Bernhard Vogel (l.) und Helmut Kohl zur Landtagswahl 1983. (Foto: KAS)

Steckbrief: Bernhard Vogel

  • Geboren 1932 in Göttingen
  • Studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft
  • Trat 1960 der CDU bei
  • 1976 bis 1988 – Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz
  • Von 1989 bis 1993 und von 2001 bis Ende 2009 war er Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung
  • 1992-2003 – Ministerpräsident des Freistaates Thüringen.
  • Auszeichnungen und Ehrungen u.a.: Verdienstorden des Landes Rheinand-Pfalz und Thüringen, Bundesverdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

______________________________________________________________________

Herr Vogel, wie geht es Ihnen denn?

Bernhard Vogel: Ich kann nicht klagen, für mein Alter geht es mir gut. Trotz Corona versuche ich, die freie Zeit gut zu nutzen. 

Sie haben im Lauf Ihres langen Lebens sehr viele Ämter bekleidet. Können Sie rückblickend sagen, was für Sie die größte Herausforderung war?

Bernhard Vogel: Die größte Herausforderung war für mich natürlich Thüringen. Mit meiner Wahl zum Ministerpräsidenten von Thüringen begann für mich das größte Abenteuer meines Lebens. Aber trotzdem möchte ich auf die Jahre als Kultusminister und dann als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz nicht verzichten. Auch diese Jahre waren inhaltsreich, erfüllt und mitunter auch schwierig. 

Welches Amt hat Ihnen die meiste Freude bereitet?

Bernhard Vogel: Erfüllt haben ich alle drei Ämter. Der Kultusminister ist mir nie mehr aus den Kleidern gegangen. Die größte Erfüllung – und gleichzeitig die größte Schwierigkeit – hat mir das Amt als Thüringer Ministerpräsident unmittelbar nach der Wiedervereinigung bereitet.

Von 1976 bis 1988 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz: Dr. Bernhard Vogel. (Foto: KAS)

Sie sagten gerade, dass Sie den Kultusminister nicht mehr ablegen konnten. 

Bernhard Vogel: In der Tat ist mir das in den Kleidern geblieben. Und die Kultusminister nach mir in Rheinland-Pfalz und in Thüringen hatten es nicht ganz leicht, da immer die Gefahr bestand, dass ich mich in deren Amtsgeschäfte einmische (lacht). 

Jetzt habe ich eine Frage, die mich schon länger beschäftigt: Ist es nicht so, dass wir in unserem Land ein großes Bildungsproblem haben?

Bernhard Vogel: Ich vermeide öffentliche Kritik an meinen Nachfolgern, aber unter den Dingen, die mich im Blick auf Rheinland-Pfalz schmerzen, gehört vor allem das Thema Bildungspolitik, insbesondere das Thema Schulpolitik.

Zu Ihrer Zeit gab es noch das dreigliedrige Schulsystem.

Bernhard Vogel: Das dreigliedrige Schulsystem haben wir damals in den 60er Jahren für Rheinland-Pfalz eingeführt. Ich habe es in veränderter Form auch für Thüringen übernommen und bedaure, dass es heute in Frage gestellt wird. 

Würden Sie sagen, dass sich durch die Veränderung der Bildung der Menschen auch unsere politische und gesellschaftliche Kultur verändert hat?

Bernhard Vogel: Ja, natürlich. Allein die Tatsache, dass sich die Zahl der Abiturienten vervielfacht hat, hat die Landschaft verändert. Was diese aber auch verändert hat, ist, dass die berufliche Bildung nicht mehr die Aufmerksamkeit findet, die sie verdient hätte. 

Wie bewerten Sie die coronabedingten Schließungen der Kitas und Schulen?

Bernhard Vogel: Corona ist eine ungewöhnliche und so bisher nicht bekannte Herausforderung, insbesondere für die Kitas, die heutzutage leider nicht mehr Kindergärten heißen, für die Grundschulen und die anschließenden Schulwege. Ich bin dafür, dass wir auch im Schulbereich auf das Hauptziel achten, Corona zu bekämpfen und schließlich zu besiegen. Und im Übrigen gehört es zu meiner Erfahrung, dass ich am Ende des zweiten Weltkriegs ein ganzes Jahr ohne Schule leben musste und trotzdem danach einen Beruf ergreifen konnte. Meine Generation konnte trotzdem bestehen. Von einer verlorenen Generation darf man deswegen gegenwärtig auf keinen Fall sprechen.

Die Pandemie beherrscht uns jetzt ein Jahr. Es gelang der Menschheit in kurzer Zeit einen Impfstoff zu entwickeln, allerdings wird die Impfstrategie und die Beschaffung des Impfstoffes heftig kritisiert. Sollten wir dem Ganzen nicht mehr Demut entgegenbringen?

Bernhard Vogel: Da ich nicht mehr in die Verantwortung eingebunden bin, kann ich mir kein abschließendes Urteil hinsichtlich der Beschaffung von Impfstoffen erlauben. Aber es gilt auch hier, dass Solidarität mit anderen europäischen Ländern und anderen Ländern der Welt selbstverständlich sein sollte. Das heißt, dass wir nicht alle Impfstoffe egoistisch aufkaufen, sondern auch ein wenig an die Weltgemeinschaft denken sollten. 

In dieser kurzen Zeit einen Impfstoff herzustellen gab es bisher ja noch nie. 

Bernhard Vogel: Das ist völlig ungewöhnlich und ich hoffe, dass trotzdem so sorgfältig wie in der Vergangenheit auf die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen des Impfstoffes gegen Corona geachtet wird.

Die Verantwortung, die die Politik momentan trägt ist immens. Es ist unfassbar schwer Entscheidungen zu Schul- und Kitaschließungen zu treffen und auch die ganze Wirtschaft herunter zu fahren. Können Sie mit den Verantwortlichen mitfühlen unter welche Belastung sie derzeit stehen?

Bernhard Vogel: Die Verantwortlichen tragen im Augenblick eine ungewöhnliche Last auf ihren Schultern. Sie können zwar Fachleute zurate ziehen, die sind aber nicht immer einer Meinung und gelegentlich ändern sie ihre Meinung auch wieder. Die Wissenschaft muss forschen, aber die Politik muss entscheiden und diese Entscheidungen sind gegenwärtig besonders schwer.

Liege ich richtig, dass Sie durch die Konrad-Adenauer-Stiftung in der politischen Bildung an sich auch involviert sind?

Bernhard Vogel: Ja, ich habe als junger Mensch im Heinrich Pesch-Haus, damals noch in Mannheim, mit Bildungsarbeit begonnen und habe sie über viele Jahre in der Konrad-Adenauer-Stiftung fortgesetzt. Ich bin stolz darauf, als Ehrenvorsitzender mein Wort heute noch in den Gremien der Stiftung einbringen zu können.

Vogel ist heute Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.(Foto: KAS)

Neben der Konrad-Adenauer-Stiftung gibt es unter anderem auch die Friedrich-Ebert-/ und die Heinrich-Böll-Stiftung. Vor 30 oder 40 Jahren hatte politische Bildung schon eine andere Bedeutung als heute. Haben die großen Parteien nicht auch durch eigene Versäumnisse diese extremen Ränder, wie sie jetzt z. B. durch die AfD entstanden sind, erst hervorgebracht?

Bernhard Vogel: Die politischen Stiftungen sind die erfreuliche Konsequenz auf die schlimmen Erfahrungen, die wir mit der Nazi-Diktatur gemacht haben. Ich begrüße sehr, dass die politischen Stiftungen keine Parteistiftungen, sondern parteinahe aber unabhängige Stiftungen sind. Nach dem Aufkommen von extremen Parteien, sowohl rechts wie links, spielen sie heute eine besondere Rolle.

Durch die Polarisierung in der Politik und auch die Digitalisierung zusammen mit den sozialen Netzwerken findet eine unheimliche Verrohung statt. Auch das Thema Respekt gegenüber politischen Mandatsträgern ist nicht mehr wie früher gegeben. Sehen Sie eine Möglichkeit, der Polarisierung der Gesellschaft entgegenzuwirken?

Bernhard Vogel: Zunächst spielt sich das vor allem in den sozialen Netzwerken ab, die mir nicht so vertraut sind wie der jüngeren und der ganz jungen Generation. Gerade hier muss darauf geachtet werden, dass der zurecht in Deutschland streng gepflegte Datenschutz nicht dazu führt, dass wir Diskussionen zulassen, die den Radikalismus stärken.  

Was ja aber leider passiert. Der AfD-Politiker Björn Höcke vertritt in Reden rechtsradikale Thesen und diese werden dann über soziale Netzwerke verbreitet.

Bernhard Vogel: Ja, das ist natürlich schlimm. Aber es können auch andere Botschaften verbreitet werden und dass dies tatsächlich auch geschieht scheint mir wichtiger denn je.  

Wenn es denn geschieht… Das ist natürlich ein steter Kampf.  

Bernhard Vogel: Natürlich, und es geschieht bisher ohne Frage noch zu wenig.

Wie sehen Sie die Zukunft der CDU mit dem Abdanken der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem neuen Vorsitzenden Armin Laschet?

Bernhard Vogel: Ich bin in den letzen Wochen eindeutig für die Wahl von Armin Laschet eingetreten. Er hat bewiesen, dass er Wahlen gewinnen kann und vor allem, dass er ein hohes Staatsamt, nämlich das Amt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfahlen, erfolgreich führen kann. Zudem bin ich für Armin Laschet eingetreten, weil ich von ihm erwarte, dass er sich zum Erbe der Kanzlerschaft Merkel bekennt, aber gleichzeitig für das dritte Jahrzehnt unseres Jahrhunderts neue Akzente setzt. 

Ist er für Sie somit der richtige Kanzlerkandidat? 

Bernhard Vogel: Selbstverständlich ist der Vorsitzende der CDU Deutschlands ein denkbarer Kanzlerkandidat der Union. Aber die Entscheidung müssen CDU und CSU gemeinsam treffen. Beide Vorsitzende halte ich für „kanzlerkandidatenfähig“.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage von Rheinland-Pfalz?

Bernhard Vogel: Rheinland-Pfalz muss aufpassen, dass es auch im wiedervereinigten Deutschland die Rolle spielt, die es über viele Jahre, vor allem unter Kohl und dann auch unter meiner Verantwortung, gespielt hat. Das bedeutet, es muss an die Zukunft, an den Wirtschaftsstandort, den Bildungsstandort und auch an die Infrastruktur gedacht werden. Dass gegenwärtig alle Rheinbrücken zwischen Karlsruhe und Bonn marode sind, ist kein gutes Zeichen.

Was aber ja nicht nur an der hiesigen Landesregierung liegt, sondern manchmal auch an der angrenzenden Landesregierung.

Bernhard Vogel: Angrenzende Landesregierungen haben wir schon immer gehabt (lacht). 

Damals, als Sie zurückgetreten sind, sagten Sie „Gott schütze Rheinland-Pfalz“. Gilt dies nun mehr denn je?

Bernhard Vogel: Dieser Ausruf wurde von mir ganz spontan formuliert, als das Ergebnis über die Neuwahl des Parteivorsitzenden 1988 in Koblenz bekannt gegeben wurde. Aber der Satz hat auch heute Gültigkeit.