Steckbrief: Bühnenfigur Atze Schröder

  • Geboren 1965 im Essener Stadtteil Kray
  • Die Figur Atze Schröder entstand 1995 bei Auftritten auf deutschen Kleinkunstbühnen wie im Schmidt-Theater in Hamburg.
  • Erlangte größere Bekanntheit durch Auftritte im Quatsch Comedy Club (ProSieben) sowie durch die Fernsehsendung „Alles Atze“, die von 1999 bis 2006 von RTL gesendet wurde.
  • Moderierte 2000 und von 2002 bis 2007 den Deutschen Comedypreis
  • Betreibt Podcasts „Zärtliche Cousinen“ und „Betreutes Fühlen“

Seit über 20 Jahren steht der Mann mit der herrlichen Lockenpracht und dem losen Mundwerk auf dem Olymp der Comedy. Atze Schröder ist einer der beliebtesten und erfolgreichsten Comedians Deutschlands. Und fast genau so lang fragt sich die treue Fan-Gemeinde, wie wohl die Welt hinter den Gläsern der blaugetönten Pilotenbrille aussieht. Mit seiner nun erschienenen Biografie „Blauäugig. Mein Leben als Atze Schröder“ gewährt der Comedy-Star endlich ausführliche Einblicke in seinen ungewöhnlichen Werdegang. Dabei dreht sich bei weitem nicht alles „nur“ um die Bühnenfigur Atze Schröder, sondern vieles auch um den Menschen Atze Schröder.

Atze Schröder ist eine Bühnenfigur. Aber deinen bürgerlichen Namen konnte ich nirgends finden. Sollen wir dann einfach bei Atze bleiben?

Atze Schröder: Ja, klar. Atze war schon immer mein Spitzname. Schon meine Oma hat mich so genannt.

In dieser Woche erscheint deine Biografie. Wie ist denn die Idee entstanden, eine Biografie zu schreiben?

Atze Schröder: Der Impuls dazu kam durch die Sendung bei Markus Lanz, als ich die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi im Namen meines Vaters um Verzeihung gebeten hatte. In den Tagen danach erhielt ich von den Zuschauern sehr viele Mails und Kommentare. Auch bei mir hat diese Situation enorm viel ausgelöst und mich zum Reflektieren gebracht. Mir wurde klar, dass dieser Tag einer der wichtigsten Tage in meinem Leben war, wenn nicht sogar der wichtigste nach meiner Geburt. So kam ich auf die Idee zu beschreiben, wie es dazu kam. 

Du beschreibst diese Szene bereits im Prolog und ich muss gestehen, ich war überrascht – hätte ich von dir doch etwas Lustiges erwartet. Aber mit diesem gelungenen Einstieg war ich sofort emotional eingenommen.

Atze Schröder: Ja, da hat sich bei mir eine Menge gelöst, was sich über Jahrzehnte angestaut hatte. Das, was ich in der Sendung bei Lanz gemacht habe, war ja überhaupt nicht geplant. Es ist einfach so passiert. Wenn ich mir die Szene heute ansehe, staune ich selbst immer noch.

Man kennt dich ansonsten als einen, der immer gut gelaunt ist, der macht, was er will, eben eher als einen Hallodri. Das ist das Bild, das man so von dir hat. Wenn man sich aber näher mit dir beschäftigt und nun auch dein Buch liest, dann erkennt man, dass du auch noch viele andere Eigenschaften hast. Diese anderen Facetten kommen nun in deinem Buch zur Sprache. 

Atze Schröder: Wenn ich in Talkshows war, wie zum Beispiel im Kölner Treff oder in den NDR-Talkshow, war ich eigentlich immer so wie in dem Buch und habe auch immer meine private Meinung vertreten. Auf der Bühne dagegen habe ich ein komprimiertes Programm abgeliefert. Denn die Leute haben Eintritt bezahlt und dann fühle ich mich verpflichtet, zwei Stunden zu liefern. Aber wenn man die Podcasts verfolgt, wie ich sie zum Beispiel mit Leon Windscheid in der Sendung „Betreutes Fühlen“ mache, da erzähle ich eigentlich nur private Meinungen. 

War es schwer für dich, diese private Seite auch im Buch zu offenbaren?

Atze Schröder: Ein bisschen Mut brauchte ich schon. Denn ich hatte das Interesse der Leute all die Jahre nicht richtig eingeschätzt. Erst durch das enorme Echo nach der Lanz-Sendung und auch jetzt durch das Echo auf den Podcast merkte ich, dass vielen auch meine private Seite gefällt. Ich war erstaunt, dass es doch viele interessiert, was das Zirkuspferd denkt, wenn es nach Hause fährt. 

Wie schafft man es eigentlich, über so viele Jahre diese lustige Bühnenfigur nach außen zu präsentieren und dabei die Privatperson geheim zu halten?

Atze Schröder: Ach, so schwer war das gar nicht. Ich nehme meinen Beruf als Komiker sehr ernst (lacht). Ich fühle eine Verpflichtung als Dienstleister, die Erwartungen zu erfüllen und den Leuten einen schönen Abend zu bereiten. Comedy ist ja auch so ein Pärchenthema, ähnlich wie Musical. Das Publikum hat für so einen Abend bezahlt und da möchte ich ihm nicht mit meinen privaten Sachen auf den Keks gehen. So würde es auch jedem Sänger gehen. 

Das heißt, neben der Rolle Atze Schröder gab es immer auch den Privatmann?

Atze Schröder: Ja, immer schon. Da habe ich auch keinen Hehl draus gemacht. Da gibt es auf der einen Seite zum Beispiel den Serien-Atze mit dem Kiosk, wo ich nur geschauspielert habe und mein Programm auf der Bühne. Aber in den Talkshows war ich immer ganz normal, auch wenn ich immer mein typisches Atze-Outfit an hatte.

Was war der Grund dafür? Wolltest du in Ruhe zum Bäcker gehen können, ohne gleich überrannt zu werden?

Atze Schröder: Ach, es war einfach bequem so.

In deinem Buch beschreibst du auch, dass es viele Hochs und Tiefs in deinem Leben gab. Du musstest viel einstecken, aber du bist aus allen Tiefs auch wieder rausgekommen. 

Atze Schröder: Ja und deshalb passt der Titel auch so gut. Eines ist mir durch das Buch auch klar geworden: Ich kann ganz vieles nicht. Ich habe nur wenige Talente. Aber ein großes Talent habe ich, und das ist das Talent zum Glücklichsein. Das ist mir wirklich gegeben. Ich stehe morgens auf und freue mich auf den Tag.

In manchen Situationen ist es bestimmt ganz gut, wenn man mit einer gewissen Blauäugigkeit die Dinge einfach auf sich zukommen lassen kann.

Atze Schröder: Ja, ich treffe einfach viele Bauchentscheidungen und weniger Kopfentscheidungen. Anscheinend geht es so auch. 

Das heißt, du bist ein optimistischer Mensch?

Atze Schröder: Ganz und gar!

Das Glas ist immer halb voll und nicht halb leer.

Atze Schröder: Genau. Das ganze Lebensglas ist bei mir noch halb voll. (beide lachen)

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du früher mal schüchtern gewesen sein sollst.

Atze Schröder: Ja doch, total. Ich hätte früher nie alleine in ein Café oder in eine Kneipe gehen können. Ich bin dann aber auf diese Angst zugegangen, habe sie sozusagen umarmt und konnte sie überwinden. Aber jeder, der Schüchternheit kennt, weiß, dass man sie nie ganz verliert. Mittlerweile habe ich sehr viel Training und ich quatsche wirklich jeden an – sehr zum Leidwesen meiner Freundin, vor allem wenn wir zusammen im Zug fahren – aber im Kern ist das immer noch ein bisschen da. Ich komme nicht so breitbeinig und breitschultrig einfach so rein. Ich guck schon erstmal.

Gibt es etwas zu deinem Buch, was dir besonders wichtig ist?

Atze Schröder: Man lernt mich in diesem Buch von einer ganz anderen Seite kennen und alle, die es gelesen haben, waren begeistert. Ich denke, das liegt daran, dass es keine übliche Biografie geworden ist, in der man etwas über die Branche erfährt, sondern es ist ein sehr persönliches Buch. 

Definitiv und es liest sich auch ganz toll. Gerade laufen auch die beiden Podcasts „Zärtlichen Cousinen“ und „Betreutes Fühlen“. Ich habe mir heute die aktuelle Folge angehört. Auch da war ich ganz überrascht. 

Atze Schröder: Den Podcast mit Leon mache ich seit zweieinhalb Jahren und er hat sehr viele Interessierte. Allerdings sind davon zwei Drittel Frauen. 

Schade, was machen die Männer?

Atze Schröder: Die haben gewisse Berührungsängste. 

Früher warst du mal Musiker. Spielt die Musik in deinem Leben heute noch eine Rolle?

Atze Schröder: Nein, überhaupt nicht. Mit diesem Kapitel habe ich abgeschlossen. 

Gab es einen bestimmten Zeitpunkt in deinem Leben, an dem du dich entschieden hast, Komiker zu werden?  

Atze Schröder: Nein, eigentlich nicht. Das ist mir so passiert. Ich habe früher bei den Bandauftritten immer die Stücke angesagt und so kam es, dass die Veranstalter mich gefragt haben, ob ich auch bei anderen Shows oder Veranstaltungen moderieren möchte. Das habe ich gemacht und dabei gemerkt, dass ich Spaß dran habe, am Mikrofon zu stehen und zu reden. Und so wurde ich nach und nach zum Komiker. 

Also warst du nicht von Geburt an immer der Lustige.

Atze Schröder: Das nicht, aber mein Vater war ein guter Geschichtenerzähler. Diese Eigenschaft ist mir ein Stück weit in die Wiege gelegt. 

Du sagst auch, dass Deine Kindheit sehr behütet war?

Atze Schröder: Sehr liebevoll, ja. 

Es war ein langer und holpriger Weg, bis du da angekommen bist, wo du heute stehst. Welche Lehren hast du aus deinem Weg gezogen?

Atze Schröder: Leon hat mir auch diese Frage gestellt. Er ist 33 Jahre alt, sehr gefragt und mit seinem Buch seit einem Jahr in den Top 5 der Bestsellerliste. Er wollte von mir wissen, was ich ihm jetzt raten würde. Ich habe ihm gesagt: Genieße einfach, was gerade passiert! Nimm dir Zeit und lade dir nicht zu viel auf! 

Du beschreibst in deinem Buch, wie es dir in den Jahren ergangen ist. Da wolltest du nämlich auch alles mitnehmen, aber am Ende hattest du gar nichts davon. 

Atze Schröder: Ja, von vielem weiß ich heute nichts mehr, weil es einfach zu viel war. Ich war sieben Jahre lang jeden Sommer dreieinhalb Monate im Studio und habe vom Sommer nichts mitbekommen. 

Bei allem Ruhm sollte man das Leben nicht vergessen.

Atze Schröder: Ja, unbedingt. Man muss nicht immer noch einen drauf legen. 

Ich bin sehr gespannt, wie das Buch bei den Leserinnen und Lesern ankommt. Ich danke dir ganz herzlich für deine Zeit und das Gespräch.