Steckbrief: Kati Wilhelm

Geboren am 2. August 1976 in Thüringen
1983 Erste Erfahrungen im Skilanglauf
1998 Teilnahme an den Olympischen Winterspielen im japanischen Nagano
1999 Wechsel zum Biathlon
2002 Zweifaches Olympia-Gold in Salt Lake City für Staffel und Sprintrennen
Im Laufe der Karriere erhält Kati Wilhelm insgesamt dreimal Gold bei den Olympischen Spielen und ist fünffache Weltmeisterin im Biathlon
2010 Ende der sportlichen Karriere
Seit 2014 Eigenes Restaurant „Heimatlon“ in Thüringen


Nach Ihrem Karriereende haben Sie gesagt, dass Sie erst Ihr Studium beenden möchten, um sich künftig so zu orientieren, dass Sie im Beruf genauso viel Spaß haben wie bei der Medaillenjagd. Hat das geklappt?

Kati Wilhelm: (lacht) Hab‘ ich das wirklich so gesagt? Ich habe mein Studium – Internationales Management – beendet, das hat geklappt. Ich bin zwar berufstechnisch nicht in der Richtung gelandet, aber mit dem Studium habe ich eine sehr gute Basis geschaffen. Ich wusste ja auch nicht, was ich mal machen werde. Jetzt bin ich aber gut beschäftigt mit diversen Vorträgen, Terminen wie diesem hier in Maikammer zur Eröffnung des Weinfests und meinem Lokal Heimatlon zu Hause in Thüringen. Ich kann mich nicht beklagen, dass ich Langeweile hätte. Im Winter sieht man mich ja auch immer als Expertin im Fernsehen. Ich habe ein schönes, abwechslungsreiches Programm.

In diesem Jahr müsste es zehn Jahre zurückliegen, dass Sie Ihre Biathlet-Karriere beendet haben. Als Sie noch aktiv waren, haben Sie oft monatelang trainiert, bei jedem Wetter und jeden Temperaturen. Wie kann man sich dazu motivieren?

Kati Wilhelm: Man muss immer im Hinterkopf haben, für was man das macht. Man braucht ein Ziel. Und damit meine ich nicht nur das ganz große Ziel, dass man eine Medaille gewinnen will. Denn wenn man schon viele Jahre an der Weltspitze ist und zahlreiche Medaillen besitzt, reicht das einem als Ziel nicht aus. Man braucht Tagesziele, um sich zu motivieren. Man fragt sich z. B., an was man an dem Trainingstag arbeiten und was man verbessern möchte. Und dann kann man sich eben auch überwinden, bei schlechtem Wetter rauszugehen. Das funktioniert, weil man sich darauf freut, einen Fortschritt zu erkennen. Es ist wichtig, dass man immer einen Plan hat und etwas erreichen will.

Redakteurin Patrizia Bär mit der sympathischen Sportlerin Kati Wilhelm. (Foto: stm)

Wie oft in der Woche haben Sie trainiert?

Kati Wilhelm: Ich habe zweimal am Tag trainiert. Im Trainingslager hatten wir einen Rhythmus von drei Tagen Training und einem Tag Pause und in einer normalen Woche zu Hause, am Stützpunkt, trainierten wir Montag bis Samstag, Sonntag selbstständig, Mittwochnachmittag hatten wir frei.

Mussten Sie in dieser Zeit auf vieles andere verzichten?

Kati Wilhelm: Bestimmt, aber mir war das nicht so bewusst bzw. wichtig. Ich wusste, dass ich das machen muss und will, um erfolgreich zu sein. Das war einfach ein Abschnitt in meinem Leben, in dem ich sicherlich auch viel untergeordnet habe, aber ich möchte nicht sagen, dass ich asketisch gelebt habe. Für mich war es immer wichtig, dass ich auch Spaß habe am Sport und das Leben neben dem Sport auch dazugehört. Ich war sicherlich nie eine Partygängerin, aber das war halt so. Aber ich habe mich nicht irgendwelchen Diäten unterzogen oder auf Genuss verzichtet. Ich brauche das einfach – man muss ja auch sein Gemüt zufriedenstellen und nicht nur immer seinen Körper.

Laura Dahlmeier hat vor Kurzem mit nur 25 Jahren ihre Karriere beendet. Jetzt werden wieder Stimmen laut, dass Biathleten einfach zu schnell zu viele Medaillen gewinnen und dann zu schnell gesättigt sind. Wie sehen Sie das?

Kati Wilhelm: Dass viele zu schnell gesättigt sind, das glaube ich, ja. Laura kann natürlich nichts dafür, dass sie schon so früh so gut war. Aber das ist eben das Problem in einem Leistungssport, wenn man relativ schnell alles erreicht hat. Man braucht Ziele, um motiviert zu bleiben, sich weiterhin zu quälen. Und wenn man nicht mehr für den Leistungssport brennt, lohnt es sich auch nicht mehr, weiterzumachen. Dann wird es nur noch zu einer Qual und man überlegt sich, mit seiner Zeit doch etwas anderes zu machen. Ich denke, dass Laura ein Mensch ist, der auch noch andere Interessen hat. Das Klettern, die Natur und die Berge sind ihr, glaube ich, wichtiger als der Biathlon-Sport. Und das ist auch nicht verwerflich. Es ist auch einfach schwierig, wenn man auf dem Level ist, auf dem sie eben mit 25 Jahren schon war mit zig Olympiasiegen und Rekordmeister-Titeln bei Weltmeisterschaften – an diesen Leistungen wird man dann immer gemessen. Das wird auch ein großes Problem für sie sein. Es war natürlich eine grandiose WM damals in Hoch-Vilsen für Laura – das zu wiederholen, ist schwierig. Und bei der Presse glaubt einem keiner, dass man auch mal mit einem zweiten oder vierten Platz zufrieden ist. Man muss sich ständig rechtfertigen – das ist auch nicht leicht. Und da hat man relativ schnell keine Lust mehr drauf.

Wie war das bei Ihnen?

Kati Wilhelm: In meiner aktiven Zeit waren wir mannschaftlich stärker. Da gab es nicht die eine, die alle so dominiert hat. Dadurch mussten wir auch innermannschaftlich um unseren Platz kämpfen und uns bewähren. Das hat natürlich unseren Ehrgeiz enorm angespornt. Das war einfach eine andere Situation damals. Dann kam Magdalena Neuner, die unangefochten ein Niveau bestimmt hat. Und jetzt eben Laura. Wenn man immer die Beste ist, muss man sich auch nichts mehr beweisen. Wo sind dann die Ziele?

Wenn Sie heute Sport machen, stellen Sie sich dann auf die Langlauf-Skier oder gibt es auch Sommersportarten, die Sie interessieren?

Kati Wilhelm: Als Biathlethin habe ich natürlich auch im Sommer Sport gemacht, dementsprechend bin ich mit Sommersportarten groß geworden. Wir sind viel gelaufen und Rad gefahren – und das ist auch das, was ich heute noch mache, wenn ich Zeit habe. Früher sind wir auch viel Skiroller gelaufen, das mache ich heute aber weniger.

(Foto: Barmer)

Und wie ist das mit dem Schießen? Stehen Sie auf dem Jahrmarkt am Schießstand und räumen alles ab für die Kinder?

Kati Wilhelm: Ich bin letztes Jahr tatsächlich mal gefragt worden, ob ich etwas schießen kann, aber da habe ich Angst, mich zu blamieren. Man weiß ja nie, ob die Gewehre auch wirklich funktionieren – ich will natürlich niemandem etwas unterstellen (lacht). Es ist natürlich schon etwas ganz anderes als mein Kleinkaliber-Gewehr, das ich gewöhnt bin. Ich schieße eigentlich nicht mehr, nur wenn ich mal auf einem Termin bin und jemand Biathlon ausprobieren möchte. Dann stelle ich mich schon noch einmal an den Schießstand und finde es dann immer total cool, wenn die Scheiben immer noch umfallen. Oder bei Wettkämpfen. Ich war letzten Monat bei einem Mountainbike-Biathlon eingeladen. Da wurde allerdings mit einem Laser geschossen. Da bricht bei mir schon der Ehrgeiz raus und ich versuche, möglichst keinen Fehler zu machen.

Die andere Leidenschaft von Ihnen ist die Gastronomie, Sie haben vor ein paar Jahren das Heimatlon in Steinbach-Hallenberg eröffnet. Stehen Sie dort auch mal hinter dem Herd?

Kati Wilhelm: Am Herd stehe ich eigentlich nicht, mehr am Tresen oder ich bin im Service, also bei den Gästen. Und ich räume auch mit auf – ich bin dann eher hinter den Kulissen aktiv. Generell bin ich für das Büro und die Organisation zuständig. Die Küche überlasse ich lieber den richtigen Köchen.

Aber Sie haben auch ein Kochbuch geschrieben …

Kati Wilhelm: Ja, das habe ich mit meinem damaligen Koch zusammen geschrieben mit typischen Heimatlon-Rezepten.

Was ist denn Ihr Favorit auf der Speisekarte?

Kati Wilhelm: Unsere Urfladen sind etwas ganz Besonderes. Das ist eine Mischung aus Pizza und Flammkuchen mit einem herzhafteren Teig – ein bisschen in Richtung Sauerteig. Da haben wir immer saisonale Beläge. Die Urfladen haben auch immer schöne Namen, da muss ich mich auch immer kreativ beteiligen. Jetzt steht z. B. der Frühlingsbote auf der Speisekarte. Der ist mit grünem und weißem Spargel belegt, garniert mit einem Kräutersößchen. Wir haben eine offene Küche mit einem einem richtigen italienischen Holzofen – da werden die Urfladen dann gebacken.

Die roten Haare sind ja ein Markenzeichen von Ihnen – wann hatten Sie zum ersten Mal den Wunsch, Ihre Haare rot zu färben und warum? Viele Menschen nehmen eine äußerliche Veränderung ja aus einem bestimmten Grund vor …

Kati Wilhelm: Wahrscheinlich gab es auch bei mir einen Grund. Ich habe nämlich meine Haare zum ersten Mal gefärbt, als ich zum Biathlon gewechselt bin. Vorher war ich ja Langläuferin. Als ich damals zum Biathlon gewechselt bin, bin ich in eine Drogerie gegangen und habe mir rote Haarfarbe gekauft. Unbewusst hing das wahrscheinlich zusammen. Es hat dann aber auch gepasst. Ich hatte auch rote Skier und eine rote Mütze, und dann war ich das Rotkäppchen. Ich habe dann bemerkt, dass das so ein Wiedererkennungswert ist. Und wenn die Leute meinen Namen nicht kannten, wussten sie aber, dass ich die mit den roten Haaren bin. Das hat sich bei den Menschen eingeprägt.

Und es hat Ihnen gefallen und Sie haben heute noch rote Haare …

Kati Wilhelm: Ich finde, dass es gut zu mir passt. Und solange ich noch Lust dazu habe, so lange beim Friseur zu sitzen, mache ich es auch.

Ich habe noch eine Frage zu einem ganz anderen Thema: Sie sind Patin der Organspende-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Was halten Sie von der aktuellen politischen Debatte um die Widerspruchsregelung?

Kati Wilhelm: Ich finde es gut, in anderen Ländern funktioniert es doch auch. Wenn die Widerspruchsregelung bei uns kommen sollte, müssten sich die Menschen noch mehr mit dem Thema Organspende beschäftigen. Ich finde, dass man sich zu Lebzeiten mit dem Thema auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen sollte. Ansonsten würde man diese Entscheidung den Angehörigen überlassen, die in diesem Moment mit ganz anderen Sachen beschäftigt sind. Ich finde es zu viel verlangt, den Angehörigen die Überlegung und Entscheidung zu überlassen, was dem Verstorbenen recht gewesen wäre – spenden oder nicht. Deswegen sollte jeder für sich diese Entscheidung rechtzeitig treffen. Und da die Organspende-Bereitschaft in den letzten Jahren rückläufig war, empfinde ich die Widerspruchsregelungen als wichtigen Ansatz. (pdp)