Hebammen begleiten werdende Mütter, Väter und ihre Kinder bei dem wohl wichtigsten und zugleich nervenaufreibendsten Schritt in ihrem Leben: die Geburt. Sie ist eine der schönsten Grenzerfahrungen. Deswegen sollte die Erfahrung während der Schwangerschaft, der Geburt selbst und der Zeit danach von dem Gefühl geprägt sein, sicher und gut betreut zu werden.

Die gute Nachricht: In Deutschland werden wieder mehr Kinder geboren. Die schlechte Nachricht: Die Situation in der Geburtshilfe und im Wochenbett verschlechtert sich zunehmend, denn die Anzahl der Hebammen und die der Geburtstationen sinken stetig. „Ich bin mit Herz und Seele Hebamme“, sagt die Landauerin Lisa Gosert. Ein Umdenken in Politik und Gesellschaft müsste jedoch schnellstmöglich stattfinden, damit der Beruf für Schulabgänger weiterhin attraktiv bleibe.

Die Hebamme ist eine wichtige Stütze für die werdende Mutter. (Foto: Alessandra Amendess/pixabay)

Lisa Gosert arbeitet seit zehn Jahren als Hebamme. Sie hat über 500 Geburten begleitet. Nach ihrer dreijährigen Ausbildung übte sie ihren Beruf zunächst in Tansania aus, stand schwangeren Frauen bei der Geburt bei, atmete mit ihnen die Wehen erträglicher. Nach drei Jahren in einem Angestelltenverhältnis in einer Klinik in Stuttgart, hat sich die 30-Jährige 2013 selbstständig gemacht: „Der Personalschlüssel in der Selbstständigkeit ist einfach besser. In meinem früheren Angestelltenverhältnis musste ich drei oder vier Gebärende gleichzeitig betreuen und hatte kaum Gelegenheit, eine persönliche Beziehung zu Mutter, Vater und Kind aufzubauen.“ Eine Eins-zu-Eins-Betreuung während der gesamten Geburt durch die dauerhafte Anwesenheit einer Bezugshebamme ist ihre Traumvorstellung – von der man jedoch weit entfernt ist. Der ungünstige Betreuungsschlüssel zieht sich auch auf der Wochenbettstation fort. Laut einer 2015 durchgeführten Umfrage des Deutschen Hebammenverbands ist jede vierte Hebamme für mehr als zehn Mutter-Kind-Paare verantwortlich.

Auf der einen Seite werden in Deutschland wieder mehr Kinder geboren, auf der anderen Seite schließen immer mehr Geburtsstationen. Warum? Für Gosert ist die Antwort einfach: Geburten werfen für die meist auf Wirtschaftlichkeit gebürsteten Kliniken zu wenig Gewinn ab. Nicht mehr der Mensch, sondern die Zahlen stünden im Fokus des Interesses – eine traurige Entwicklung. „Die Politik muss in die Geburtshilfe investieren“, fordert die Hebamme, denn in die Geburtshilfe zu investieren bedeute, in eine gesunde Gesellschaft zu investieren.

Die Hebamme steht mit Rat und Tat zur Seite. (Foto: yanalya/Freepik)

Doch nicht nur die Forderung nach besseren Personalschlüsseln in den Kreißsälen wird lauter. Zur Verbesserung der „Hebammen-Situation“ müsse die Geburtshilfe bedarfsorientiert vergütet, die Wünsche und Bedürfnisse von Eltern stärker in zukünftige Versorgungsplanungen mit einbezogen und eine wohnortnahe Versorgung gewährleistet werden.

Gosert rät Frauen sich quasi „schon mit dem Schwangerschaftstest in der Hand“ eine Hebamme zu suchen. „Früher, als man noch in Großfamilien unter einem Dach zusammenlebte, konnte man sich Ratschläge von der Oma, der Mutter, der Schwester oder der Tante holen, heute sind Erstgebärende mit ihren Fragen und Ängsten alleine. Ich glaube nicht, dass sich viele Männer mit schmerzenden Brüsten, Kaiserschnittnarben oder Milcheinschuss auskennen – das weiß nur die Hebamme“, erklärt Lisa Gosert die Wichtigkeit ihres Berufs.

Zurzeit hat sich die 30-Jährige aus der Geburtshilfe zurückgezogen und konzentriert sich auf die Vorsorge sowie die Wochenbettbetreuung und gibt Rückbildungs- und Geburtsvorbereitungskurse. Irgendwann einmal möchte Lisa Gosert wieder Geburten begleiten. „Wenn ein Kind seine ersten Atemzüge auf der Welt macht, bin ich jedes Mal auf‘s Neue überwältigt. Das Adrenalin schießt durch meine Venen und im Kreißsaal herrscht eine fast schon heilige Stimmung. Für mich ist jede Geburt ein Wunder.“