Steckbrief: Christian Baldauf

  • Geboren 1967 in Frankenthal
  • Studium der Rechts- und Verwaltungswissenschaften in Mannheim und Heidelberg
  • Seit 1999 Partner in der Kanzlei Walter, Baldauf, Theobald Rechtsanwälte
  • Seit 2001 Mitglied des Landtags Rheinland Pfalz
  • Seit 2006 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes
  • Verheiratet, zwei Kinder

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Bund und Länder schaffen es auch nach einem Jahr nicht, manche Branchen in der Pandemie ausreichend zu unterstützen. Warum ist es dies nicht möglich?

Christian Baldauf: Wir sind der Meinung, dass die Ampelregierung hier zu wenig Unterstützung leistet. Die CDU hatte sich schon im vergangenen Jahr dafür eingesetzt, die Bundeshilfen mit eigenem Landesgeld zu ergänzen. 400 Millionen Euro wollten wir bereits im April für Solo-Selbstständige und selbstständige Mittelständler zur Verfügung stellen, finanziert aus den Rücklagen von einer Milliarde Euro. Das hat die Ampelkoalition im Landtag mehrfach abgelehnt. Eine weitere Forderung: Ein Unternehmerlohn von 1.180 Euro im Monat, der wenigstens geholfen hätte, die nötigen Grundzahlungen zu leisten – auch dies abgelehnt. Vom Bund kamen Überbrückungsgeld und Soforthilfe, vom Land jedoch fast nichts. Das Einzige, das vom Mainzer Wirtschaftsminister zugesagt wurde, waren Kredite. Ich halte das für den falschen Weg.

Ist die Coronahilfe Ländersache?

Christian Baldauf: Für die auszuführenden Programme gibt es keine Zuständigkeiten. Sie können das über Länderprogramme umsetzen – andere Bundesländer haben das getan – und Sie können Bundesprogramme auflegen. Wenn die Soforthilfe also über ein Bundesprogramm gelaufen ist und die Rückforderungen an den Bund gehen, dann ist das Land ungehindert, eigene Programme aufzulegen. Auch die Vereine wollten wir unterstützen: 15 Euro pro Mitglied, ohne Rücklagen anzugreifen. Es macht keinen Sinn, auch noch diejenigen zu bestrafen, die besonders gut gewirtschaftet haben. Mir kommt es manchmal in Rheinland-Pfalz so vor, als denke die Regierung, der Mittelstand wolle sie hintergehen. Es ist aber genau andersherum. Deshalb möchte ich hier auch eine Lanze für alle Mittelständler brechen. Schwarze Schafe gibt es überall, das rechtfertigt aber nicht ein Grund-Misstrauen gegenüber der Wirtschaft. Ich schlafe sehr schlecht, wenn ich daran denke, wie es momentan vielen Einzelhändlern, Mittelständlern und Solo-Selbstständigen geht. Auch Schaustellern, die teilweise gar keine Zukunftsperspektive mehr haben. Dafür haben wir im vergangenen Jahr mehrfach eigene Programme gefordert. Darüber hinaus sollte der Solidaritätszuschlag abgeschafft und eine Unternehmenssteuerreform vorangebracht werden, wenn die Gewinne wieder fließen. Jetzt müssen wir die schwere Zeit überbrücken, damit Betriebe überleben und die betroffenen Arbeitnehmer dann auch wieder Steuern bezahlen können – das ist ja der Effekt. Daher würde ich auch keine Steuern erhöhen wollen, sondern über Staatsgelder – und die sind ja nichts anderes als in der Vergangenheit bezahlte Steuern – dafür sorgen, dass niemand in die Insolvenz muss.

Baldauf ist seit 2001 Mitglied im Landtag Rheinland-Pfalz. (Foto: Landtag RLP/Torsten Silz)

Wie sehen Sie das derzeitige Bildungssystem?

Christian Baldauf: Wir sehen in Rheinland-Pfalz Bildungs-Chaos. Es ist ein ständiges Hin-und-Her zu Lasten der Lehrer, der Eltern und Schüler. Die Landesregierung hat die Digitalisierung der Schulen schlicht verschlafen. Schon unmittelbar nach dem ersten Lockdown hätte sie zusammen mit Schulleitern, Eltern und Schülern ein Programm für die zweite Welle entwickeln müssen.
Das hätte auch bedeutet, alle Lehrer und Schüler mit einem Laptop auszustatten. Wenn die SPD-Regierung jetzt erklärt, dass alle Schulen mit WLAN ausgerüstet werden sollen, alle Lehrer und Schüler Laptops und Tablets erhalten werden, dann frage ich mich: Warum hat sie das nicht schon längst getan? Wir haben auch schon lange IT-Fachleute für die Schulen gefordert für die Wartung der Geräte und den Support. Denn es nutzt nichts, wenn ich die erforderlichen Geräte und die Software habe, diese aber nicht funktionieren. Wir müssen verhindern, dass Kinder abgehängt werden. Eine Schülerin aus Mainz hat mir berichtet, dass sie im Januar lediglich drei Stunden zu jeweils 30 Minuten Unterricht hatte, und in Ludwigshafen gab es in der Notbetreuung eine Klasse mit 20 Schülern, von denen neun gar kein Deutsch sprachen, und manche noch nicht einmal richtig den Stift halten konnten. Ein Drittel der Kinder in Rheinland-Pfalz kann nach der vierten Klasse nicht richtig lesen und schreiben und es sind sogar über 40 Prozent, die nicht richtig rechnen können. Also genau diese Grundvoraussetzungen fehlen. Die CDU fordert deshalb: Konzentration auf die Kernaufgaben in der Grundschule: Lesen, Schreiben, Rechnen. Keine Experimente, wie Schreiben nach Gehör. Wir sprechen uns für Deutschtests und Startergruppen in der Kita aus. Auch wollen wir eine Wochenstunde mehr Deutsch in der Grundschule. Die Handwerkskammer warnt, dass der Fachkräftemangel ein zunehmendes Problem wird. Die Grundvoraussetzungen für eine gute Ausbildung seien bei vielen Schülerinnen und Schülern nicht gegeben. 

Ist das nicht auch Bundessache?

Christian Baldauf: Bildungspolitik ist reine Ländersache. Und obwohl der Bund einen Großteil der Laptops finanziert, rühmt sich das Land damit, die Lehrer auszustatten. Die Landesregierung hat das schlichtweg verschlafen. 

In welchem Bereich im Land sehen Sie die größten Defizite?

Christian Baldauf: Elf von 20 der am höchsten verschuldeten Kommunen Deutschlands liegen in Rheinland-Pfalz. Es gibt einen Beförderungsskandal, der dazu geführt hat, dass die Umweltministerin zurückgetreten ist. Die Dreyer-Regierung ist Dauergast bei Gericht, verliert fast jeden Prozess. Wir sehen Defizite in der Gesundheitspolitik. Die Zeitspanne, in welcher der Notarzt beim Verletzten sein muss, ist zu hoch. Unser Ziel ist es, dass künftig niemand länger als zehn Minuten auf den Rettungsdienst warten muss. Die Gesundheitsämter müssen weiter gestärkt werden – wir brauchen zudem ein Landesgesundheitsamt. Oder nehmen sie das Thema Funklöcher: Sie können in jeder Tiroler Klamm besser telefonieren als in vielen Bereichen von Rheinland-Pfalz. 

Corona hat ja alle anderen Themen überladen. Daher eine vielleicht etwas provokante Frage: „Fridays for Future“ oder Hokus Pokus?

Christian Baldauf: Ich selbst habe an Aktionen von „Fridays for Future“ in meiner Heimatstadt teilgenommen. Ich bin zum Müllsammeln gegangen und habe mit vielen Menschen diskutiert, kommuniziert. Es ist wichtig, dass junge Leute den Finger in die Wunde legen, um den Fokus auf die selbstverursachten Klimaveränderungen und deren Vermeidung zu legen. Wir haben neben der Corona- nach wie vor auch die Klimakrise. Allerdings bin ich der Meinung, in der Umweltpolitik mit Anreizen und nicht mit Verboten zu arbeiten. Die CDU sieht keinen Gegensatz in Ökologie und Ökonomie; sie denkt beides zusammen. Deshalb wollen wir eine Stabsstelle für Bio-Ökonomie in der Staatskanzlei schaffen. Dem Wald geht es nicht gut. Wir haben über 42 Prozent Waldfläche in Rheinland-Pfalz. Mehr als 80 Prozent der Bäume sind geschädigt. Der Wald ist nach den Mooren einer der größten „CO2-Killer“ und damit ein extrem wichtiger Faktor für den Klimaschutz. Wir haben daher vier Millionen Bäume für vier Millionen Pfälzer gefordert. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung und es geht um zukünftige Generationen, das ist ein ureigenes CDU-Thema! Den Vorschlag der Grünen, die wegen Borkenkäferbefalls bereits gerodeten Flächen als Areal für Windkraftanlagen zu nutzen, unterstützen wir nicht. Wir möchten wiederaufforsten, denn der Wald ist das Herz und die Seele des Klimaschutzes.

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Von der Flüchtlingskrise über das Erscheinen der AfD bis hin zur Verrohung der Sprache, gefördert durch Hate-Speeches und Shitstorms in den sozialen Netzwerken. Wie hat sich die politische Kultur verändert?

Christian Baldauf: Hate-Speech und die Verrohung der politischen Debatten haben zugenommen. Da muss die Politik mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. In der Debatte kann man gerne hart in der Sache sein, muss aber auch dem politischen Gegner seinen Respekt zeigen. Wir müssen jungen Menschen in der Schule das Rüstzeug dafür geben, sich gegen Angriffe zu wehren und differenzieren zu lernen, was richtig und was falsch ist.

Haben wir mittlerweile ein massives Bildungsproblem?

Christian Baldauf: Gerade Corona wirkt da wie ein Brennglas. Wir müssen unbedingt verhindern, dass Kinder abgehängt werden und Bildung zur sozialen Frage wird. Unser Ansatz ist deshalb: Deutsch fördern und einen modernen, digitalen Unterricht ermöglichen. Mehr Lehrer, mehr Laptops, mehr Bildungsqualität. Wir sind überzeugt: Bildungsfragen werden diese Landtagswahl entscheiden. 

Noch ein kleiner Ausblick ins Jahr 2040. Wo steht Rheinland-Pfalz?

Christian Baldauf: Wenn wir die Regierung stellen, werden wir die Digitalisierung zur Chefsache machen und die sogenannte Gigabit-Gesellschaft Realität werden lassen. Wir werden die Funklöcher schließen und das schnelle Internet ausbauen. Wir sorgen dafür, dass Straßen und Wege in Ordnung sind, dass die Gesundheitsversorgung in der Fläche gesichert ist, dass unsere Grundschulen wieder die besten Schulen Deutschlands sind und wir mit Zentralabschlüssen wieder ein Aushängeschild werden. Wir werden Hochschulen und Gründer stärken. Dass wir mit diesem Anliegen auf dem richtigen Weg sind, zeigt uns die FDP, die unsere Idee eines Gründerstipendiums kopiert hat. Da fragt man sich, warum sie dies nicht längst schon umgesetzt hat.