Krisen können jeden in jeder Lebensphase treffen. Probleme in der Partnerschaft, Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, Arbeitsplatzverlust, Sucht, Krankheit, Einsamkeit oder Sinn- und spirituelle Krisen. Dann hilft es, sich jemandem anzuvertrauen. Wer niemanden in seiner Nähe hat, kann die ausgebildeten ehrenamtlich Mitarbeitenden der Telefonseelsorge anrufen. Unter den Telefonnummern 0800-1110111, 0800-1110222 sowie 0800-116123 sind sie aus dem deutschen Festnetz und dem Mobilfunknetz rund um die Uhr gebührenfrei erreichbar. Wer sind diese Helfer? Wie kann man selbst mitmachen? 

Telefonseelsorge (Foto: Freepik)

Als einzige Einrichtung in Deutschland bietet die Telefonseelsorge seit 1956 Tag und Nacht ein telefonisches Gesprächsangebot für Menschen in Krisen an. Die Mitarbeiter wissen nicht, wer anruft, sehen auch keine Telefonnummer, und melden sich selbst unter einem Decknamen. „Es rufen sowohl Menschen an, die versuchen ihren Alltag zu bewältigen, als auch Menschen, die sich in Extremsituationen wie z.B. akuter Suizidgefährdung befinden“, erläutert Peter Annweiler von der Telefonseelsorge Pfalz. Um belasteten Menschen offen begegnen zu können und sich selbst vor Überforderung zu schützen, sind bestimmte Voraussetzungen nötig, insbesondere Einfühlungsvermögen, Selbstwahrnehmung, Belastbarkeit, Teamfähigkeit. 

Wer Interesse hat, sich zu engagieren, bekommt einen Bewerbungsbogen und ein Informationsblatt zugeschickt. Aufgrund des ausgefüllten Bewerbungsbogens wird man gegebenenfalls zu einem Kennenlerngespräch eingeladen. Wenn bei den Auswahlgesprächen ca. 15 Bewerber gefunden sind, kann ein neuer Ausbildungskurs starten. In Mannheim hat nach Auskunft von Esther Ziegler vom Sekretariat der Telefonseelsorge Rhein-Neckar am 20. Oktober ein gut besuchter Infoabend stattgefunden. „Das Interesse ist zurzeit erfreulich hoch. Der im Februar 2021 startende Kurs ist ausgebucht.“ In Kaiserslautern (Telefonseelsorge Pfalz) hat gerade ein Ausbildungslehrgang begonnen. 

Bei der Telefonseelsorge Karlsruhe wird es nächstes Jahr Sommer, bis eine neue Ausbildungsgruppe beginnt, schätzt Meike Terner-Doll von der Geschäftsstelle der Diakonie. „Wir suchen immer. Es scheiden jedes Jahr einige aus, z.B. aus Altersgründen. Das müssen wir laufend auffüllen. Je mehr Mitarbeiter, desto einfacher ist es, die Dienstzeiten zu besetzen.“ Bei ihrem Dienst sitzen die Mitarbeiter in einem wohnlich eingerichteten Raum.

Die Ausbildung dauert ein bis eineinhalb Jahre und hat einen Umfang von ca. 200 Stunden. Die Gruppe trifft sich wöchentlich zu Sitzungen von 2,5 Stunden. Zusätzlich finden zwei Ausbildungswochenenden und zwei Ausbildungstage statt. In der Praxisphase hospitieren die Auszubildenden 30 Stunden am Telefon. 

Die Ausgebildeten leisten ca. 15 Stunden im Monat Dienst, teilweise an Wochenenden und alle zwei Monate in der Nacht. Sie verpflichten sich zum Schweigen über Anrufe und deren Inhalte..„In der Pfalz haben wir 85 Mitarbeiter. Die braucht man im Durchschnitt, um eine Telefonseelsorgestelle am Chat und am Telefon rund um die Uhr zu besetzen“, sagt Annweiler. „Es sind Frauen und Männer aus unterschiedlichen Altersgruppen, in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen, mit den unterschiedlichsten Berufen, in Rente oder ohne Beruf.“ 

Die Telefonseelsorge Pfalz ist in gemeinsamer Trägerschaft der Diözese Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz. Das Leitungsteam besteht aus Peter Annweiler, Evangelischer Pfarrer und Systemischer Berater, Astrid Martin, Diplom-Pädagogin, und Ursula Adam, Diplom-Psychologin und Theologin, beide von der Katholischen Kirche. Zusätzlich zur Telefonseelsorge gibt es die Beratung per Chat, ein Medium, das in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Seit 25 Jahren bietet die Telefonseelsorge auch Chats an. Die meisten ratsuchenden Chatter sind zwischen 15 und 39 Jahren alt. 73 Prozent sind weiblich.

Überwiegend Frauen nutzen das Angebot der Telefonseelsorge. (Foto: Freepik)

Während der strengen Corona-Beschränkungen (März, April) hat sich die Zahl der Anrufe bundesweit deutlich erhöht. Von durchschnittlich 2.500 in normalen Zeiten auf 3.200 pro Tag. 40 Prozent der Gespräche drehten sich um Corona. Das Thema Einsamkeit ist wochenlang 50 Prozent häufiger angesprochen worden. (ebl)

Pfalz-Echo

Share
Published by
Pfalz-Echo

Recent Posts

SÜW singt!

Steinfeld. Erstmals beteiligt sich der Landkreis Südliche Weinstraße an der deutschlandweiten Aktion „Deutschland singt und…

2 Jahren ago

50-jähriges Jubiläum

VG Hagenbach. Die Musikvereine der Verbandsgemeinde Hagenbach feiern gemeinsam mit der Verbandsgemeinde Hagenbach vom 30.…

2 Jahren ago

Dritte Runde

Landau. Heute schon an Weihnachten denken: Die städtische Jugendförderung plant auch für dieses Jahr die…

2 Jahren ago

Gut zu wissen

Landau/SÜW. Da sich die Rechtslage bundesweit zum 1. Oktober ändert, weist das gemeinsame Gesundheitsamt des…

2 Jahren ago

Markus Eisel: „Ich bin überzeugt, dass wir zum richtigen Zeitpunkt aufhören“

Du lässt ein großes Stück Firmengeschichte gehen. Wie geht es dir gerade im Moment? Markus…

2 Jahren ago

Breites Spektrum der Versorgung

Kandel. Das Asklepios MVZ Rheinland-Pfalz bietet mit seinen zwei Standorten in Kandel und Germersheim eine…

2 Jahren ago