Steckbrief: Stefan „Effe“ Effenberg

  • Geboren am 2. August 1968 in Hamburg-Niendorf
  • Ehemaliger deutscher Fußballspieler und späterer -trainer sowie -funktionär
  • Gewann als Mittelfeldspieler unter anderem drei deutsche Meisterschaften, 2001 die Champions League sowie den Weltpokal
  • Hatte seine erfolgreichste Zeit als Fußballer mit dem FC Bayern
  • Auszeichungen u.a.: UEFA-Fußballer des Jahres 2001, Torschütze des Monats September 1996

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Herr Effenberg, wo steht für Sie der deutsche Fußball?

Stefan Effenberg: Der deutsche Fußball steckt in einem Umbruch. Es gibt viele Dinge, die verändert werden müssen, nicht nur in der Spitze – also sprich in der Führung des DFB –, sondern auch in der Nationalmannschaft. Aber es ist ja auch eine Herausforderung, Dinge heute besser zu machen als in der Vergangenheit. 

Muss man dafür nicht auch ganz unten in der Breite anfangen?

Stefan Effenberg: Da muss es auch anfangen, ganz klar. Logischerweise im Nachwuchsbereich. Die U21 war bei der EM ja sehr erfolgreich. Alle schreien nach Stürmern, die werden natürlich auch ein Stück weit in den unteren U-Mannschaften entwickelt. 

Wo steht Ihrer Meinung nach die Bundesliga im internationalen Vergleich? Da verlor man doch auch an Boden.

Stefan Effenberg: Ich finde schon, dass uns der FC Bayern international herausragend vertritt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch Eintracht Frankfurt in der Europa League sehr gut aufgetreten ist. Wir müssen uns nicht verstecken, wir haben Top-Mannschaften, vor allen Dingen mit Bayern München, Leipzig war auch mal im Halbfinale der Champions League. Es sieht jetzt nicht so schlecht aus, wie es zum Teil dargestellt wird. 

Es gibt bei uns doch viele Nachwuchsleistungszentren. Warum schaffen es so wenige Spieler aus diesen Zentren in die Bundesliga und warum werden eher Spieler aus dem Ausland eingesetzt?

Stefan Effenberg: Meiner Meinung nach wird sich Qualität immer durchsetzen. Dann ist es bei den anderen vielleicht ein wenig mehr Qualität. Früher, vor 30 oder 40 Jahren, war es ein Stück weit anders. Da brauchte man einfach einen Ball und hat dann Fußball gespielt. Heute wird man mit den Nachwuchsleistungszentren auch schon in eine gewisse Schablone gepresst. Ich weiß nicht, ob es wirklich leistungsfördernd und sinnvoll ist, den jungen 13- oder 14-jährigen Spielern so viel Freizeit zu nehmen. Das stellt mit Sicherheit auch ein Problem dar, das nicht so einfach geändert werden kann. 

Neben den Meisterschaften gibt es ja auch noch den DFB-Pokal. Welchen Stellenwert hat der DFB-Pokal für Sie als Profi? Ist er nur ein schmückendes Beiwerk oder nimmt man ihn schon ernst?

Stefan Effenberg: Er hatte für mich immer eine extrem hohe Bedeutung. Es ist ein großer nationaler Titel, den man auf einem schwierigen, aber auch schnellen Weg gewinnen kann. Für die Vereine hat der DFB-Pokal auch finanziell eine wichtige Bedeutung. Nehmen wir beispielsweise Werder Bremen, die in der 1. Runde gegen Osnabrück verloren haben. Die Bremer hätten die Einnahmen dringend gebraucht. Es ist also nicht nur ein sportlicher Schaden, sondern auch ein finanzieller. Auch daran sieht man die Bedeutung des DFB-Pokals. 

Bei dem Pokalspiel Kaiserslautern gegen Mönchengladbach wurde die Zuschaueranzahl aufgrund der Inzidenz zum Beispiel von 20.000 auf 5.000 reduziert. Das ist schon heftig für den Verein.

Stefan Effenberg: Das ist natürlich heftig, wir waren allerdings schon mal in einer schlimmeren Phase. Wenn wir einige Monate zurückdrehen – da waren wir noch bei null Zuschauern. So ist es ja ein Schritt in die richtige Richtung. Für Kaiserslautern hatte das Spiel aber sportlich natürlich einen großen Wert. Allein schon die Möglichkeit, mal wieder gegen Borussia Mönchengladbach zu spielen. Da denkt man gern an die guten alten Zeiten!

Haben Sie gerne am Betzenberg gespielt?

Stefan Effenberg: Ja, aber es war immer unangenehm und schwierig dort. 

Die Fans sind doch sehr fanatisch in Kaiserslautern.

Stefan Effenberg: Ja, aber im positiven Sinne. Kaiserslautern war immer etwas Besonderes, weil die Spiele oft sehr eng waren und auch etwas fanatisch, aber es war niemals unfair. 

Angst hatten Sie also keine.

Stefan Effenberg: Nein, das sollte man als Spieler grundsätzlich nicht haben. 

Im Leistungssport und unserer heutigen Leistungsgesellschaft herrscht enorm viel Druck auf den Sportlern. So ist auch das Thema Depression leider nicht mehr von der Hand zu weisen. Sie äußerten sich vor einiger Zeit mal dazu, wie mit Leroy Sané umgegangen wird. 

Stefan Effenberg: Ich habe dazu klar Stellung bezogen. Über das Sportliche kann natürlich diskutiert und auch Kritik geäußert werden. Wenn das aber in den menschlichen und persönlichen Bereich geht, habe ich damit definitiv Probleme. Die Folgen sind nämlich genau die, die Sie gerade angesprochen haben. Die Öffentlichkeit sieht vor allem das große Geld, das mit dem Sport verdient wird und dann soll man funktionieren. Es wird aber oft vergessen, dass das auch nur Menschen sind. Wenn der ein oder andere das Leistungspotential aufgrund des Drucks nicht mehr abrufen kann, dann ist das nur menschlich und dafür sollte Verständnis gezeigt werden, anstatt draufzuhauen oder die Leute im persönlichen Bereich zu kritisieren.

Hat Sie das während Ihrer aktiven Karriere beeinflusst oder beschäftigt? Waren Sie auch mal an einem Punkt, an dem Sie gesagt haben: „Ich kann jetzt nicht mehr“?

Stefan Effenberg: Nein, das war ich nicht. Jeder Mensch wird in der Regel von seinen Eltern erzogen und diese Regeln gibt man dann an seine Kinder weiter. Das habe ich ja auch gemacht. Dabei darf niemals der Aspekt, dass jeder Mensch auch Schwächen hat, vergessen werden. Mit diesen Menschen muss man einfühlsam umgehen und nicht das Gegenteil machen. 

Ich denke, dass ein fünfter Platz bei den Olympischen Spielen auch viel wert ist.

Stefan Effenberg: Man muss immer beachten, mit welchen Ansprüchen man als Sportler in einen Wettbewerb hineingeht. Wird man als haushoher Favorit nur „Vierter“ oder „Fünfter“, ist das natürlich eine Enttäuschung, aber auch diese Plätze sind große Erfolge. Leider wird man immer nur daran gemessen, welche Qualität man hat. Wenn Bayern München in der Bundesliga beispielsweise auf den fünften Platz kommt, ist das natürlich nicht erfolgreich, aber es ist auch keine Katastrophe, denn es gibt wichtigere Dinge im Leben.

Fußball hat sich, was die Trainingslehre angeht, auch unheimlich verändert. Hat das noch etwas mit dem, was Sie damals als Training hatten, zu tun oder hat sich alles grundlegend geändert?

Stefan Effenberg: Nein, da gibt es schon noch Überschneidungen. Wir haben zu meiner Anfangszeit vor 30 oder 35 Jahren auch auf die Ernährung geachtet und wurden trainingstechnisch zum Spiel hingeführt. Im Detail hat sich vielleicht schon etwas verändert, aber jetzt auch nicht so viel. Es stehen immer noch zwei Tore auf dem Platz und ein Ball kommt ins Spiel. Es gab Veränderungen, aber nicht so, dass es ein komplett anderer Sport geworden ist. 

Ich habe das Gefühl, dass früher zeitlich mehr trainiert wurde.

Stefan Effenberg: Nein, das glaube ich nicht. Vom Umfang her ist das ziemlich ähnlich. Es kommt immer darauf an, ob man viele englische Wochen hat – Bayern München hat mit Borussia Dortmund die meisten. Aber früher wurde nicht mehr trainiert. Ich glaube, dass es heute keine Waldläufe mehr gibt, die wir damals noch gemacht haben. Das wird heutzutage ein bisschen anders gesteuert, was nicht bedeutet, dass es früher schlechter war bzw. dass heute alles besser ist.

Gab es einen Trainer, der Sie nachhaltig geprägt hat?

Stefan Effenberg: Mich haben immer die Trainer geprägt, die im menschlichen Bereich sehr gut waren – das waren zum Beispiel Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld oder auch Bernd Krauss. Sie waren menschlich und haben uns zugehört. Oft ist es besser, nicht zu viel zu reden, sondern zuzuhören und dann eben auch darauf Einfluss zu nehmen. Es geht ja auch nicht nur um den Sport. Man kann mit dem Trainer auch mal über private Dinge reden. Dadurch bekommt man einen relativ guten Zugang zu den Spielern, die dann auch wiederum in der Lage sind, ihre Leistung abzurufen. 

Sie waren sehr lange Profifußballer. Haben Sie nach einer derart langen aktiven Zeit körperliche Probleme?

Stefan Effenberg: Das war übrigens immer mein Ziel. Aus einer langen, intensiven Karriere verletzungsfrei und ohne Folgeschäden herauszukommen. Da gibt es ganz andere Beispiele, aber ich habe glücklicherweise keine Probleme. Mein Ziel war es auch, nach meiner Karriere mit meinen Kindern spielen zu können, egal in welcher Sportart. Das ist mir zum Glück gelungen. 

Heute sind Sie ja bei SPORT1 Experte. Waren es nicht genau diese Experten, die früher enorm genervt haben?

Stefan Effenberg: Nein, wenn es Hand und Fuß hatte, hatte ich überhaupt keine Probleme damit. Ging es in den persönlichen Bereich, dann schon. Dazu habe ich mich auch geäußert. Als Sportler muss man damit leben, dass es im sportlichen Bereich auch mal sehr kritisch wird. Damit muss man umgehen. Ein Trainer oder Vater, mit dem man darüber redet, wird vermutlich keine anderen Worte nutzen. Die Gespräche sind wahrscheinlich noch härter als die Worte, die eine guter Experte von sich gibt. 

Regelmäßig als SPORT1-Experte im Einsatz. (Foto: SPORT1/Nadine Rupp)

Sie waren Trainer und Manager. Haben Sie vor, in diesem Bereich wieder aktiv zu werden oder sind Sie ganz zufrieden, so wie es ist?  

Stefan Effenberg: Beim KFC habe ich zum Glück den richtigen Zeitpunkt zum Absprung gefunden. Damals haben sich sicherlich viele gefragt, warum. Ich glaube jetzt im Nachhinein sind alle schlauer und wissen, warum. Das sind alles Phasen im Leben, die wichtig und lehrreich sind, aber ich bin heute absolut glücklich so, wie es ist. Was in der Zukunft noch kommt, weiß man aber auch nicht, denn man entwickelt sich ja permanent weiter. 

Stillstand ist immer schlecht. Was kann ein Mensch mehr erreichen, als zu sagen, dass er glücklich ist. Das ist doch wunderbar!

Stefan Effenberg: Genau. Die Gesundheit und das Glücklichsein sind zwei der wichtigsten Dinge im Leben. 

Würden Sie zum Abschluss einen kleinen Tipp abgeben? Wer wird dieses Jahr deutscher Meister?

Stefan Effenberg: Es wird enger, aber ich würde mich klar auf den FC Bayern festlegen. Aber nicht mehr mit diesem großen Vorsprung wie in den letzten neun Jahren. 

Schlägt Ihr Herz noch für einen Ex-Verein, den Sie besonders gern verfolgen?

Stefan Effenberg: International bin ich natürlich für die deutschen Vereine. Aber ich möchte gut unterhalten werden und guten Fußball sehen. Dann ist es mir auch egal, wer das anbietet. Dortmund hatte mal eine wunderbare Phase, Eintracht Frankfurt hat mich international auch begeistert. Da fixiere ich mich nicht auf eine Mannschaft, sondern ich möchte einfach guten Fußball sehen. (eis)