Der 26-jährige Firas Alshater ist stolz auf sein erstes Buch. (Foto: Lutz Jaekel)

Landau. Firas Alshater ist ein syrischer Youtube-Star, Autor, Aktivist, Filmemacher und ein Flüchtling in Deutschland. Mit Humor tritt er dem Hass und dem Krieg, die er in Syrien erlebt hat, entgegen und versucht seine Erlebnisse so zu verarbeiten. Lange Zeit saß Firas in einem syrischen Gefängnis, weil er gegen das Assad-Regime demonstrierte. Er wurde verhört und gefoltert, kein Sonnenlicht, keine Dusche. Die Wunden sind tief – physisch und psychisch.

Redakteurin Patrizia Di Paola traf den lustigen Youtuber aus Syrien. (Foto: privat)

Jetzt war Firas Alshater im Rahmen der 33. Landauer Büchereitage zu Gast in der Pfalz und berichtete von seinen Erlebnissen, seinem Buch und seinem Youtube-Kanal, der ihn in Deutschland  berühmt gemacht hat.

Im Mai 2013 erhielt der heute 26-Jährige ein „echtes“ Schengenvisum, um an einem Filmprojekt einer deutschen Produktionsfirma mitzuarbeiten. Er sagt ganz bewusst „ein echtes Schengenvisum“, weil weder seine Familie noch er damals erst glauben konnten, dass es sich bei dem Visum eben um eine echtes handelte. „Es bewies: Ich kam, um zu arbeiten, und ich durfte das“, erinnert Firas sich. Ein Freund von Firas hat an dem Film „Inside Syria“ gearbeitet. Während der Dreharbeiten in Syrien wurde er von einem Granatsplitter getroffen und starb. Die fehlenden Szenen drehte Firas im Kriegsgebiet. Dann wurde er nach Deutschland eingeladen, um das Material zu sichten, zu schneiden und an der Fertigstellung des Films mitzuarbeiten. In ein paar Szenen sollte er sogar selbst vor die Kamera.

„Nach der Flucht aus Syriens Hölle werde ich zum Youtube-Star“

Heute, vier Jahre später, zuckt der junge Syrer immer noch zusammen, wenn er einen herannahenden Helikopter hört. In Syrien bedeutet der Klang eines Helikopters Tod und Vernichtung, berichtet Firas. Dass ein Hubschrauber in Deutschland geschickt wird, um Menschen zu retten, sei für ihn immer noch schwer zu verstehen. In seinem Buch berichtet er, die einzige „Gewalt“, die ihm in Deutschland begegnet ist, sei eine Kissenschlacht von Studenten gewesen.

Ein Buch, das einen zum Lachen, Nachdenken und Weinen bringt. (Foto: pdp)

Deutsche Polizisten beschreibt der Syrer als „putzig“. Diese versuchten immer, böse dreinzublicken. Aber richtig Angst machten ihm nur die syrischen Polizisten.

„Was ist für dich typisch deutsch?“, möchte eine Besucherin der Büchereitage von Firas wissen. Seine Antwort kommt prompt: „Die Deutschen lieben Papier.“ Das erste, was er von einem Deutschen hörte, als er im Mai 2013 den Flughafen Tegel betrat, war: „Papiere, bitte!“ Manchmal habe er das Gefühl, dass Papiere wichtiger sind, als Menschen. Da gebe es keinen Unterschied  zwischen Deutschland und Syrien: „Hast du kein Papier , dann bist du gar nicht hier!“ Aber in Deutschland würde er wenigstens nach der Frage nach den Papieren nicht beleidigt und auch nicht geschlagen – anders in Syrien.

Sogar auf dem stillen Örtchen verfolgt ihn des Deutschen Leidenschaft für Papier. Dass sich die Europäer nach dem Toilettengang nur mit einem Stück Papier säubern, kann er nicht verstehen. In Syrien brausen sich die Menschen nach dem Toilettengang unten rum ab.

Neben dem Faible für Papier ist für Firas der Satz „Du sprichst sehr gut deutsch“, typisch deutsch. Das gleiche gilt für den Satz „Du bist sehr gut integriert“, erzählt er im Rahmen seines Vortrags.

„Das Chamäleon kann seine Farbe wechseln, ohne sich selbst zu verleugnen“

Besonders in Erinnerung geblieben ist Firas in seiner ersten Zeit als Flüchtling in Deutschland der Moment, als er den ersten Brief in seinem Leben bekam. Darüber schreibt der 26-Jährige auch ausführlich in seinem Buch. Der Brief war auf deutsch geschrieben … blöd nur, dass er als Flüchtling ohne Aufenthaltsgenehmigung keinen Sprachkurs besuchen durfte. Nach langem Hin und Her konnte ihm endlich jemand sagen, was die kryptischen Zeichen in dem Brief bedeuteten: Es handelte sich um seine Steuernummer. Blöd nur, dass Firas als Flüchtling ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht arbeiten durfte. Dennoch beschreibt Firas den Erhalt seiner ersten Briefsendung im Leben als „ein geiles Gefühl“.

Firas hat sich ein Chamäleon auf den Hals tätowieren lassen, er trägt ein Unterlippenpiercing und um den Hals hängt ein Bartkamm – ohne diesen verlässt er seine Wohnung nicht. Für „Die Bartei“ wirbt er auf seinem Facebook-Profil mit dem Slogan „Yes we Kämm“. Man neigt dazu, ihn als Hipster zu bezeichnen. Auf die Frage, wie er sich selbst bezeichnen würde, antwortet er knapp: „Als Mensch“. Auf mich wirkt er jedenfalls wie ein Mensch mit sehr viel Humor. Geboren und aufgewachsen in Damaskus hat Firas viel Leid gesehen, im Gefängnis bekam er Gewalt am eigenen Leib zu spüren. Als Siebenjähriger erkrankte er an Leukämie. Heute sagt Firas „Humor ist nicht alles, aber alles ohne Humor ist nichts.“ Und auf seinem Facebook-Profil schreibt er „Die Zukunft braucht mehr Humor und einen, der mit euch lacht.“ Es scheint als würde der Syrer mit Humor dem Hass auf der Welt entgegentreten wollen.

„Ich wollte immer nur Firas sein“

In seinem Buch erzählt Firas, dass er als Kind immer davon geträumt hat, Flüchtling in Deutschland zu werden. Der zweite Traum war der von einer Schauspielkarriere. In Syrien sei es aber sehr schwer gewesen, auf einer Schauspielschule aufgenommen zu werden. Man brauchte gute Beziehungen und die habe er nicht gehabt. Deswegen hat er nach der Schule erst einmal angefangen, Arabisch-Unterricht für Ausländer in Syrien zu geben. Als er dann vor vier Jahren in Deutschland angekommen ist, war auch nicht an eine Schauspielkarriere zu denken. Schließlich musste er an dem Filmprojekt arbeiten. Und dann wusste er nicht, wie lange er in Deutschland bleiben dürfe. Und drittens habe er ja auch kein Wort Deutsch gesprochen.

Ich frage mich, warum sich viele Asylbewerber so schwer tun, die deutsche Sprache zu lernen. Firas nennt in seinem Buch gleich mehrere Gründe, die mir einleuchtend erscheinen: Grund eins ist, dass sie es nicht dürfen. Zumindest war es 2013 so, dass man ohne Asyl keinen Sprachkurs besuchen durfte. Grund zwei sei, dass es nicht sehr motivierend sei, eine fremde Sprache zu lernen, wenn man nicht einmal weiß, ob man in dem Land bleiben darf. Grund drei, der das Erlernen einer fremden Sprache fast unmöglich mache, sei die fehlende Privatsphäre in einem Flüchtlingsheim. Und der gewichtigste Grund: Deutsch sei einfach eine hammerschwere Sprache. Am schlimmsten empfinden Araber laut Firas die Liebe der Deutschen zu Umlauten wie „au“, „eu“, „ä“, „ü“ – wieder eine Leidenschaft der Deutschen, neben dem Papier.

Zum Ende des Vortrags bleibt noch Zeit für Publikumsfragen: „Firas“, möchte eine junge Frau aus einer der hinteren Reihen wissen, „was war das erste typisch deutsche Gericht, das du gegessen hast?“ „Döner“, lacht der sympathische Syrer. (pdp)