Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sind mit dem Auto unterwegs, es ist schon dunkel, nicht viel los auf der Landstraße. Aus dem Nichts taucht plötzlich ein Motorrad auf, zu plötzlich, um noch reagieren zu können. Durch den Zusammenstoß werden Sie verletzt, auch dem Motorradfahrer geht es nicht gut. Keiner von Ihnen beiden ist in der Lage, den Notruf zu wählen. Aber Sie haben Glück: Ihr Auto ruft ganz automatisch die 112, denn es weiß, dass gerade ein Unfall passiert ist, es weiß sogar, wo genau es passiert ist.

Zukunftsmusik? Nicht ganz. Seit 1. April, müssen in der EU neue PKWs tatsächlich mit eCall ausgestattet sein – und eCall macht genau das: Das System ruft nach Unfällen ganz automatisch die 112. Die Digitalisierung macht sich allen Lebensbereichen bemerkbar, nur nehmen wir selbst es oft gar nicht bewusst wahr. Während auch hier in der Südpfalz noch einige Orte mit schlechter Internetverbindung zu kämpfen haben, ist die Vision der Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, gar nicht so abwegig: Digitalisierung sei nicht nur der Breitbandausbau, sondern auch die Möglichkeit mit einem Flugtaxi durch die Gegend reisen zu können.

Nicht nur junge Menschen sind vernetzt, auch die ältere Generation lebt mit
Tablet & Co. (Foto: Freepik)

Vor allem, wenn es um Kommerz geht, sind die Fortschritte der Digitalisierung überall deutlich spürbar, wir müssen nur genau hinschauen. Öffnen Sie doch mal die Startseite von Amazon. Das Unternehmen weiß genau, was es Ihnen empfehlen muss, welche Interessen Sie haben. Klicken Sie weiter auf Facebook, auch was Ihnen hier als Werbung angezeigt wird, hat doch ganz sicher etwas mit ihren letzten Suchanfragen bei Google oder Zalando zu tun – und schon haben wir etwas gekauft, von dem wir gestern noch gar nicht wussten, dass wir es brauchen. Wir werden per WhatsApp-Nachricht an unsere Termine beim Optiker erinnert, unser Kühlschrank scannt seinen Inhalt und sendet uns eine Mitteilung aufs Smartphone, was wir noch einkaufen müssen. Längst wird unser gemütlicher Fernsehabend nicht mehr vom 20.15 Uhr-Programm bestimmt, sondern von den ganz auf unseren Geschmack zugeschnittenen Empfehlungen von Netflix. Wir können Heizung, Licht und Jalousien unseres Hauses ganz bequem von der Arbeit aus steuern. Und wenn diese Systeme nun auch noch anfangen, sich untereinander auszutauschen, brauchen wir uns eigentlich um fast nichts mehr selbst zu kümmern. „Das System“ weiß bald, wann ich immer zur Arbeit muss und ruft für mich dann ganz automatisch das Flugtaxi, macht die Lichter im Haus für mich aus und bestellt schonmal mein Lieblingsessen für abends. Vielleicht holt mir mein Hausroboter auch schon mal das „Schobbeglas“ aus dem Schrank und schenkt mir zum Feierabend eine wohlverdiente Rieslingschorle ein. Er wird sicher wissen, ob ich es wirklich verdient habe. Vermutlich hat er meine Produktivität den ganzen Tag überwacht.

Das ist alles gar nicht mehr so weit weg und bietet sicher sehr viele Vorteile – denken wir an die schnelle Unfallhilfe dank eCall. Trotzdem muss die Politik auf diese (durch wirtschaftlich agierende Konzerne vorangetriebene) Entwicklung natürlich reagieren. Wer darf was mit unseren Daten anfangen? Wie viel Vernetzung (Durchschaubarkeit?) tut uns wirklich noch gut?

Einfach mal die Technik Technik sein lassen.         (Foto: 4045/Freepik)

Einmal das Smartphone ausschalten, ganz durch Zufall einen verwachsenen Waldweg in den Rheinauen entdecken, die Idylle auf sich wirken lassen und dabei einen selbst in den Rucksack gepackten Pfälzer Riesling genießen – das geht ganz ohne Digitalisierung. Man sollte davon dann aber auch kein Bild machen, um es auf Instagram zu posten!