Wann können wir wieder solche Szenen wie hier in Heuchelheim in unserer Region erleben? (Foto: Ralf Ziegler / Bilderarchiv Südliche Weinstrasse e.V.)

Werden wir in diesem Jahr noch ein Weinfest feiern können? Diese Frage treibt wahrscheinlich viele Südpfälzer um. Gemeinsam feiern, Wein trinken, gut essen, Live-Musik hören. Das fehlt besonders hier bei uns, wo wir doch genau dafür bekannt sind: Geselligkeit und Offenheit. Aber in dieser Krise geht es natürlich auch um ernstere Themen, wie zum Beispiel das Verhältnis zu unseren Nachbarn im Elsass oder auch ganz allgemein um die Frage, was wir aus der Coronakrise lernen können.

Unter anderem darüber hat das PFALZ-ECHO mit vier Bundestagsbgeordneten aus unserem Wahlkreis gesprochen: Dr. Thomas Gebhart (CDU), Thomas Hitschler (SPD), Dr. Tobias Lindner (Die Günen) und Mario Brandenburg (FDP).

Persönliches Resümee

Wir alle haben uns auf unterschiedliche Weise mit der Krise auseinandersetzen müssen – und dabei vieles in unserem Alltag verändert. Auch die Bundestagsabgeordneten haben in den letzten Monaten einige Veränderungen miterlebt – und ziehen daraus ganz unterschiedliche Schlüsse.

Gebhart: Die Krise hat uns vor Augen geführt, wie verwundbar wir sind und uns so dazu gezwungen, uns auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Immer höher, immer weiter, immer schneller – das ist eben bei Weitem nicht alles! Ich glaube und hoffe, dass diese Erfahrung uns auch längerfristig prägen wird.
Lindner: Ich habe selten so viel Zeit mit meiner Familie verbracht! Das ist etwas sehr Positives – und deswegen hoffe ich, dass wir nicht zu der Arbeitskultur zurückkehren, die wir vor der Coronakrise hatten.

Hitschler: Ich freue mich unglaublich darauf, wenn ich wieder in direkten Kontakt mit den Menschen treten kann! Denn das ist der Grund, warum ich meinen Beruf gewählt habe: Der persönliche Austausch mit den Menschen. Videokonferenzen oder Telefongespräche sind für mich kein dauerhafter Ersatz. Das Zwischenmenschliche leidet dabei einfach zu sehr.

Brandenburg: Auf der einen Seite haben sich die Themenschwerpunkte der Menschen die auf mich zukommen, massiv geändert. Vor der Krise ging es hauptsächlich um digitale Themen: schnelles Internet, künstliche Intelligenz, mehr Fortschritt! Heute beschäftigen sich die Menschen eher mit existentiellen Fragen. Auf der anderen Seite hat sich mein Privatleben auch verbessert, ich war viel mehr für meine Kinder da in den letzten Wochen. Das ist eigentlich schizophren. Dass es eine Krise braucht, um das zu ermöglichen, dass Licht und Schatten so nah beieinander liegen.

Kontroverse Diskussionen

Mehr Lockerungen wagen oder besser vorsichtig sein? Die Gesellschaft spaltet sich in dieser Frage.

Lindner: Bei den Maßnahmen der ersten Wochen bin auch ich als Oppositionspolitiker an vielen Stellen zufrieden mit unserer Regierung! (…) Was meiner Meinung nach allerdings falsch lief, war die Kommunikation nach außen. Die Menschen brauchen klare Perspektiven. Das Verständnis für wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich immer wieder verändern, hätte den Menschen besser vermittelt werden müssen!

Hitschler: Ich würde nicht von einer Spaltung der Gesellschaft sprechen. Es ist gut, dass Regelungen hinterfragt und diskutiert werden – so funktioniert Demokratie! Es ist die Aufgabe von uns Politikern, sich um die Probleme zu kümmern, die in diesen Diskussionen immer wieder auftauchen.

Gebhart: Wir konnten nicht abwarten, wir mussten rasch Entscheidungen treffen – sicherlich wird man im Nachhinein feststellen, dass manches zu früh, anderes erst zu spät geregelt wurde.

Leidet die grenzüberschreitende Zusammenarbeit?

Grenzkontrollen innerhalb der EU, jeder Staat ist für sich selbst verantwortlich – internationale Bündnisse und die Globalisierung haben durch die Pandemie ihre Schwächen gezeigt. Daraus muss man lernen, meinen die Bundestagsabgeordneten.

Hitschler: Ich hätte mir noch vor ein paar Monaten niemals vorstellen können, dass wir jemals wieder eine geschlossene Grenze nach Frankreich haben. Ich bin in einem Alter, wo ich das vorher nie bewusst erlebt habe. Ich finde den Anblick deswegen auch richtig schlimm! Wir werden bei diesem Thema nacharbeiten und aktiv dafür sorgen müssen, dass das Verhältnis zu den anderen Ländern in der EU positiv bleibt. Es macht mich wütend, wenn ich Nachrichten darüber lese, dass es Anfeindungen zwischen Deutschen und Franzosen hier in der Grenzregion gibt.

Gebhart: Ich stand in engem Kontakt mit meinem Kollegen aus dem Elsass. Aber es ist uns auf beiden Seiten trotzdem deutlich geworden, dass wir in der Zukunft eine bessere Kommunikation und Abstimmung zwischen den Ländern brauchen!

Lindner: Ich fand zwei Dinge erschütternd: Zum einen hat mich die gesundheitliche Lage im Elsass sehr betroffen gemacht. Das hat uns in der Südpfalz sehr nah vor Augen geführt, wie heftig die Pandemie ist (…). Vor diesem Hintergrund habe auch auch Verständnis für die Grenzkontrollen – aber nur für einen begrenzten Zeitraum! Zum anderen gab es aber keinen EU-weiten Ansatz. Deutschland hat die Grenzen dicht gemacht und die Franzosen haben davon – überspitzt formuliert – aus der Zeitung erfahren.

Brandenburg: Tourismus ist extrem relevant. Während in Deutschland die nationalen Reiseziele wieder gebucht werden und extrem viel Geld in die Hand genommen wird, um die Wirtschaft an allen möglichen Stellen zu unterstützen, kann das Griechenland zum Beispiel nicht leisten. Das Land ist auf Touristen unbedingt angewiesen! Ich habe vor wenigen Tagen bewusst einen Sommerurlaub im Süden gebucht, alleine schon um zu signalisieren, dass wir die Wirtschaft dort unterstützen möchten!

Wie sollte die Konjunktur unterstützt werden?

Das zweite so genannte Konjunkturpaket seit Beginn der Coronakrise soll in den kommenden Tagen beschlossen werden. Sicher ist: Es wird extrem viel Geld in die Hand genommen. Wohin jedoch dieses Geld konkret fließt und unter welchen Bedingungen, darüber wird heftig diskutiert.

Lindner: Die Gefahr von Konjunkturmaßnahmen ist immer, dass man weniger danach fragt, ob etwas sinnvoll und nachhaltig ist, als danach, ob es schnell umsetzbar ist. Wir dürfen mit einem Wiederaufbauprogramm nicht die alten Strukturen zementieren, die wir in ein paar Jahren eh hätten transformieren müssen!

Hitschler: Ich habe keine Lust, für die Subvention einer Luxus-E-Klasse im Bundestag zu stimmen. Eine Unterstützung muss an Bedingungen geknüpft werden, wie beispielsweise zukunftsweisende Technologien.

Brandenburg: Wir investieren Geld aus der Zukunft in die Gegenwart. Unsere Kinder werden das ausbaden müssen. Wenn wir investieren, dann in etwas, was uns nachhaltig voranbringt. Eine Kaufprämie für Automobile ist wiederum das Elite-Beispiel für falsch investiertes Geld. Sie stärkt ein System, das vor der Krise schon längst die Innovationsführerschaft verloren hatte. So klappt es eben nicht, sich für die Zukunft aufzustellen! Wer jetzt nochmal an die Töpfe möchte, sollte Bedingungen erfüllen: Klimaschutz oder Digitalisierung.

Mehr Nachhaltigkeit und Wertschätzung? Was bleibt nach der Krise?

Dass die Pandemie auch eine Chance sein kann, zeichnet sich in manchen Bereichen bereits ab. Wie kann es weitergehen?

Hitschler: Wie wird die Welt nach Corona sein? Das ist eine extrem spannende Frage, aber sie ist noch schwer zu beantworten. In Deutschland öffnen die ersten Schwimmbäder und Fitnessstudios wieder – an so etwas verschwendet in Spanien oder auch New York gerade noch niemand einen Gedanken. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Aber trotzdem wird mit Sicherheit viel über die Fragen debattiert werden: Wie sieht Globalisierung in Zukunft aus? Wie geht es mit Europa weiter?

Gebhart: Ich bin davon überzeugt, dass das Gesundheitssystem einen neuen Stellenwert bekommen wird, weil sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die politischen Entscheidungsträger jetzt die Erfahrung gemacht haben, wie elementar wichtig es ist, ein gut funktionierendes Gesundheitssystem zu haben.

Feiern wir in diesem Jahr noch Weinfeste?

Brandenburg: Ich hoffe sehr, dass wir in diesem Jahr noch ein Weinfest besuchen können. Ich glaube vor allem auch, dass es wichtig für uns Pfälzer ist, dass wir das ermöglichen! Und ich bin mir auch sicher, dass es immer mehr kreative Ideen geben wird, wie man Feste umsetzen kann, ohne ein Infektionsrisiko einzugehen. Wir Pfälzer leben in einer so schönen Region mit so genialen Menschen, dass ich da sehr optimistisch bin. Mit dem richtigen Konzept dauert es vielleicht gar nicht mehr allzu lange.

Gebhart: Im Moment sehe ich es als wichtigere Aufgabe an, Schulen und Kindergärten weiter zu öffnen. Hier ist der Handlungsbedarf meines Erachtens besonders groß! Das merke ich auch an den vielen Zuschriften und Anfragen von Bürger/innen. Es ist natürlich Aufgabe der Landesregierung, das in die Wege zu leiten, aber meine Empfehlung ist es, dass Erzieher/innen und Lehrer/innen ermöglicht wird, auch ohne Symptome getestet zu werden.

Lindner: Mehr Alkohol führt nicht unbedingt dazu, dass Schutzmaßnahmen stärker beachtet werden. Diese Gefahr besteht auf einem Weinfest natürlich auch! Aber wenn eine Gemeinde oder ein Verein ein gut durchdachtes Konzept vorlegt, dann sollte das auch offen diskutiert werden. Natürlich muss man zusätzlich noch die Gesamtlage betrachten – wie sind die aktuellen Infektionszahlen usw. – und auf dieser Basis die Entscheidung für oder gegen ein Weinfest treffen. Ich persönlich würde allen Organisatoren empfehlen, jetzt mit Planungen für Hygienekonzepte anzufangen und sich mit den Behörden abzusprechen!

Hitschler: Beim Thema Weinfeste bin ich noch sehr vorsichtig. Man sollte auf keinen Fall etwas überstürzen. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre eine heftige zweite Welle, die uns dazu zwingt, noch einmal alles herunterzufahren. Deswegen wage ich jetzt noch keine Prognose und vertraue auf die Entscheidungen der Landesregierung – wenn diese grünes Licht für Weinfeste gibt, dann bin ich auch dabei!

Positive Gedanken

Gebhart: Wie sich die Forschung seit Beginn der Krise international vernetzt, ist bemerkenswert! Und das hilft uns auch für die Zukunft kolossal, zum Beispiel im Hinblick auf die Entwicklung eines Impfstoffs. Denn dieser soll ja weltweit allen Menschen zur Verfügung stehen!

Lindner: Mir ist aber auch etwas sehr positiv hängen geblieben: Dass Patienten aus dem Elsass in der Südpfalz behandelt wurden, dass man sich da gegenseitig unterstützt hat, ist ein sehr gutes Signal! Es hätte nur noch ein bisschen früher kommen können.

Hitschler: Das deutsche Gesundheitssystem hat seine Stärke bewiesen. Die Krankenhäuser waren gut aufgestellt – mit am besten weltweit! (red)