen und gehe diesen Anliegen mit meinem Team nach. Das ist der Teil der Sprechtage vor Ort. Zusätzlich gibt es auch noch Sprechtage in Mainz und Sprechtage in den JVAen des Landes. Ich bin für den Petitionsausschuss zuständig und ein Unterausschuss davon ist die Strafvollzugskommission. Diese tagt auch regelmäßig in den JVAen des Landes, um mit dem Personalrat, der Anstaltsleitung oder der Insassenvertretung Gespräche zu führen. Und natürlich auch die Arbeit für den Petitionsausschuss. Wir bekommen Eingaben: von Menschen mit Anliegen, aus dem Justizbereich, bedingt durch die Strafvollzugsangelegenheiten. Aber auch sehr viel aus dem Bereich Verkehr, Soziales, Bauangelegenheiten. Wir versuchen, diese Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einvernehmlich zu lösen.

Gab es einen bestimmten Anlass oder eine wichtige Erfahrung in Ihrem Leben, die Sie bewogen hat in die Politik zu gehen?

Barbara Schleicher-Rothmund: Es gab einen ganz konkreten Anlass. Ich bin 1998 zur Politik gekommen, dadurch, dass im Kreis Germersheim die Kindergartenbeiträge erhöht worden sind. Wir Eltern fanden die Staffelung ungerecht und haben uns gewehrt. Dann haben wir begriffen, dass einige, wenige Eltern das so nicht machen können und wir uns eine demokratisch legitimierte Struktur geben müssen. Daraufhin haben wir aus eigenem Antrieb einen sogenannten Kreiselternausschuss gegründet und haben alle Elternausschüsse aus dem Kreis Germersheim eingeladen. Dies war eine sehr erfolgreiche Veranstaltung. Wir sagten: „Die Erhöhung finden wir nicht o. k. und wir wollen mit dem Jugendamt in Verhandlungen treten!“ Wir haben dafür gesorgt, dass die Erhöhung der Beiträge geändert wurde und dass wir einen Platz im Jugendhilfeausschuss bekamen; zwar nicht stimmberechtigt, aber wir wurden gehört. Das war sehr erfolgreich. So kam ich in die Politik, weil mich einfach diese Ungerechtigkeit gestört hat. Da ging es ums Prinzip!

Redakteurin Regina Teutschländer traf Barbara Schleicher-Rothmund. (Foto: hea)

Wie wird man Bürgerbeauftragte? Möchten Sie uns etwas über Ihren Werdegang erzählen?

Barbara Schleicher-Rothmund: Das Amt der Bürgerbeauftragten hat klare gesetzliche Vorgaben. Es gibt ein Bürgerbeauftragtengesetz. Und was die wenigsten Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer wissen: Wir sind Vorreiter! Bei uns gibt es dieses Amt seit 1974. Es gibt nur fünf Bundesländer, die eine Bürgerbeauftragte bzw. einen Bürgerbeauftragten haben. Und wir erleben jetzt, dass andere Bundesländer zu uns kommen und uns um Rat fragen, weil wir die längste Erfahrung haben. In diesem Gesetz steht, dass man 35 Jahre alt sein muss. Das hat einen guten Grund: Es muss jemand mit einer gewissen Lebenserfahrung sein. Und es muss jemand sein, der gut vernetzt ist, denn sie müssen mit vielen, vielen Menschen reden, wenn sie sich für die Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Zudem wird man auf eine Zeit von acht Jahren gewählt. Als ich gefragt wurde, hatte ich durch meine Arbeit als Abgeordnete, Parlamentarische Geschäftsführerin und Vizepräsidentin schon einiges an Erfahrung sammeln können. Es ist ein schönes Amt! Es ist vielseitig und spannend und es ist erfreulich, wenn man merkt, dass man professionell helfen kann. Es sind derzeit 21 Mitarbeiter in Mainz; ein Team, das dafür sorgt, dass wir den Leuten sehr qualifiziert zur Seite stehen.

Was sind die Ziele?

Barbara Schleicher-Rothmund: Die Ziele sind, weiterhin die Vermittlerin, Ansprechpartnerin, für die Bürgerinnen und Bürger zu sein. Was mir auch wichtig ist, ist deutlich zu machen, dass die Petition etwas ist, das bei uns in der Verfassung steht! Die Petition ist ein Verfassungsrecht! Dass der Bürger sagen kann: „Ich schreibe jetzt eine Petition an den Landtag!“ Mein Ziel ist es auch, die Abgrenzung zu diesen Online-Portalen aufzuzeigen, die sicherlich auch wichtig sind und eine gute Arbeit machen, die aber so niederschwellig konstruiert sind, dass man mit einem Klick relativ leicht dabei ist. Bei uns – wir haben auch eine öffentliche Petition – ist klar, wo es herkommt: aus dem Landtag. Und wo es hingeht: in den Landtag.

Was belastet Sie bei Ihrer Arbeit am meisten?

Barbara Schleicher-Rothmund: Es gibt Fälle, wo ich die emotionale Not, die Hilflosigkeit und Verzweiflung von Menschen sehe, aber weiß, dass ich ihnen auch nicht wirklich helfen kann. Manchmal sieht man auch Leute, die geprägt sind von ihrem Schicksal und keinen Ausweg finden. Diese Last kann man ihnen nicht nehmen. So etwas belastet einen dann, das nimmt man mit nach Hause.

Und was macht Ihnen bei Ihrer Arbeit als Bürgerbeauftragte am meisten Freude?

Barbara Schleicher-Rothmund: Die positiven Reaktionen. Dass sich Menschen bedanken, denen wir wirklich haben helfen können. Es bedanken sich aber auch diejenigen, die sagen: „Sie haben es wenigstens versucht!“ Die Dankbarkeit ist die eine Sache, was aber auch unheimlich Freude macht, ist, dass wir dieses Amt so lange und erfolgreich haben und dass das von den Bürgerinnen und Bürgern auch so gesehen wird. Beim Rheinland-Pfalz Tag haben wir einen Informationsstand. Beim letzten Mal kam ein älteres Ehepaar vorbei und bedankte sich und sagte: „Es ist gut, dass es das gibt!“ Wir hatten beiden schon geholfen. Es ist schön zu wissen, dass man ein Amt begleitet, das für die Menschen einen Wert hat.

Was wünschen Sie sich von den Bürgern?

Barbara Schleicher-Rothmund: Ich wünsche mir von den Bürgern, dass sie aufmerksam sind in ihren Rechten, aber auch ihre Pflichten kennen. Außerdem wünsche ich mir, dass sie sich in der Gesellschaft beteiligen. Die Bürgerbeauftragte ist wichtig und gut, aber Veränderung kann man auch anderweitig herbeiführen, eben durch persönliche Beteiligung. Wenn man eben sagt: „Das ist eine unhaltbare Parkplatzsituation im Ort – da machen wir jetzt etwas dagegen!“ – und organisiert beispielsweise Gemeinschaften. Wir brauchen Bürger, die Spaß an ihrem Staat und den Rechten ihres Staates haben. Das wäre schön!

Wo nehmen Sie die Kraft für die Arbeit her?

Barbara Schleicher-Rothmund: Ich denke mal, wer den Werdegang genommen hat, den ich genommen habe, der muss ein Interesse an den Anliegen seiner Mitmenschen haben – und das gibt Kraft! Wenn sie beispielsweise in der JVA sitzen und es sagt jemand: „Danke, dass Sie mit mir reden!“, dann ist das schön!

Bürgerbeauftragte Barbara Schleicher-Rothmund freut sich, wenn sie Menschen helfen kann. (Foto: honorarfrei)

Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Haben Sie bestimmte Hobbys?

Barbara Schleicher-Rothmund: Ich gehe unheimlich gerne im Pfälzer Wald spazieren. Es gibt mir wahnsinnig viel in freier Natur zu sein. Ich gehe gerne joggen. Und ich freue mich auf gemeinsame Stunden mit meiner Familie.

Wie lange sind Sie bereits politisch aktiv?

Barbara Schleicher-Rothmund: 1999 bin ich in die SPD eingetreten. 2001 bin ich dann in den Landtag gekommen. Ich war die Quereinsteigerin (lacht).

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?

Barbara Schleicher-Rothmund: Die Vielfalt! Es ist eine sehr vielseitige Arbeit. Und dann natürlich das Sinnstiftende!

Und was ist Ihre Motivation dabei?

Barbara Schleicher-Rothmund: Die Motivation ist eigentlich die, die sich schon durch das ganze politische Dasein durchzieht: mitgestalten können und im konkreten Fall: helfen können! Teilweise führen unsere Petitionen auch dazu, dass sie wiederum gestaltend wirken. Ein Beispiel: Es gab mal einen Stiefvater, der zum Klassenelternsprecher gewählt werden sollte. Jemand hat herausgefunden, dass dies nicht sein darf, weil in einem total veralteten Paragraphen im Schulgesetz steht, dass Stiefeltern keine Klassenelternsprecher werden dürfen. Über eine Petition ist dies deutlich geworden. Wir holten die Stellungnahme des Ministeriums ein. Letztendlich wurde dieser Paragraph geändert, weil es überhaupt nicht mehr den heutigen Familienverhältnissen entsprach. So sind wir auch mittelbar gestaltend tätig und das macht natürlich auch Spaß!

Was bedeutet Politik für Sie?

Barbara Schleicher-Rothmund: Politik ist meiner Ansicht nach ein ganz wichtiger Bereich, der die Lebensverhältnisse von Menschen gestalten kann, der Schwerpunkte setzen kann und der Aufmerksamkeiten wahren muss. Es ist ganz wichtig, dass in unserem System die Mehrheit entscheidet, aber die Minderheit darf dabei nicht runterfallen. Das leben wir so in Deutschland und das müssen wir uns erhalten. Ich glaube die Verantwortung von Politik ist, zu schauen, dass die Schwachen nicht unter die Räder kommen. Ich vertrete die Ansicht: „Der Gesunde ist für den Kranken da und der Starke für den Schwachen“ und das müssen wir aufrechterhalten. Politik steht auch in der Verantwortung, die Beteiligungsmöglichkeiten weiterhin sichtbar zu machen. Wir dürfen nicht dulden, dass sich die Leute aus der Demokratie verabschieden, weil sie sagen: „Ich will aber nicht mehr meine Beteiligung! Wo bin ich eigentlich noch vertreten? Und wo spiegele ich mich eigentlich noch wieder?“ Das ist eine große Verantwortung von Politik, die im Augenblick schwer gefragt ist. Und das müssen wir im Großen, an Wahltagen, den Leuten deutlich machen. Das ist uns in letzter Zeit schwerer gefallen. Und wir müssen es aber auch in kleinen Prozessen deutlich machen, dass die Bürgerinnen und Bürger merken: „Das ist meine Kommune, das ist mein Bundesland, das ist mein Staat und dafür setze ich mich ein! Und wenn ich mich beteiligen möchte, dann werde ich auch gehört. Und wenn ich zu einem Beteiligungsprozess aufgefordert werde, dann müssen auch tatsächlich Spielräume und Möglichkeiten vorhanden sein!“ Es kann nicht sein, dass ich Leute einlade: „Mach mal mit bei der Dorfmoderation!“ und alles Mögliche wird erarbeitet und am Ende heißt es: „Schön. Können wir aber alles nicht machen.“ Dann bekommen sie die Leute nie wieder dazu, sich zu beteiligen. Beteiligung muss auch das Gefühl von „ich werde ernst genommen“ und „ich kann auch was bewirken“ haben. Aber die Beteiligung im Kleinen, wie im Großen, die müssen wir immer wieder deutlich machen, da sie Demokratie stärkt und das ist die Verantwortung von Politikerinnen und Politikern.