Fritz Fischer betreibt im Chiemgau ein Biathloncamp. (Foto: Biathloncamp Fritz Fischer GmbH)

1992 in Albertville gewann der Biathlet Fritz Fischer die Goldmedaille mit der Staffel bei den Olympischen Winterspielen. Nach seiner Karriere als Profi war er viele Jahre lang Disziplintrainer der Deutschen Herren-Nationalmannschaft, sowie Nachwuchstrainer in Ruhpolding. Heute betreibt er in seiner Heimat im Chiemgau ein Biathloncamp. Dort können Laien die Sportart näher kennenlernen – und sich nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental weiterbilden, wie Fritz Fischer im Gespräch mit Markus Eisel erklärt.

Ich habe mir das Biathloncamp ein wenig genauer angeschaut…

Fritz Fischer: Ich bin immer auf der Talentsuche. Fürs Olympiateam von Pyeongchang wären noch zwei Plätze frei. (lacht)

Wie ist das denn mit dem Biathlon-Camp, da kommen Menschen wie wir und können sich ausprobieren?

Fritz Fischer: Biathlon ist eine der wenigen Sportarten, die man live erleben kann. Man kann schlecht untrainiert Skispringen oder einen Abfahrtslauf fahren. Aber man kann moderat langlaufen und sich dann hinlegen und auf die Scheiben schießen – auf die großen Zielscheiben zumindest. So kann jeder einmal das Gefühl nacherleben, wie es ist, ein Biathlonrennen zu bestreiten. So schön es ist, bei solch einem Event zuzuschauen und danach darüber zu reden – wie schwierig es wirklich ist, erfährt man nur, wenn man es selbst mal macht. Das Camp ist in meinen Augen auch ein bisschen eine „Schule des Lebens“: Hier ist es genau wie in unserem Alltag, der immer stressiger und hektischer wird. Man kommt ins Büro und muss auf seinen Job fokussiert sein. Darum ist der Biathlon ein Sport, der viel mit dem Alltag zu tun hat: Man kann hier lernen, in Stresssituationen trotzdem die Ruhe zu bewahren.

Und das ist auch für ältere Menschen geeignet?

Fritz Fischer: Ich hatte letzte Woche einen 70-Jährigen zum Training da. Er war hellauf begeistert. Ich sage immer, das Alter ist eine Zahl. Es gibt 40-Jährige, die sind nicht so fit wie manch 70-Jähriger.

Wie wird genau trainiert? Welches Material wird eingesetzt?

Fritz Fischer: Wir trainieren im Camp mit Original-Ski und Original-Waffe.

Im Biathloncamp wird unter Original-Bedingungen trainiert. (Foto: Biathloncamp Fritz Fischer GmbH)

Aber das geht dann nur im Winter oder?

Fritz Fischer: Genau, im Sommer funktioniert das mit Joggen. Man glaubt allerdings gar nicht wie wenig die Leute laufen können, wie viele Leute beim Aufstehen und Gehen stürzen, weil sie keine Koordination haben. Ich würde mir wünschen, dass die Leute sich ein bisschen mehr bewegen. Es ist erschreckend, was ich während des Trainings sehe. Ich versuche die Leute immer zu animieren, sich mehr zu bewegen, dass sie mehr auf ihre Gesundheit achten. Bei allem Spitzensport – ich hatte im ersten Drittel meines Lebens die Karriere, im zweiten Drittel war ich als Trainer tätig – heute ist es mir wichtig, die Leute mit Sport in Verbindung zu bringen. Egal ob privat oder mit Firmenevents. Ich möchte gerne der Allgemeinbevölkerung etwas auf den Weg geben, was sie auch im Alltag nutzen können.

Kann ich das Training auch durchlaufen, wenn ich noch nie auf Skier stand?

Fritz Fischer: Dann bekommt man vorab eine Hausaufgabe. Während des Zähne putzen auf einem Bein stehen und Kniebeuge machen. Dann merkt man schnell, was los ist. Das sind spielerische Übungen die man gut in den Alltag einbinden kann und die sehr effektiv gegen Rückenschmerzen sind.

Haben Sie auch noch Kontakt zu anderen Spitzensportlern Ihrer Generation?

Fritz Fischer: Ja, schon. Mit Erich Kühnhackl spiele ich Golf, auch für karitative Zwecke. Man sieht sich zwar nicht jeden Tag, aber man freut sich wenn man sich trifft. Bei einer wahren Freundschaft reicht der Kontakt auch einmal im Jahr.

Würden Sie sagen, dass sich die Generation heute von Ihrer unterscheidet?

Fritz Fischer: Früher hat man sehr instinktiv gehandelt. Heute ist das alles sehr wissenschaftlich und man hinterfragt mehr. Ich finde die Mischung macht es. Man braucht ein gutes Selbstgefühl mit der Unterstützung der neuen Medien. Alleine die Sache mit den Smartphones hat es in dieser Form vor 20 Jahren natürlich noch nicht gegeben. Man sollte es nutzen, man muss aber trotzdem auch ein Gefühl dafür haben, wie man mit diesen Sachen aktiv umgeht und sich nicht verzettelt.

Haben sich Ihrer Meinung nach auch die Trainingsmethoden verändert?

Fritz Fischer: Man muss bedenken, dass das Material von heute, auch die Schuhe, immer leichter werden – der Mensch mit Armen, Händen und Kopf ist aber immer noch gleich. Das heißt, der Wille ist nach wie vor entscheidend – bei aller Materialtechnik, bei aller Materialsteuerung und bei aller Theorie. Entscheidend ist, dass man sein Talent erkennt. Um erfolgreich zu sein braucht man Talent – egal in welchem Beruf. Das gehört einfach dazu. Und dann braucht es noch Fleiß. Der wahre Trainer ist man immer noch selbst. Heute verlässt man sich leider nicht mehr auf das, was von innen kommt, es werden immer andere um Rat gefragt. Man muss selbst wissen, was man möchte und was man spürt. Dann braucht man Trainer, die dieses Verhalten bestätigen oder Tipps geben. Die Mischung aus Praxis und Theorie ist wichtig. Ich sage immer, man muss die alten Tugenden des Menschen behalten – den Willen, den Kampf, den Kampfgeist. Und gleichzeitig muss man die moderne Technik nutzen, soweit es geht. Aber wir sind immer noch Menschen mit Gefühlen und Herz. Ein Smartphone kann ich ausschalten, meine Emotion kann ich nicht ausschalten. Und das ist mir wichtig.

Markus Eisel und Fritz Fischer. (Foto: mg)

Fiebern Sie auch heute noch bei den Athleten während eines Wettkampfs mit?

Fritz Fischer: Ja, speziell bei Franziska Preuß. Ich habe sie entdeckt über das Biathlon-Camp. Da trinkt man auch mal gemeinsam einen Kaffee oder telefoniert abends. An der Strecke selbst bekommt man gar nicht so viel mit. Wenn ich mir eine Biathlon-Übertragung anschaue, dann sehe ich auch , was die Konkurrenz macht. Ich bin kein aktiver Trainer mehr, bin aber immer noch als Talentscout unterwegs.

Mentale Stärke spielt bei dieser Sportart auch eine entscheidende Rolle.

Fritz Fischer: Wenn du das Feuer in die nicht mehr spürst, oder du selbst merkst, es geht nicht mehr, dann musst du es sein lassen. Egal wie alt du bist. Der innere Antrieb ist wichtig und diesen kann man nur selbst fühlen. Als Beispiel: In Ruhpolding wollte ich allen Leuten zeigen, wie großartig meine Sportart ist. Je mehr ich mich auf etwas freue, desto weniger Fehler mache ich, wenn ich es zuvor gut trainiert habe. Ich habe damals den ersten Schuss auf Stand Eins getroffen. Die Leute haben geschrien – das war der Wahnsinn! Und dann war es mucksmäuschenstill. Der nächste Schuss – und ich habe mich nicht auf das Ziel konzentriert, sondern auf die Zuschauer und vorbei geschossen. Darüber habe ich mich wahnsinnig geärgert aber der Fehler war später als Trainer für mich sehr wichtig. Man muss sich auf das fokussieren, was man möchte – dann funktioniert es auch.

Nun kann es im Wettkampf auch zu einer Strafrunde kommen. Welches Gefühl hat der Sportler in diesem Moment?

Fritz Fischer: Man darf sich davon nicht einschüchtern lassen. Sobald der Abstand zu den anderen Sportlern größer wird, ist es wichtig, mental stark zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen – auch wenn der Sieg nicht mehr machbar ist, kann man trotzdem noch eine gute Zeit rausholen. Das ist aber so im Alltagstraining drin, dass es zum Beruf dazu gehört. Über so etwas habe ich mir nie Gedanken gemacht, es ist eben so. Wenn man sich über alles Gedanken macht und übervorsichtig ist, hört man das Gras wachsen.

Der Biathlon hat sich in den letzten Jahren spürbar und mit großer Dynamik weiterentwickelt.

Fritz Fischer: Auch dank der Medien. Printmedien schreiben darüber, TV-Sender haben erkannt, dass der Biathlon das Fußballspiel des Winters ist. Die Zuschauer kommen ins Stadion und fiebern mit. Sie können das Geschehen verfolgen und verstehen den Ablauf. Das hat auch die jetzige Generation dieser Sportart, wie z. B. Magdalena Neuner, gut weitergeführt. Wenn man sich vorstellt, dass der Biathlon nach dem Fußball die beliebteste Sportart ist – da ist es ein Traum, dabei zu sein.

Treffen sich ehemaligen Aktive auch noch zu Traditionsrennen?
Fritz Fischer: Es gibt eine Meisterschaft mit Ehemaligen in Finnland. Das brauche ich aber nicht mehr, da spiele ich lieber Golf. (lacht)

Eines der größten Ereignisse Ihrer Karriere war die Goldmedaille mit der Staffel.

Fritz Fischer: Das war ein großes Erlebnis und auch Sportgeschichte. Es war nach der Wiedervereinigung von Ost und West. Ich aus dem Westen, der aus dem Bauch raus handelt, und auf der anderen Seite eine ganz andere Welt. Ich habe es geschafft, nach der Wende als Einziger aus dem Westen dabei zu sein. Bis dahin hatte immer nur Russland gewonnen, keine andere Staffel. Und ich durfte dann mit der Fahne durchs Ziel laufen. Ich bin mit den besten Sportlern aus Norwegen usw. angetreten. Aus diesem Grund braucht mir heute auch keiner mehr zu erzählen, was Druck ist. Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man nicht dabei gewesen ist.

Wie lange machen Sie noch weiter?

Fritz Fischer: Ich bin ja genaugenommen schon im Ruhestand. (lacht) Mir macht es aber einfach Spaß, weiterhin ins Stadion zu gehen und die Leute von meiner Sportart zu begeistern. Ich versuche, einen Einblick zu geben, gerade weil es publikumswirksam ist. Ich finde es schön, wenn ich Menschen helfen kann.