In Ihrem neuen Programm „Endlich“ widmen Sie sich dem Thema „Zeit“. Was macht denn die Zeit mit uns?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Viel Komisches, wie ich finde! Wir leben länger als jede Generation vor uns, haben aber ständig das Gefühl, wir hätten keine Zeit. Das ist doch eigentlich sehr komisch, nur lacht keiner darüber. Das möchte ich mit meinem Programm ändern. Wer mich nur aus dem Fernsehen kennt, kennt mich nicht wirklich. Auf der Bühne bin ich voll in meinem Element: ich zaubere, singe und improvisiere mit den Menschen, jeder Abend wird daher ein Unikat – auch der in Landau! Und wer das nicht mit eigenen Augen gesehen hat – mit welchen dann?

Wie können wir die Zeit denn vielleicht verlangsamen?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Erinnern Sie sich noch an den ersten Kuss? Und den 17.? Unser Gehirn gibt Dingen, wenn sie das erste Mal passieren, mehr Aufmerksamkeit. Ein guter Trick, die Zeit zu verlangsamen ist also, aus der Routine auszubrechen und sich immer wieder neue Dinge anzueignen. Ich selber habe gerade wieder angefangen, Gitarre zu spielen, so wie ich das schon mal als Jugendlicher gemacht habe. Plötzlich fühle ich mich wieder wie am Lagerfeuer, freue mich aber gleichzeitig, dass ich danach nicht auf einer Luftmatratze schlafen muss.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Zeitverschwendung?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Dass wir Dinge kaufen, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Ressourcen in einen Konsum gehen, der keinen glücklicher macht, aber unsere Erde an den Rand des Ruins treibt, wird einem klar: Der eigentliche Wohlstand ist, Zeit zu haben, natürlich bei gesicherter Lebensgrundlage.

Haben Sie Zeit für sich selbst? Für Hobbys etc.?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Jede Krankenschwester oder Hebamme arbeitet mehr als ich. Aber weil meine Tätigkeit in der Öffentlichkeit stattfindet, entsteht schnell der Eindruck, ich wäre Tag und Nacht aktiv. Bin ich aber nicht. Zudem empfinde ich das, was ich tue, nicht als Last, weil ich es mir selber aussuche und die Arbeit meinen Stärken entspricht und mir nichts mehr Freude macht, als auf der Bühne zu stehen und Menschen zum Lachen und Nachdenken zu bringen.

Schenken wir, vor allem Frau, der biologischen Uhr viel zu viel Aufmerksamkeit?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Aus meiner Sicht ja. Vor allem ist es eine groteske Idee, die biologische Uhr anhalten zu wollen, denken wir den Gedanken doch einmal zu Ende: Das Dümmste, was uns allen passieren könnte, ist, dass Anti-Aging funktioniert. Dein Körper wird jünger, aber dein Geist wird älter. Irgendwann hast du Alzheimer, kommst aber körperlich gerade zurück in die Pubertät. Du kannst wieder – weißt aber nicht warum. Ist das ein Lebenstraum? Also Finger weg von teuren Anti-Aging-Cremes – kaufen Sie sich eine günstige Creme und kommen Sie in mein Bühnenprogramm! Da bekommen Sie Ihre Lachfalten schön durchmassiert, und danach strahlen die wie neu!

Low Carb, Vegan, Paleo – Was halten Sie von dem derzeit herrschenden Ernährungswahn in der Gesellschaft?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Wenig. Das einzige, was wirklich für mich jemals funktioniert hat, ist Intervallfasten und das praktiziere ich auch selbst. Das Tolle an den Essenspausen oder der sogenannten Hirschhausen-Diät ist, dass es so herrlich einfach ist: nie mehr Kalorien zählen, sondern Stunden! Sie essen, was Sie wollen, und dann geben Sie dem Körper Zeit, zu verdauen und danach von Zufuhr auf Abfuhr umzustellen. Dafür gibt es verschiedene Rhythmen, da kann jeder das passende für sich finden. Ich finde es praktisch, gerade wenn ich mit meinem Live-Programm auf Tour bin, an mehreren Tagen der Woche ab 18 Uhr nichts mehr zu essen und am nächsten Morgen erst spät zu frühstücken, also morgens gerne den ersten Kaffee ohne Croissant – und Ei und Toast erst ab zehn. Schwups, hast du 16 Stunden intervallgefastet. Nennt sich 16 zu 8. Es klingt brutaler als es sich anfühlt. Der Körper gewöhnt sich nach einigen Wochen daran. Ich habe morgens gar keinen Hunger mehr, obwohl ich jahrelang immer gefrühstückt habe.

(Foto: Steffen Jänicke)

In Ihrem neuen Buch „Die bessere Hälfte“ sagen Sie, dass es ab 40 bergauf geht – und eben nicht bergab. Warum glauben Sie das? – schließlich nehmen mit dem Alter auch die Wehwehchen zu.

Dr. Eckart von Hirschhausen: In der Tat zeigt die Forschung, dass es Älteren oft gelingt, ihre Zufriedenheit von körperlichen Gebrechen loszukoppeln. Das nennt man auch „Wohlfühlparadoxon“. Man setzt die Erwartungen nicht mehr so hoch, kann loslassen, wird gelassener. Es gibt einen gesunden Geist in einem nicht mehr ganz gesunden Körper. Das ist keine Selbsttäuschung, wie man denken könnte, sondern ein Befund, der sich wissenschaftlich immer wieder bestätigt.

Viele Menschen fragen heute lieber Dr. Google um Rat, anstatt zum Arzt zu gehen. Was sagen Sie dazu?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Klar haben Patienten heute die Möglichkeiten, sich viel besser zu informieren als früher. Das ist wichtig. Welche Treffer bei Suchmaschinen oben stehen, entscheiden aber Anzeigenkunden und ein geheimer Algorhythmus. Mein Tipp: Gehen Sie direkt auf Seiten von vertrauenswürdigen Institutionen wie den Krebsinformationsdienst, Verbraucherzentralen oder gesundheitsinformation.de. Auf meiner Homepage www.hirschhausen.com habe ich die besten Gesundheitsseiten verlinkt.

Glauben Sie als Arzt, dass wir Menschen immer älter werden oder gibt es eine Grenze?

Dr. Eckart von Hirschhausen: Ja, es gibt eine Grenze. Und das ist auch gut so, denn ein ewiges Leben wäre sterbenslangweilig! Nur durch die Endlichkeit bekommt jeder Moment seinen Wert, seine Tragik oder Komik. In einem meiner Lieblingscartoons, den ich jeden Abend zitiere, sagt Charly Brown „Eines Tages werden wir alle sterben“, darauf antwortet ihm Snoopy: „Ja, aber an allen anderen Tagen nicht.“ Viel wichtiger als unsere eigene kleine Existenz ist die Tatsache, dass wir gerade durch unseren Lebensstil das Überleben der Menschheit massiv riskieren. Wenn Ärzte Leben beschützen sollen, dann sollten viel mehr Ärzte laut und deutlich sagen: Klimawandel und Gesundheit hängen eng zusammen, heute schon und erst recht in der Zukunft. Mutter Erde hat Fieber und steht vor einem Multiorganversagen von Lunge, Kreislauf und Hirn – sprich die Luft ist dreckig, die Meere sind überfischt und übersäuert und die Artenvielfalt, also das Hirn der Evolution, haben wir schon zu über die Hälfte ausgelöscht. Und da hilft nicht weiter abwarten, sondern wie bei jedem Notfall massive Maßnahmen: raus aus den fossilen Brennstoffen, weniger Fleisch, weniger Fliegen, weniger Egoismus auf Kosten der kommenden Generationen, sondern mehr Lebensqualität und Gemeinwohl! (pdp)