Die Altrheinarme bei Wörth, Hagenbach und Maximiliansau, die Hördter Auen, das Naturschutzgebiet Goldgrund – eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind malerisch, idyllisch und die Heimat abertausender Steckmücken. Nachdem im Mai zwei Hubschrauber der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V. (Kabs) ausgefallen waren, konnten nur 50 Prozent der Larvenbestände vernichtet werden. Besonders betroffen von der Mückenplage, die laut Kabs Ende Juni ihren Höchststand erreichen könnte, sind Wörth und Germersheim. Während der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Jung aufgrund einer „akuten Gesundheitsgefährung für die Bevölkerung“ von einem Katastrophenfall spricht, sieht die Kreisverwaltung Germersheim die Lage weniger dramatisch. Sind die Stechmücken nur lästig oder auch gefährlich?


Nachtflugverbot! – Das, was schon seit vielen Jahren laut von Anwohnern Flughafen naher Wohngebiete gefordert wird, lässt sich in der Insektenwelt wohl kaum durchsetzen. Von Begriffen wie „dramatisch“, „verheerend“ und „Katastrophe“ war in den letzten Wochen vermehrt in den Medien zu lesen und zu hören, wenn von der aktuellen Stechmückensituation an rheinischen Gewässern die Rede war. Kürzlich wurde sogar der Ruf nach einem Bundeswehreinsatz zur Bekämpfung der stechenden Plagegeister laut. 

Mückenabwehr-Spray ist zur Zeit empfehlenswert. (Foto: imago images/Jochen Tack)

Das Wetter in der Südpfalz schaffte in den vergangenen Wochen optimale Bedingungen für die gemeine Stechmücke. Und nach dem Ausfall von gleich zwei Hubschraubern zur Bekämpfung  der Mücken am Oberrhein konnten laut Kabs statt 95 Prozent nur 50 Prozent der Mückenpopulation getötet werden. 

Den Ruf des FDP-Politikers Jung nach einem Einsatz von Bundeswehr und technischem Hilfswerk in Richtung der Landesregierung schätzt Landrat Dr. Fritz Brechtel als nicht zielführend ein. „Die Auflagen, denen die Schnakenbekämpfung unterworfen ist, verbieten es, nicht eingewiesene Personen für die Bekämpfung einzusetzen. Auch aus ökologischer Sicht ist dies bedenklich.“

Dr. Thomas Gebhart, MDB und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Gesundheit, ist zudem zurückhaltend mit dem Begriff „Katastrophenfall“. „Schnaken können äußerst unangenehm sein, mit der Verwendung des Begriffs Katastrophe bin ich allerdings vorsichtig“, so Gebhart. 

Starke Mückenaufkommen am Oberrheingebiet sind nicht ungewöhnlich. Dies liegt daran, dass es hier im Durchschnitt wärmer ist als im Rest Deutschlands. Zudem gibt es am Rhein Überschwemmungsgebiete, die zur Massenentwicklung von Stechmücken führen können. Für gefährlich halte man die aktuelle Situation aber nicht, heißt es von Seiten des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. Die Stechmückenbekämpfung werde schon seit 40 Jahren durchgeführt – nicht, weil eine Gesundheitsgefahr bestehe, sondern weil die Bevölkerung an Gewässern häufig gestochen wird. Schon Johann Wolfgang von Goethe bekam die Folgen einer Stechmückenplage am Rhein am eigenen Leib zu spüren. Er schrieb nach einem Ausflug mit dem Ruderboot auf eine Rheininsel, dass es nicht des Erzengels Gabriel mit dem flammenden Schwert bedürfe, um die Menschen aus dem Paradies zu vertreiben, dafür seien sicher die gar fürchterlichen Stechmücken (…) verantwortlich.

Nicht nur freizeitliche Überlegungen, auch wirtschaftliche Gründe sprechen für eine umweltverträgliche Stechmückenbekämpfung. Vor allem im Gaststättengewerbe, bei Naherholungsanlagen, in der Tourismusbranche und auch in der Landwirtschaft will man den Plagegeistern nichts lieber als an den Kragen.

Die asiatische Tigermücke ist eigentlich in den süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen beheimatet. (Foto: WikiImages/Pixabay)

Bislang waren Mücken in Deutschland nur lästig. Durch die Globalisierung und den Klimawandel sind mittlerweile auch tropische Stechmücken bei uns heimisch geworden. „Ich finde es bedenklich, dass angesichts der seit Jahren geführten öffentlichen Diskussion über die Verbreitung der asiatischen Tigermücke und anderer invasiver Arten und der damit wachsenden Gefahr der Übertragung von Tropenkrankheiten wie Malaria oder Dengue Fieber offenkundig keinerlei Notfallpläne bestehen“, ärgert sich Dr. Dennis Nitsche, Bürgermeister der Stadt Wörth. Nitsche plädiert für ein flächendeckendes und schlüssiges Gesamtkonzept für Notfälle: „Die Kabs muss für derartige Szenarien Notfallpläne entwickeln, denn das, was Ende Mai passiert ist, darf nicht nochmals passieren.“ Sinnvoll wäre auch eine Verzahnung des Notfall-Managements der Kabs mit dem Katastrophenschutz im Landkreis Germersheim, so Nitsche weiter. „Dass jede Kommune einzeln in Aktionismus verfällt, macht überhaupt keinen Sinn, denn die Schnaken interessieren sich nicht für die Gemarkungsgrenzen.“

Das Risiko, dass mit dem Einzug der tropischen Stechmücken, gefährliche Krankheitserreger verbreitet werden, wird von dem Institut für Tropenmedizin als moderat bis gering eingeschätzt. In Deutschland sind bislang keine Fälle bekannt, in denen eingewanderte Stechmücken Krankheitserreger übertragen haben. 

Damit sich Krankheitserreger verbreiten, die von eingewanderten Mücken weitergegeben werden, müsste sich jemand im Ausland mit einer tropischen Krankheit infizieren, nach Deutschland reisen und sich dann in einem Zeitfenster von wenigen Tagen von einer eingewanderten Mücke stechen lassen. Und diese Mücke wiederum müsste einen anderen Menschen stechen. Diese Wahrscheinlichkeit ist gering – aber sie ist da. (pdp)