Die durchschnittliche Nutzung von digitalen Medien soll bei Minderjährigen laut einer Studie auf fast dreieinhalb Stunden pro Tag gestiegen sein. (Foto: Pixabay/my best in collections)

Südpfalz/Bad Bergzabern. Die Welt wird immer digitaler. In nahezu jedem bundesdeutschen Haushalt gibt es WLAN und smarte Geräte. Selbst Kinderzimmer sind technisch besser ausgestattet als ein modernes Computerlabor in den frühen 1990er Jahren. Laut der 2020 erschienenen JIM-Studie (Jugend, Internet, Medien) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest besitzen 94 Prozent der zwölf- bis 19-Jährigen ein Smartphone. Dreiviertel dieser Altersgruppe verfügt über einen eigenen Computer oder über ein Laptop. Doch nicht nur Jugendliche erliegen der Faszination von Social Media, Gaming oder Streaming. Sogar Kleinkinder haben das kleine Einmaleins der Touchscreen-Gesten drauf und bedienen Displays ganz intuitiv. Doch bleibt bei den smarten Computer-Kids echtes Leben nicht auf der Strecke?

Dass die neue digitale Kindheit nicht nur Chancen bietet, sondern auch eine Fülle Probleme verursachen kann, wissen Kinderärzte, Pädagogen und Psychologen bereits seit langem. Jetzt aber schlagen die Experten Alarm. Während der Corona-Pandemie hat sich das Leben der Heranwachsenden auffällig vom analogen ins digitale Milieu verlagert. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig, spricht gar von einem „heftigen“ Anstieg der Verweildauer von Minderjährigen im Internet. Dabei bezieht sie sich auf Untersuchungsergebnisse der Deutschen Angestellten Kasse (DAK). So soll die durchschnittliche Nutzung von sozialen Medien auf fast dreieinhalb Stunden pro Tag gestiegen sein. An Wochenenden betrage die durchschnittliche Verweildauer sogar vier Stunden täglich. 

Die Gründe: Einsamkeit und Langeweile. Verständlich. Gehören die Jüngsten doch schließlich zu der Gruppe der Gesellschaft, die während der vergangenen 16 Monate am meisten zurückstecken mussten. Homeschooling statt Präsenzunterricht. Zocken statt Mannschaftssport. Chatten statt abhängen mit Freunden. Auch Ulrike Brunck von der Jugend- und Familien-Beratung Bad Bergzabern kennt das Problem. In den vergangenen Monaten hätten sich immer mehr Eltern, die ihre Kinder nicht vom Fernseher, PC oder Smartphone loseisen können, gemeldet. Die größte Gefahr, in die Abhängigkeit zu rutschen, sieht die Diplomsozialarbeiterin im übermäßigen Konsum von Computerspielen. Vor allem Jungen ab zehn Jahren seien davon betroffen. „Ich hatte mal das Spiel unter Kontrolle. Aber die Spiele haben schon längst Kontrolle über mich und mein Leben“, zitiert sie einen Klienten. Das Suchtpotential von Computerspielen sei ähnlich hoch wie das von Heroin. 

Doch auch andere Erkrankungen nähmen zu. Erschöpfung, Schlaf- und Sehstörungen Muskelverspannungen, Adipositas, Ängste und Depressionen: Die Liste der Symptome ist lang. Gerade in den ersten Lebensjahren kann die Reizüberflutung negative Folgen für die Synapsen-Bildung im Gehirn haben. Wer Bilderbuchseiten wischt, statt sie umzublättern, hat definitiv zu viel Zeit mit dem Tablet verbracht.

Ulrike Brunck appelliert deshalb an die Eltern, wachsam zu sein und sich zu fragen, was die Kinder im Internet tun. Ihr Rat: die Handy- und PC-Zeit beschränken, eine Kindersicherung fürs Internet einrichten, das WLAN einfach mal ausschalten und analoge Beschäftigungen anbieten. Bei Fragen und Problemen können sich Eltern, Kinder und Jugendliche an die Jugend- und Familien-Beratung wenden. Beratungsstellen gibt es im ganzen Landkreis. (gbj)