Südpfalz. „Guten Tag, der Rettungsdienst, von wo aus rufen Sie an?“ – Heute Vormittag ist es relativ ruhig in der Integrierten Leitstelle Landau – bei den Anrufern handelt es sich größtenteils um Personen, die einen Krankentransport benötigen. Auch ein paar Hosentaschenanrufe, also Anrufe, die aus Versehen und von dem Anrufenden meist unbemerkt getätigt werden, gehen ein. Täglich bearbeiten die Disponenten in der Integrierten Leitstelle Landau knapp 350 Einsätze, im Jahr 100.000 – über die 112 werden die Notrufe in die Zentrale in Landau geleitet. Nicht immer handelt es sich bei den Hilfeersuchen um tatsächliche Notfälle. Eine der freundlichen und hilfeleistenden Stimmen beim Notruf gehört dem 29-jährigen Christoph Köhler. Das PFALZ-ECHO hat einen spannenden Einblick in den Arbeitsalltag der Disponenten in der Integrierten Leitstelle Landau mit all seinen Höhen und Tiefen bekommen.

Es ist 10 Uhr am Morgen, die Telefonanlage in der Integrierten Leitstelle in der Landauer Haardtstraße klingelt regelmäßig vor sich hin. Christoph Köhler nimmt einen Notruf entgegen – ein Mann hat eine Frau auf einer Bank gefunden, die über starke Schmerzen im Bauch- und Brust raum klagt. Christoph Köhler möchte mit der Frau sprechen, um Genaueres über ihren Zustand zu erfahren. Während sie ihm unter Wimmern erzählt, dass die Schmerzen stechend und anhaltend seien, schickt Köhler mit einem Mausklick Rettungswagen und Notarzt zu der Frau – es könnte ein Herzinfarkt vorliegen. „Wenn wir Notrufe entgegennehmen, versuchen wir sofort die Gesprächsführung zu übernehmen und fragen den Anrufer, wo er sich befindet, wie er heißt und was passiert ist und das in dieser Reihenfolge“, erklärt der 29-jährige Disponent den Ablauf eines Telefonats in der Leitstelle. Während er die Daten in die Suchmaske eingibt, ploppt auf einem der vier Bildschirme vor Köhler eine Karte mit der Mobilfunkzelle bzw. dem Standort des Anrufers auf. Auf der Karte lässt sich auch in Echtzeit verfolgen, wo sich Rettungswagen und Notarzt befinden und wann sie am Einsatzort ankommen. Die Frau wird nun versorgt, später am Tag wird Christoph Köhler, der selbst eine Ausbildung als Rettungsassistent besitzt und ab und zu noch zu Einsätzen rausfährt, die Kollegen kontaktieren und erfragen, wie es der Frau geht. „Das mache ich nicht immer“, erzählt er auf Nachfrage, „aber manchmal, wenn Anrufe und Einsätze dramatisch sind oder es mich einfach interessiert, ob ich mit meiner medizinischen Einschätzung richtig lag, rufe ich die Kollegen noch einmal an.
„Dramatische Einsätze“ sind z. B. Herz- oder Atemstillstände. In solchen lebensbedrohlichen Situationen zählt jede Sekunde. Köhler und seine Kollegen geben den Anrufern in solchen Fällen Erste-Hilfe-Hinweise – lebensrettende Maßnahmen müssen schnellstmöglich erfolgen, notfalls auch durch Anleitung am Telefon. Die Erste-Hilfe-Hinweise sind im Einsatzleitsystem abgespeichert. Erst vor zwei Wochen hat Köhler einen Vater über das Telefon angeleitet – sein zweijähriges Kind hatte einen Gegenstand verschluckt und ist blau angelaufen. Mit Hilfe von Köhler‘s telefonischer Anleitung konnte der Vater die Atemwege des Kindes befreien. Wenn der Vater keine Erste Hilfe geleistet und nur auf den Rettungswagen gewartet hätte, wäre dieser Notfall vielleicht nicht so glücklich ausgegangen.

Christoph Köhler bei der Arbeit. (Foto: pdp)

In den Sommermonaten stiegen die eingehenden Notrufe aufgrund von Kreislaufbeschwerden, Herzinfarkten und Schlaganfälle rapide an, so der 29-Jährige. Leider sei zurzeit jedoch auch die Zahl der vermeintlichen Notfälle – unabhängig von der Jahres- und Uhrzeit – auf einem Rekordhoch. „Die Leute wählen die 112, wenn der Strom ausgefallen ist, das Internet nicht funktioniert oder sie Hilfe beim Erwärmen des Babyfläschchens brauchen“, zählt Christoph Köhler die klassischen Hilfeersuchen auf. In Zeiten, in denen jeder Disponentenplatz besetzt ist und die Telefone ununterbrochen klingeln, belegen diese Anrufer eine vielleicht lebensrettende Leitung. Das sei ein großes Problem, auch wenn Köhler etwas grinsen muss, als seinen Kollegin, die einen Tisch hinter ihm sitzt, einem Anrufer freundlich, aber bestimmt erklärt, dass die Leitstelle nicht helfen kann, wenn die Toilette übergelaufen ist. „Manchmal sind unsere täglichen Herausforderungen auch ein bisschen verrückt“, schmunzelt Köhler. Die Unselbstständigkeit der Bevölkerung habe in den letzten Jahren stark zugenommen. In jeglichen Lebenssituationen suchten die Menschen Hilfe beim Notruf, erzählt auch Matthias Bruhne, Leiter der Integrierten Leitstelle Landau. „Ca. 40.000 Hilfeersuchen, die jährlich bei uns eingehen, führen nicht zu einem Einsatz – das ist eine Steigerung von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr!“, so Bruhne weiter. Dabei sollte die 112 nur gewählt werden, „wenn eine lebensbedrohliche Situation vorliegt“. Wenn man sich versehentlich Daheim ausschließe, sollte also ein Schlüsseldienst kontaktiert werden und nicht der Rettungsdienst.

Gegen Mittag telefoniert Christopher Köhler noch einmal mit den Einsatzkräften, die am Morgen die Frau mit den starken Schmerzen versorgt haben – Entwarnung: Es war kein Herzinfarkt.