Die Gebärmuttersenkung – eine oft verheimlichte Erkrankung

Dr. Karl Kunz, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, im Interview

Kandel. Dr. Karl Kunz, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe an der Asklepios Südpfalzklinik in Kandel, behandelt regelmäßig Frauen, die an einer Gebärmuttersenkung leiden. Dabei stellt er immer wieder fest, dass viele seiner Patienten lange mit diesen Beschwerden leben, bevor sie den Weg zu ihm aufsuchen. Im Interview erklärt der Experte, wie es zu einer Senkung kommt und wie den betroffenen Frauen in Kandel geholfen werden kann. Denn die Klinik verfügt über 30 Jahre Erfahrung in der Diagnostik und Operation der Gebärmuttersenkung.

Herr Dr. Kunz, was versteht man unter einer Gebärmuttersenkung?

Dr. Kunz: „Nun, bei einer Gebärmuttersenkung sinkt diese nach unten ab, das bedeutet, die Gebärmutter hängt tiefer im Becken. Im Extremfall tritt sie sogar durch die Scheide nach außen, sodass man sie sehen kann. Normalerweise wird die Gebärmutter durch Haltestrukturen, sogenannte Bänder und Bindegewebe sowie Beckenbodenmuskulatur, in ihrer normalen Lage gehalten. Werden diese Strukturen schwächer, kommt es zu einem Absenken. Das betrifft oft auch die Harnblase sowie den Enddarm. Etwa 30 bis 50 Prozent aller Frauen leiden im Laufe ihres Lebens darunter.

Können Frauen rechtzeitig spüren, dass sie eine Senkung haben?

Dr. Kunz: Viele Frauen sind zunächst symptomlos und verspüren dann ein Fremdkörpergefühl in der Scheide. Viele Patientinnen können auch mit dem Finger ihre Gebärmutter im Scheideneingang tasten. Häufig kommt es dann zu sogenannten Druckgeschwüren im Bereich des Gebärmutterhalses sowie zum blutigen Ausfluss aus der Scheide. Da es bei einer Gebärmuttersenkung auch zusätzlich zu einer Senkung der Blase und des Enddarmes kommt, treten häufig auch Harnverhalt, Blasenentzündungen sowie Verstopfung oder Schmerzen beim Stuhlgang auf. Vereinzelt kommt es auch zu einer Stuhlinkontinenz. Im Extremfall tritt ein totaler Vorfall der Gebärmutter auf, der dann optisch von außen zu sehen ist.

Gibt es irgendwelche Ursachen und Risikofaktoren, die zum Entstehen dieser Krankheit führen?

Dr. Kunz: Eine Gebärmuttersenkung entsteht dadurch, wenn die Bänder und Muskeln, welche die Stabilität im Becken gewährleisten, nicht mehr ausreichend ausgebildet sind. Es gibt einige Faktoren, die zu einer Senkung führen, wie z. B. Über- und Fehlbelastung des Beckenbodens durch schwere körperliche Arbeit, durch Druckerhöhungen im Bauchraum, durch Erkrankungen wie chronische Bronchitis sowie aufgrund von Verstopfung, Fettleibigkeit oder einer allgemeinen Bindegewebsschwäche.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Geburt und Senkung?

Dr. Kunz: Einen Zusammenhang gibt es sicherlich. Wenn die Bänder im Beckenbereich während der Entbindung stark belastet werden, etwa, wenn es sich um ein Neugeborenes mit hohem Gewicht handelt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Gebärmuttersenkung hoch. Ebenfalls können Vaginalverletzungen bei der Geburt ein mögliches Risiko darstellen.

Wenn nun die Diagnose der Gebärmuttersenkung gestellt wird, welche Behandlungen stehen dem Arzt zur Verfügung?

Dr. Kunz: Nun, die Behandlung richtet sich nach dem jeweiligen Stadium der Senkung und dem Alter der Patientin. Es kommen verschiedene Methoden in Betracht. Bei leichten Formen beginnt man zunächst mit einer Beckenbodengymnastik mit speziellen Übungen, die die Muskulatur gezielt stärken. Manchmal können sich so leichtere Formen der Senkung ohne medizinische Eingriffe zurückbilden. Befindet sich die Patientin in den Wechseljahren, kann eine lokale hormonelle Salbenbehandlung sicherlich sinnvoll sein. In schweren Fällen allerdings ist eine Operation unumgänglich. Es gibt mehrere Methoden eine Gebärmuttersenkung operativ zu behandeln – auch wieder abhängig vom Alter der Patientin sowie des jeweiligen Stadiums der Senkung. Es gibt beispielsweise Methoden, die eine Operation vaginal ohne Bauchschnitt ermöglichen. Hier werden die Beckenmuskulaturen, die sich gesenkt haben, in ihre ursprüngliche Lage zurückgebracht. Oft ist es auch notwendig, die Gebärmutter, die total gesenkt ist, zu entfernen. Bei älteren Frauen oder bei Patientinnen, die erneut an einer Senkung leiden, werden Verfahren angewandt, bei denen mit Hilfe eines Netzes der Beckenboden wieder stabilisiert wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Fixierung des Scheidenendes mittels einer Bauchspiegelung. Dieses Verfahren wird vorzugsweise bei jüngeren Frauen angewandt. Die Dauer solcher Operationen beträgt 30 bis 60 Minuten und wird normalerweise unter Vollnarkose durchgeführt. Nach dem Eingriff ist dann ein Krankenhausaufenthalt von circa drei Tagen notwendig. Komplikationen bei dieser Operation sind selten.

Kann man eine Gebärmuttersenkung verhindern?

Dr. Kunz: Die Gebärmuttersenkung ist – wie schon erwähnt – keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Symptom eines schwächer werdenden Beckenbodens. Eine ursächliche Behandlung ist schwer möglich. Allerdings kann man einen Gebärmuttervorfall durch Beckenbodengymnastik vorbeugen, die regelmäßig durchgeführt wird. Auch regelmäßiger Ausdauersport, wie Schwimmen, Radfahren oder Laufen, ist sicherlich hilfreich. Außerdem sollten Frauen mit Übergewicht dieses reduzieren. Alle vorbeugenden Maßnahmen können das Risiko minimieren, aber die Gebärmuttersenkung nicht grundlegend verhindern. (per)