Steckbrief: Christian Sievers

  • 10. Dezember 1969 geboren in Offenbach/Main
  • 1989 bis 1995: Studium der Rechtswissenschaften in Berlin und Freiburg
  • 1988 bis 1991: Reporter, RIAS Berlin
  • 10/2009 bis 08/2014: Leiter des ZDF-Auslands-Studios in Tel Aviv, Nahost-Korrespondent u. a. für Israel und die
    Palästinensergebiete
  • 09/2014 bis 09/2021: Moderator der 19-Uhr- „heute“-Sendung
  • seit 01/2022: Hauptmoderator des „heute journal“

Seit diesem Jahr gehören Sie neben Marietta Slomka zu den Hauptmoderatoren des heute-journals – wie stolz macht Sie das?

Christian Sievers: Stolz würde ich nicht sagen, ich habe großen Respekt vor der Aufgabe. Diese Sendung zu moderieren, ist Verantwortung und Verpflichtung zugleich. Und wenn das tolle Team wieder mal besonders gut zusammenarbeitet und die Nachrichtenlage nicht allzu düster ist, dann macht es auch viel Spaß.

Das heute-journal schalten täglich im Schnitt 4,15 Millionen Zuschauer:innen ein – macht Sie diese Zahl – auch als erfahrener Moderator, Reporter, Redakteur und Korrespondent – nervös?

Christian Sievers: Es hilft, sich einzelne Personen vorzustellen, und es hilft, dass man im Studio fast allein ist. Eine Millionen-Zahl ist ja schwer fassbar. Aber ich freue mich über alle, für die das „heute journal“ zum Tagesabschluss gehört. Und ich freue mich, wenn es noch mehr werden…

Wie bereiten Sie sich auf eine Sendung vor?

Christian Sievers: Telefonieren, diskutieren, Zeitung lesen, diskutieren, Twitter durchforsten. Und wieder diskutieren. Im Grunde ist es immer diese eine Frage: Was ist heute die Essenz des Nachrichtentages, und wie kannst du das so vermitteln, dass es die Zuschauerinnen und Zuschauer packt? 

Sie waren langjähriger Nahost-Korrespondent des ZDF und Reporter nach den Terroranschlägen in New York 2001 – welche Berichterstattung hat Sie an Ihre äußersten emotionalen Grenzen gebracht? Waren es die Terroranschläge, ist es der Krieg in der Ukraine?

Christian Sievers: Ich werde den Jungen nicht mehr vergessen, der in einer Hotelhalle in Charkiv Klavier spielt, während draußen die Bomben fallen, den Rentner auf der Suche nach etwas zum Heizen bei Kiew, der sich entschuldigt, es sei einfach so bitterkalt in seiner Wohnung und dann hemmungslos weint. Es gibt auch aus meiner Zeit als Korrespondent so viele Begegnungen, die sich eingebrannt haben. Dazu muss man kein Journalist sein, das ist einfach menschlich.

Es gibt Tage, an denen ich die schlechten Nachrichten einfach nicht mehr hören kann – der Krieg in der Ukraine, die seit nunmehr zwei Jahren andauernde Corona-Pandemie. Sie können dem nicht so einfach entfliehen. Wie versuchen Sie, Abstand zu gewinnen?

Christian Sievers: Viele Menschen reagieren da wie Sie. Ich kann das auch verstehen, glaube aber, dass es nicht hilft, sich vor Nachrichten zu verstecken. Im Gegenteil: Je mehr man über eine Situation weiß, je mehr Hintergründe man versteht, desto klarer kann man selbst eigene Entscheidungen treffen. Mir hilft es, informiert zu sein. Aber wir Nachrichtenleute müssen auch immer wieder und vielleicht noch viel stärker klarmachen, dass diese Welt eben nicht nur furchtbar schlechte Nachrichten hervorbringt. Dass es gerade in den dunkelsten Momenten auch unfassbare menschliche Größe und Stärke gibt. Dass es sich lohnt, dafür und daran zu arbeiten. Das hilft mir mehr als ein selbst verordneter Abstand, den ich als typischer „Newsjunkie“ sowieso nicht durchhalten könnte.  

Wie schwer ist es als Nachrichten-Moderator, die eigenen Emotionen zu verbergen?

Christian Sievers: Meine eigenen Emotionen haben in der Sendung keinen Platz, da bin ich Traditionalist nach BBC-Vorbild. Es hilft, manche besonders berührenden Beiträge vor der Sendung mehrmals anzusehen, damit sie einen live nicht überraschen und überwältigen.

Sie beschäftigen sich seit Wochen mit dem Russland-Ukraine-Konflikt, haben Sie erwartet, dass es einen Krieg gibt oder sind Sie genauso fassungslos über die nun herrschende Lage?

Christian Sievers: Wir hatten bereits in der Vergangenheit immer wieder die Frage: Wird Wladimir Putin wirklich einen großen Krieg beginnen? Das Thema war da und wurde auch diskutiert, die Indizien waren da, und dennoch sind wir am Ende alle überrascht worden. Ich auch. Da war sicher auch eine Prise Nicht-wahr-haben-Wollen mit dabei – die feste Überzeugung, dass so ein Krieg in unserer Zeit keinen Platz haben sollte und haben darf. 

In Zeiten von Fake News und gezielter Desinformation – wie wichtig empfinden Sie Ihre Aufgabe als Nachrichtenmoderator und Redakteur bei einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender?

Christian Sievers: Gerade in diesen Zeiten, in denen mehr Informationen zu haben sind als je zuvor in der Geschichte der Menschheit, und gleichzeitig immer unklarer wird, wer mit welcher Agenda jeweils dahintersteckt, halte ich ein System, in dem wir uns alle gemeinsam eine öffentlich-rechtliche Grundversorgung leisten, für essentiell. Ich habe den Eindruck, es wird gerade sehr vielen klar, wie wichtig freie und professionell recherchierte Informationen für unsere Gesellschaft und unser Leben sind. Nicht umsonst will jede Diktatur als Erstes die unabhängige Presse abschaffen.  

Wie schwer ist es, Nachrichten so rüberzubringen, dass sie alle verstehen und sich alle Zuschauer:innen angesprochen fühlen – der Paketbote genauso wie der Manager, die Ärztin genauso wie die Kassiererin an der Supermarktkasse?

Christian Sievers: Einfach zu formulieren ist schwer, hat mein erster Chef beim Radio immer gesagt. Aber es ist vielleicht die wichtigste Voraussetzung im Journalismus. Ich bemühe mich, im Fernsehen exakt so zu reden wie sonst auch. Und möglichst auszukommen ohne substantivierte Verben, Passiv-Konstruktionen und „bilaterale Konsultationen“.

Sie haben Jura studiert, sind aber zeitlebens in der Medienwelt zuhause. Als Jurist wollten Sie nie arbeiten? Gab es noch andere Berufswünsche?

Christian Sievers: Als Kind wollte ich mal Müllmann werden. Danach Journalist. Das hat sich dann nicht mehr geändert – und ich habe es nie bereut. 

Würden Sie mir zustimmen, dass Sie nun als Moderator des heute-journals beruflich alles erreicht haben? Oder haben Sie noch andere berufliche Träume?

Christian Sievers: Es gibt so viel zu sehen auf dieser Welt, so viel zu erfahren und erleben, so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Ohne Träume ist das Leben langweilig.

Und welche privaten Träume haben Sie noch?

Christian Sievers: Weißes Häuschen, türkisklares Meer, im Hintergrund eine windzerzauste griechische Flagge. Und die einzige Frage, die sich stellt: Ouzo oder Bier?