Südpfalz. Fachkräfte sind so knapp wie noch nie. 881.000 Arbeitsstellen waren, laut einer Erhebung der ifo-Konjunktur-umfragen, im Juli bundesweit nicht besetzt. Ein Rekordhoch, das die Geschäftstätigkeit in fast der Hälfte aller deutschen Unternehmen gewaltig ausbremst. Auch in unserer Region hinterlässt der Personalmangel seine Spuren. Nicht nur in wenigen Branchen. Nahezu der gesamte Arbeitsmarkt ist betroffen.

Ob es um die Pflege, Gastronomie, das Handwerk oder die Energiebranche geht: Alle stehen vor demselben Dilemma. Sie suchen verzweifelt Personal. Ein Problem, das sich durch die Pandemie zwar verschärft hat, tatsächlich aber schon sehr viel länger existiert.

Christine Groß-Herick, Chefin der Agentur für Arbeit in Landau, sieht in der Demografie die Hauptursache für den Fachkräftemangel: „In der Pfalz ist jeder fünfte Arbeitnehmer älter als 50 Jahre. Zugleich haben wir eine schlechte Jugend-Alter-Relation. Auf 100 über 50-Jährige kommen nur 60 unter 25-Jährige.“ In der Pflege zeigt sich das Problem am deutlichsten. Hier schlägt die Demografie doppelt zu. Der steigenden Zahl alter Menschen mit hohem Bedarf an Pflegeleistungen steht ein schrumpfendes Pflegekräfte-Kontingent gegenüber. Erschwerend komme hinzu, dass die Verweildauer in Pflegeberufen deutlich geringer sei als in anderen Branchen, erklärt Groß-Herick. „Hier gibt es Ersatzbedarf und gleichzeitig kommen weniger junge Leute nach.“

Und wie wird es, wenn die Babyboomer-Generation erst in Rente geht? Selbst bei verlängerter Lebensarbeitszeit lasse sich das Personalproblem nur mit höherer Zuwanderung in den Griff kriegen. 400 000 Fachkräfte aus dem Ausland würden jährlich deutschlandweit gebraucht, sagt Groß-Herick. Für Stephan Hafen, Inhaber der Alten Rebschule in Rhodt, ist das ein alter Hut. Er fordert lange schon, dem existenzbedrohenden Personalmangel in der Gastronomie mit Fachkräften aus dem Ausland entgegenzuwirken. Und der Hotelier weiß, wie´s geht. Seit Jahren reist er nach Kenia, um an einer Hotelfachschule in Nairobi Personal für sein Wohlfühlhotel zu akquirieren. Mit Erfolg: In der Alten Rebschule arbeiten 50 Menschen aus zwölf Nationen. Warum nicht mehr Gastronomen seinem Beispiel folgen, versteht Hafen nicht: „Die Gesetze sind da, die funktionieren auch. Man muss nur wollen.“ 

Von nicht genutzten Möglichkeiten spricht auch Christian Strecker, Vorsitzender des Kreiselternausschusses der Kitas im Landkreis SÜW. Seines Erachtens erlaubten es die gesetzlichen Rahmenbedingungen, den Mangel im komplexen Kita-System zumindest besser zu verwalten. 100.000 Erzieher:innen fehlen jetzt schon bundesweit. Eingeschränkte Betreuungszeiten und weniger Angebote für die Kleinsten sind die Folge. Trotzdem lasse man zu, dass angehende Erzieher:innen nach vier Jahren Schule die Ausbildung abbrechen: weil Sie keinen Träger für das gesetzlich vorgeschriebene Anerkennungsjahr finden. Innovative Ideen, mehr Flexibilität und Mitsprache der Träger bei der Stellenbesetzung seien längst überfällig.

Auch wer weniger bürokratische Hürden nehmen muss, hat keine besseren Karten im „War for Talents“. Sandra Martin, Geschäftsführerin im Autohaus Friedmann in Steinfeld, kann ein Lied davon singen. 

Seit Monaten sucht das Unternehmen einen KFZ-Mechatroniker per Daueranzeige. Bisher sei nicht eine einzige Bewerbung eingegangen. Umso glücklicher sei sie, einen passenden Azubi für dieses Lehrjahr gefunden zu haben. „Im Handwerk sind die Zustände desaströs“, sagt sie „die Schulen versäumen es, die Jugendlichen auf den Beruf vorzubereiten.“ 

So herrschen falsche Vorstellungen über Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen. Momentan gibt es im Kreis 25 Prozent mehr offene Lehrstellen als noch im Vorjahr. Christine Groß-Herick ermutigt deshalb alle Interessierten, sich jetzt noch zu bewerben. (gbr)