Faire Wettbewerbsbedingungen und mehr Wertschätzung

Seit einigen Monaten bereits protestieren Landwirte für eine Wende in der Agrarpolitik. Was sind die Hintergründe? Wie geht es den Südpfälzer Bauern? Das PFALZ-ECHO hat nachgefragt

Viele Bauern engagieren sich bereits jetzt freiwillig für Umwelt- und Artenschutz, beispielsweise, indem sie Blühstreifen oder Lerchenfenster auf den Feldern integrieren. Thomas Knecht zeigt wie ein solches Lerchenfenster auf seinem Weizenfeld aktuell aussieht. Hintergrund: Die Vögel nisten gerne zwischen den Ähren, brauchen aber auch ein freies Stück Fläche zum Landen und Starten. (Foto: hea)

Herxheim. Klima, Grundwasser, Artenvielfalt, Nachhaltigkeit, Tierwohl: Auf den Landwirten lastet zurzeit ein immenser Druck. Sie werden in der Gesellschaft für einiges verantwortlich gemacht und von der Politik vor schwierige Aufgaben gestellt. Seit einigen Monaten schon gehen sie deswegen immer wieder auf die Straße und protestieren. Ende November fand die bisher größte Demonstration in Berlin statt – mit über 10.000 Teilnehmern und 7.000 Traktoren verschafften sich die Landwirte Gehör. In der Kritik steht aktuell vor allem das kürzlich vorgestellte Agrarpaket der Bundesregierung. Der Herxheimer Thomas Knecht kennt sich mit den Themen rund um die Landwirtschaft aus, wie fast kein anderer in der Südpfalz. Er stammt aus einer klassischen Bauern-Familie: Vater, Großvater, Onkel, Cousin, sie alle waren oder sind ebenfalls in der Landwirtschaft tätig. Knecht leitet aber nicht nur den Familienbetrieb, er engagiert sich auch in zahlreichen Vereinen und Verbänden. Unter anderem ist er stellvertretender Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbands RLP e. V./SÜW. Außerdem war er in den letzten Wochen bei einigen Demonstrationen dabei. Er sagt: „Das Problem der aktuellen Agrarpolitik ist, dass man mehr über die Landwirtschaft spricht als mit ihr.“ Die Bauern seien bei vielen Umweltthemen die Sündenböcke, obwohl sie nicht (haupt-)verantwortlich seien. Knecht nennt beispielsweise das Thema Nitratbelastung.

Ein sehr komplexes Thema, führt Knecht aus: „Natürlich sind wir für einen Teil der Belastungen verantwortlich, aber was ist mit Nitrataustragungen von Kläranlagen?“ Hinzu komme, dass die Messmethoden innerhalb der EU extrem unterschiedlich seien, aber die Auswertung für alle gleich durchgeführt werde. Es sei nicht fair, dass die deutschen Landwirte das alleine ausbaden müssten.

Das Kaufverhalten der Verbraucher wird sowohl von der Politik als auch von der Landwirtschaft kritisiert. (Foto: freepik)

Ein weiteres Beispiel: Importierte Lebensmittel aus Südamerika z.B. unterliegen niedrigeren Standards als deutsche oder europäische Produkte. Das verzerre natürlich den Wettbewerb, so Knecht. Diese Produkte können im Supermarkt deutlich günstiger angeboten werden als regionale Lebensmittel. Das sei ein großes Problem, das dringend angegangen werden müsse. Seine Forderung: „Lebensmittel, die in Deutschland angeboten werden, müssen auch nach deutschen Standards produziert werden.“

Überhaupt spielt der Verbraucher beim Konflikt zwischen Politik und Landwirtschaft eine Schlüsselrolle: Die Bereitschaft, für hochwertige, nachhaltige, regionale Produkte mehr Geld auszugeben, sei zu gering. Thomas Knecht ist sich sicher: „Eine auffälligere Kennzeichnung hätte kaum einen Effekt. Die meisten Kunden wählen prinzipiell das günstigere Produkt.“ Wichtiger sei es deswegen schon viel früher anzusetzen. Die Wertschätzung der Arbeit in der Landwirtschaft müsse gesteigert werden, das Image der Bauern verbessert. „Dass in Schulen Kinder, die aus Familien mit Landwirtschaftsbetrieben stammen, gemobbt werden, ist doch erschreckend!“, nennt Knecht ein Beispiel. Das Bild, das in Schulen von Landwirtschaft vermittelt wird, sei extrem veraltet: Ein Bauer, der sich um seine zehn Schweine kümmert, die Kuh per Hand melkt und 20 verschiedene Gemüsesorten anbaut, sei längst nicht mehr realistisch. Aber durch solche Bilder entstünden auch falsche Erwartungen in der Gesellschaft, die am Ende ja nur enttäuscht werden können.

Bei einer Konferenz im Kanzleramt Anfang Dezember hatten Vertreter von 40 verschiedenen Landwirtschaftsverbänden die Möglichkeit, sich mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und der zuständigen Ministerin Julia Klöckner auszutauschen. Die Politik geht also auf die Landwirte zu und bezieht sie ins Gespräch mit ein. Eine der zwölf festgehaltenen Aufgaben betrifft die Kultusministerkonferenz und hat das Ziel, das Bild der Landwirtschaft, das in Schulen vermittelt wird, zu verbessern. Wirklich zufrieden zeigt sich Thomas Knecht mit dem Engagement der Bundesregierung aber auch nach der Konferenz allerdings nicht. Unter anderem bemängelt er, dass zahlreiche wichtige Verbände aus der Landwirtschaft gar nicht eingeladen wurden – unter anderem war kein Vertreter vom Verband der Zuckerrübenanbauer anwesend.

Es bleibt also abzuwarten, ob sich der Dialog zwischen Politik und Landwirtschaft entspannt – und ob auch bei den Verbrauchern ein Umdenken zu erreichen ist. (hea)

40 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt Thomas Knecht inzwischen im Büro für Verwaltungsarbeiten und Dokumentationen. (Foto: hea)