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Die Zukunft macht Angst

Schon lange wissen wir, dass Facebook, Google und Co. mehr über uns wissen, als uns recht ist. Inzwischen überrascht es uns nicht mehr, wenn wir in unserem Instagram-Feed Werbung für einen Reiseveranstalter angezeigt bekommen, der uns genau dort hin bringen möchte, wo wir schon lange hin wollten. Denn wir haben ja schließlich ein paar Tage zuvor nach solchen Angeboten bei Google gesucht. Auch Elli ist ziemlich immun dagegen.

Meistens jedenfalls. Aber ihr sind da diese zwei Dinge in den letzten Wochen passiert:
Beim ersten standen Paula und Günther direkt neben ihr, als es passierte. Der Herbst war erst ein paar Tage alt, weshalb Elli sich morgens das erste Mal seit einigen Monaten wieder für ihren bunt gestreiften Pulli entschieden hatte. „Oh, der Pulli ist aber hübsch! Ich muss mir unbedingt auch ein paar neue Sachen zulegen“, begrüßte sie Paula, die bereits am Rechner arbeitete. Danach war die Unterhaltung über Kleidung beendet. Eine halbe Stunde später betrat Günther das Büro. Nach einem fröhlichen „Guten Morgen, allerseits!“ verstummte er allerdings plötzlich. Er schaute auf Paulas Bildschirm, dann zu Elli, dann wieder auf Paulas Bildschirm. Sein Blick wechselte einige Male hin und her, bis Paula erschrocken rief: „Jetzt sehe ich es auch! Das ist ja gruselig!“ Elli stand auf, um ebenfalls auf den Bildschirm zu sehen: Die Anzeige am rechten Bildrand warb mit ihrem Pullover. Exakt ihrem Pullover! Das konnte der Algorithmus nicht wissen, sie hatte das Teil ein Jahr vorher ganz analog im Fachgeschäft gekauft und vorhin weder Marke noch Farbe erwähnt! Es sei denn … „Die Kamera am Rechner!“, schloss Elli und klebte sie ab.

Das zweite Ereignis ist noch beängstigender: Nach der Arbeit holte Elli ihre Tochter bei Oma und Opa ab. Die Tasche mit Smartphone ließ sie bei ihrem kurzen Besuch im Auto liegen. Sie betrat also völlig technikfrei das Haus ihrer Eltern. Ihre Mutter hatte gerade frisches Brot gebacken – also unterhielten sich die beiden Frauen kurz über das Rezept – und über die optimale Aufbewahrung. Danach schnappte sie sich ihre Tochter und fuhr nach Hause. Zwei Stunden später öffnete sie auf ihrem Smartphone Instagram – und der erste gesponserte Beitrag, der ihr angezeigt wurde, war Werbung für einen Brotkasten.
„Ich habe noch nie nach Brotkästen gegoogelt und beschäftige mich online grundsätzlich nie mit Haushaltskram! Mein Handy war außer Hörweite und ich habe keine Smartwatch! Können die Gedanken lesen?“, fragt Elli heute Morgen also ihre Kollegen.

Günther hat sich seit dem ersten Vorfall etwas in die Thematik eingelesen und möchte sie deswegen beruhigen: „Es ist vermutlich ganz einfach: Das Handy deiner Mutter hat mitgehört – dass du ihre Tochter bist und wie dein Instagram Account lautet, rechnen sich die KIs ganz einfach aus. Dafür braucht es keine Zauberei.“ „Und das soll mich jetzt beruhigen? Smartphones hören also ungefragt Konversationen mit und identifizieren beliebige Personen?“, fragt Elli zurück. Günther nickt nur ganz vorsichtig.

Anne Herder

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