Die Amigos: „Wir haben gerade erst angefangen!“

Unter vier Augen: Bernd und Karl-Heinz Ulrich alias „Die Amigos“ sprechen über die Bürden des Musikerlebens und ihr besonderes Engagement

(Foto: Kerstin Joensson)

Steckbrief: Bernd und Karl-Heinz Ulrich
Geboren: Karl-Heinz Ulrich wurde am 19. November 1948 geboren, sein Bruder Bernd am 2. Dezember 1950
1970: Gründung der Musiker-Gruppe „Die Amigos“. Zu Beginn bestand die Gruppe aus mehren Band-Mitgliedern.
2006: Durchbruch, als sie in Achims Hitparade auftraten und den Titel „Musikantenkönig“ gewannen.
2007: Auftritt in der Krone der Volksmusik und Veröffentlichung ihrer ersten DVD.
2011: Gewinn des Echo-Preises in der Kategorie Volkstümliche Musik.


Sie sind Brüder. Ist es problematisch mit seinem Bruder auf Tour zu gehen?

Bernd Ulrich: Das ist etwa das hunderttausendste Mal, dass wir das gefragt werden. Es würde mich interessieren, was Sie denken, wie wir miteinander umgehen?

Ich denke, Sie brauchen nach einer Tournee immer wieder auch ein wenig Abstand.

Bernd Ulrich: Wir sind schon ein Leben lang über die Musik und privat zusammen. Worüber sollten wir uns noch streiten? Wir waren in den letzten zehn bist 15 Jahren zehn Mal in den Deutschen Charts auf dem ersten Platz, in Österreich acht Mal, in der Schweiz sechs Mal. Wir haben über hundert Gold- und Platinauszeichnungen. Die GfK Entertainment hat gestern veröffentlicht, nach Verkaufszahlen seien wir in den Jahrescharts auf Platz vier. Über was soll man da streiten? Obwohl es am Samstag eine Ausnahme gab. Da war es nahe an der Grenze!

Wegen des Essens?

Bernd Ulrich: Nein, wegen dem Fußball. Ich bin Bayern-Fan, mein Bruder ist Gladbach-Fan. Aber jetzt wechseln wir lieber das Thema. (lacht)

Wie entstehen Ihre Songs? Wer von Ihnen beiden hat die grundlegende Idee? Hat einer eine Text-Idee und schreibt den Text dazu auf oder hat der andere die Musik bereits im Ohr, zu der der Rest fehlt? Ich stelle mir vor, dass Sie viel mehr Lieder machen, als dann veröffentlicht werden. Wer entscheidet da über die Auswahl für die Platte?

Bernd Ulrich: Das ist sehr verschieden. Manchmal hat mein Bruder eine Idee am Keyboard oder es fällt ihm ein Text ein. Oder ich habe eine Idee für einen Text, wenn ich am Computer bin. Dann können wir das besprechen und uns zusammensetzen. Es kommt natürlich auch vor, dass wir Angebote von unseren Autorenteams bekommen. Früher haben wir beide alles selbst geschrieben. Insgesamt sind es über 500 Titel, die wir selbst geschrieben haben. Aber wenn du jedes Jahr ein Album machst, bist du irgendwann erschöpft und froh, wenn jemand anderes noch frische Ideen hat und dir ein Angebot macht. Unser Album für 2020 ist gerade in Produktion. Wenn wir kein Konzert haben, findet man uns deswegen meistens im Studio. Neun Titel haben wir bereits eingesungen. Am Ende werden wir 20 bis 25 Songs demomäßig eingesungen haben und erst dann entscheiden wir, welche wir ausproduzieren und auf die CD nehmen. Dabei legen wir großen Wert auf Abwechslung. Wir müssen auch schauen, dass wir nicht nur Discofox-Titel auf dem Album haben, obwohl die Leute voll auf die schnellen Titel abfahren. Es ist uns ebenso wichtig, über sozialkritische Themen zu schreiben und zu singen, zum Beispiel über Obdachlosigkeit oder den Tod, obwohl das für viele ein Tabuthema ist. Dabei gehört er zum Leben. Wir schreiben auch über den wahnsinnigen Kindesmissbrauch und sind schon einige Jahre Botschafter des „Weißen Rings“. Wir stellen uns entschieden gegen Kindesmissbrauch, treffen da klare Aussagen und beschönigen nichts. Dass es sexuelle Gewalt gegen Kinder über das Darknet oder sogar in Familien gibt, zwingt uns einfach, ein Zeichen zu setzen. Auf der Bühne hat man eine gewisse Macht, die wir auf diese Weise nutzen möchten. Wir haben auch schon einiges bewirkt. Es sind auch schon Leute nach einem Konzert zu uns gekommen und haben uns gedankt, dass wir das Thema ansprechen. Es sind oft Betroffene, die uns dann auch von ihrer Geschichte erzählen. Zum Beispiel kam einmal eine ältere Dame auf uns zu, weil sie den Kontakt zu ihrem Enkelkind verloren hatte. Sie hat uns erzählt, dass der Lebensgefährte ihrer Tochter die Enkelin misshandelt und dass weder sie noch das Jugendamt und die Polizei etwas machen können. Da haben wir dann den Weißen Ring eingeschaltet. Nach 14 Tagen rief uns die alte Dame weinend an und bedankte sich, dass der Typ weg sei. Wenn du mit einem Lied so etwas bewirkt und einem Kind geholfen wurde, dann kannst du bei all dem Ernst in der Welt einfach nur noch jubelnd durch den Hof laufen. Das liegt uns am Herzen und da lassen wir auch nicht nach.

Markus Eisel im Gespräch mit den „Amigos“. (Foto: Dannenberger)

Sie haben auch auf dem neuen Album „Babylon“ einige sozialkritische Stücke, wie zum Beispiel „Ein weißes Kreuz“ oder „Schattenreiter“.

Bernd Ulrich: Ja. Wir fahren ja über 150 Tausend Kilometer im Jahr und überall begegnet uns ein Kreuz am Straßenrand, ob auf der Autobahn oder auf der Landstraße. Natürlich machen wir uns Gedanken, was da passiert sein könnte. Es können ganze Familien kaputt gegangen sein. Deswegen ist das ein Thema für uns. Zwar ist das Lied traurig, aber das ist die Realität! Warum sollte man darüber nicht schreiben?

Es gibt die Amigos jetzt 50 Jahre. Wie lange wollen Sie das Nomadenleben noch führen?

Bernd Ulrich: Wir haben doch gerade erst angefangen! Sie wollen doch nicht sagen, dass wir aufhören sollen?

Karl-Heinz Ulrich: Aber die Zeit vergeht schnell, sie rast. Wir feiern 2020 das ganze Jahr lang 50 Jahre Bühne mit einer Jubiläumstournee und im Februar mit dem Best-of-Album „50 Jahre die Amigos – unsere Schlager von damals“.

Ich stelle mir vor, dass dieses Musikerleben auch an die Substanz geht. Der logistische Aufwand mit dem ganzen Drumherum und der Fahrerei ist bestimmt sehr anstrengend.

Bernd Ulrich: Ja, die Verkehrslage auf der Autobahn ist eine Katastrophe. Das stresst schon. Aber unsere Arbeit macht immer noch Spaß. Und ich habe ja einen Gladbach-Fan im Auto, der meistens fährt (alle lachen). Wir singen nur Lieder, die aus dem Herzen kommen und es kommen nur Lieder aufs Album, die uns gefallen. Ich denke, wir hätten sonst auch nicht eine so große Fangemeinde. Was spielt denn das öffentlich-rechtliche Radio noch an deutschen Schlagern? Fast nur private Sender wie Radio Schlagerparadies spielen Schlager und genau dieses Radioteam hatte z.B. im letzten Jahr 46 Prozent Zuwachs. Da müssen die anderen doch wach werden!

Haben Sie musikalische Vorbilder auch außerhalb des Schlagers?

Bernd Ulrich: Als wir früher noch auf Dorffesten gespielt haben, haben wir alles gespielt, was die Leute gern gehört haben und womit die Tanzflächen voll waren.

Also auch Rock und Pop?

Bernd Ulrich: Ja natürlich! Die Beatles und Rolling Stones waren dabei, aber natürlich auch deutsche Schlager, zum Beispiel viele Lieder von den Flippers. Das waren eben tanzbare Sachen. So etwas musst du dort spielen. Wenn du auf Kirmes-Veranstaltungen mit gemischtem Publikum spielst, kannst du nicht nur eine Musikrichtung spielen, sondern eben das, was in der Hitparade oben steht. Und wenn hinten 50 Jugendliche sitzen und vorne sitzen die Schunkelmänner, dann ist das nicht so einfach. Aber irgendwann haben wir unsere eigenen Lieder gespielt und heute haben wir es viel einfacher. Denn wenn die Leute heute auf ein Konzert von den Amigos gehen, wissen sie genau, was Sie erwartet. Sie kennen die Lieder, die wollen sie hören und die singen sie mit. Für uns ist es deshalb einfacher, weil wir uns keine Gedanken um den Geschmack des Publikums machen müssen.

Welche Musik hören Sie eigentlich privat?

Karl-Heinz Ulrich: Vor allem Country. Vielleicht machen wir auch irgendwann eine Country-CD, nach unserer aktiven Karriere. Eigentlich war Country schon immer unser Ding.

Bernd Ulrich: Ab und zu haben wir auch auf unseren Amigos-Alben eine Art Country-Nummer. Als wir früher unterwegs waren, haben wir zeitweise auch mal nur Country gespielt. Aber dafür brauchst du ein spezielles Publikum. Heute haben wir es einfach. Wir spielen unsere eigenen Lieder und auch mal eine alte Nummer von 1974 „Butterfly“ als Cover im Programm, einfach weil wir es wollen und als eine Erinnerung an Erlebnisse, die wir damit verbinden – und sicher auch viele im Publikum. Und vor kurzem haben wir mit ein paar Liedern eine Hommage an die Flippers auf die Bühne gebracht, weil die Flippers viele Menschen mit ihren Liedern glücklich gemacht haben.

Haben Sie eigentlich noch Lampenfieber?

Bernd Ulrich: Nein, haben wir nicht mehr. Was soll schon passieren? Wenn mal die Technik versagen sollte, was im Prinzip ja sein kann, dann ist es halt so. Einmal ist das sogar wirklich passiert, und zwar bei einem Konzert in Gladbeck. Da war drei Lieder vor Ende des Konzerts der Strom weg, und zwar im gesamten Stadtviertel. Wir haben dann mit Notbeleuchtung und Notstromaggregat noch zwei drei Lieder gespielt und dann das Konzert ruhig beendet.

Wie oft treten Sie im Jahr auf?

Bernd Ulrich: Es waren am Anfang, als es 2006 so richtig mit den Amigos losging, etwa 250, dann 200 Konzerte, in diesem Jahr sind es 110 bis 120. Jedes Jahr so viel unterwegs zu sein, ist natürlich auch nicht ohne und deshalb möchten wir uns auch mehr Ruhetage einplanen. Andere in unserem Alter sind in Rente, aber das ist für uns Amigos kein Thema. Wir werden die Anzahl der Konzerte allerdings noch ein bisschen weiter reduzieren.

Karl-Heinz Ulrich: Im nächsten Jahr werden es etwa 80 Konzerte sein, die wir geben.

Das ist viel.

Bernd Ulrich: Ja, und es ist auch deshalb gar nicht so einfach, weil wir einen 40 Tonnen schweren LKW fahren. Und wir haben nur 14 Mann in der Crew.

Karl-Heinz Ulrich: Das sind junge Burschen, die echt gute Arbeit leisten und auch von uns leben. Auch deshalb sagen wir nicht einfach so ein Konzert ab. Wir haben ja eine Verantwortung für unser Publikum und auch für unser Team. (eis