Steckbrief

Mundstuhl 

Comedy-Duo aus Frankfurt am Main 

Lars Niedereichholz, geboren 1968, und Ande Werner, geboren 1969

Treten bereits seit 1996 unter dem Namen Mundstuhl auf 

Wurden vor allem durch die kiezdeutsch sprechenden Figuren Dragan und Alder bekannt

Euer aktuelles Programm nennt sich ja „Flamongos“. Meine erste Frage: Was würdet ihr denn sagen, wer ist denn der größere Flamongo von euch beiden? Lars oder Ande?

Lars: Ande! (Beide lachen)

Ande: Nein, Lars ist ja allein körperlich schon viel größer als ich, so 2 cm oder so. Also ich würde sagen, der Lars, ganz klar! 

Lars: Wir beide sind ja die einzigen existierenden Flamongos auf der Welt. Das mussten wir uns jetzt eingestehen, wir waren ja auf der Suche nach weiteren, vor allem weiblichen, Flamongos, um die Spezies zu sichern, quasi, um… 

Ande: … eine genetische Vielfalt zu generieren!

Lars: Das wäre zwar schwierig gewesen, wenn wir nur ein Weibchen gefunden hätten, aber nicht mal das! Wir haben nicht mal ein einziges Flamongo-Weibchen getroffen, und somit waren wir da auf uns gestellt. 

Ande: Unsere Art stirbt aus! 

Lars: Man muss jetzt nicht ins Detail gehen, aber alle Konsequenzen, die das auf jeder Ebene hatte, mussten wir zu zweit stemmen. Man kann gar nicht sagen, wer von uns der größere Flamongo ist, wir sind beide welche, und zwar die letzten! Nicht die größten, aber die letzten. 

Momentan ist es ja so: Wir können alle regelmäßig auf Konzerte gehen und Shows anschauen. Wie war denn die Corona-Zeit für euch, ihr musstet sicher auch einige Auftritte verschieben oder absagen? Wie habt ihr die Zeit genutzt oder erlebt?

Ande: Man konnte die Zeit ja nicht groß nutzen. Ich kann nur für mich sprechen, ich habe in diesem siebenmonatigen Lockdown öfter nur rumgelegen. Wir durften nicht arbeiten, klar, wir haben um die 40 Shows verschieben müssen, das war voll ätzend! Das hat gar keinen Spaß gemacht, es hat sich angefühlt wie eine staatlich verordnete Depression. Am schlimmsten war das Wieder-Anlaufen, man verlernt ja auch das Arbeiten! Sich da wieder zu motivieren und sich zu sagen „Weiter geht’s“. Das macht mir natürlich jetzt einen Riesenspaß, wir haben die letzten beiden Wochenenden zwei Open-Airs gespielt, das ist der Hammer! Es macht so einen Spaß, wieder ganz normal vor Leute zu treten und seinen Job machen zu können. 

Lars: Man muss auch sagen, es war einfach ein bisschen traurig: Im Jahr 2019, also vor dem ganzen Mist, hat man gemerkt, das Programm kommt extrem gut an! Es ist eins unserer stärksten Programme, in dem Jahr war alles komplett ausverkauft. Die Leute waren total begeistert, und sowas dann faktisch abbrechen zu müssen wegen der äußeren Umstände, das war schon bitter. Und umso schöner ist es, dass wir jetzt einige Termine nachholen können, bevor im Herbst ja schon das neue Programm kommt. 

Genau, „Kann Spuren von Nüssen enthalten“, nicht wahr? Wir sind auf jeden Fall froh, dass wir euch dann im Herbst in Kandel auf dem Stadtfestival erleben dürfen. Wir sehen euch da aber mit dem aktuellen Programm, „Flamongos“?

Lars: Ja, das ist auf jeden Fall „Flamongos“, für das Neue gibt es ja dann einen Tourauftakt, einen Startschuss und Vorpremieren. Euch erwartet auf jeden Fall Flamongos, weil’s eben auch geil ist! 

Da freuen wir uns! Ihr hattet in eurem Künstlerleben ganz viele verschiedene Rollen. Würdet ihr sagen, dass ihr eine für euch als die Liebste definieren könnt?

Lars: Nee, um ehrlich zu sein, man kriegt ja Fragen häufiger gestellt, und mein einziges Bild was ich dafür bemühen kann, ist sehr hoch aufgehängt, weil ich selbst keine Kinder habe. Aber das ist vermutlich, wie wenn man vier Kinder hat und gefragt wird: „Welches Kind ist dir denn am liebsten?“ Eigentlich sind sie einem ja alle gleich lieb und so ist es mit unseren Charakteren. Wir haben die ja alle entwickelt, weil wir sie cool fanden und deshalb ist es ein bisschen schwer zu sagen. Das wechselt auch, auch innerhalb eines Programms, mal sind es Dragan und Alder, mal sind es Peggy und Sandy, wenn der Block besonders gut geworden ist. Daher kann ich das nicht so beantworten, was mir die liebste Rolle war. 

Ande: Ich seh’s genauso. Aber wir haben im neuen Programm zwei relativ neue Charaktere, Sickroy und Fried, zwei Zauberer aus Las Vegas, die unfassbare Zaubertricks auf der Bühne machen, und die mag ich schon besonders momentan. Aber das kann nach drei, vier Monaten auch wieder wechseln. 

Ja klar, das kann ich mir vorstellen. Es kommt auch auf die Tagesform an denke ich. Ihr seid ja seit 1998 im Geschäft… 

Ande: 1996 sogar! Ja, 1998 kam die erste CD, aber wir sind aktiv seit 1996. Wenn man es wörtlich nimmt mit „Im Geschäft“, ging es 1998 dann richtig los. 

Lars: Ja, mit Major Deal und der Platte, die sich 200.000 Mal verkauft hat. Ich sage mal, seit 1998 werden wir wahrgenommen. 

Ande: Aber seit 1996 gibts uns! 

Könntet ihr sagen, dass ihr ein Highlight hattet in all den Jahren, etwas, von dem ihr sagt: Das war richtig geil, das gibt es nicht noch einmal?

Lars: Da gibt es zu viele! 

Ande: Da gibt es auch zu viele Ebenen, zum Beispiel haben wir mit RTL eine reine Filmreihe gemacht, Crazy Race, und der vierte hieß „African Race“ und da sind wir tatsächlich drei Wochen in Südafrika gewesen und haben gedreht. Wir hatten eine sehr gute Work-Life-Balance, also Ich sag mal, wir hatten eine Woche zu tun und zwei Wochen hatten wir frei und da wir natürlich nicht hin- und hergeflogen werden konnten, waren wir dann in diesem echt geilen Hotel in Kapstadt. Aber, wenn wir jetzt von den Live-Auftritten sprechen, war es natürlich auch ein Highlight, auf der Hauptbühne von Rock am Ring und Rock im Park zu spielen, weißt du, das ist sehr vielschichtig.

Lars: Auch mit dem aktuellen Programm von 2019 gab es unheimlich viele Highlights, wie das ausverkaufte Theaterhaus Stuttgart. 

Ande: Es ist schwer, ein Highlight rauszusuchen… 

Lars: Ja, das geht eigentlich nicht, dafür gibt es zu viele tolle Sachen, die da passiert sind. 

Ihr seid ja auch sehr vielschichtig. Jetzt stellt sich die Frage, wenn es schon so viele coole Dinge gab, habt ihr noch Ziele, für eure berufliche Seite oder auch privat? Etwas, von dem ihr sagt, da möchte ich gerne mal hin! 

Ande: Ja klar, ich sag mal ich möchte gerne nochmal, vielleicht nicht in Südafrika, aber generell, einen Film drehen. Etwas, wo man gar nichts zu tun hat, man bekommt die Texte geschrieben, muss sich vor die Kamera stellen und den Text halbwegs auswendig können. Das hat einen Riesenspaß gemacht. Was wir uns vorgenommen haben für 2024 ist, weniger zu arbeiten. Lars und ich, wir sind dann Mitte 50, man muss ja nicht mehr so tun, als wäre man Mitte 30. Um ganz ehrlich zu sein, mein Vater ist mit 74 gestorben, das wären ab jetzt dann noch 20 Jahre. Ich will einfach so viel nicht mehr arbeiten. Das haben wir uns auch in den Tourplan geschrieben. 

Lars: Wir wollen im Grunde noch mehr auf die Highlights gehen. Das heißt nicht, dass wir uns irgendwie zurückziehen, aber es gibt einfach so ein paar Sachen, die muss man nicht mehr machen, wenn sie nicht so viel Spaß machen. Beispielsweise das Stadtfestival in Kandel, da freut man sich drauf und auf solche Städte, in denen wir gern sind, werden wir uns konzentrieren. Das sind keine riesigen Ziele, denn es ist richtig: Wir haben wahnsinnig viel gesehen und erreicht. Und jetzt geht es darum, Mundstuhl im Detail noch schöner zu machen. 

Ande: Für uns! Ich kann mich dran erinnern, dass wir mal neun Tage am Stück gespielt haben, jeden Abend eine andere Stadt, und dann noch ein Fernsehauftritt dazwischen. Heute haben wir uns gesagt, wir machen nicht mal mehr Viererblöcke. Wir wollen halt auch Spaß an der Arbeit haben, und wenn man dann am achten Tag nur noch rekapituliert, was man die anderen Tage davor gemacht hat… 

Lars: Das merken ja die Leute auch. 

Ande: Genau, und wir wollen einfach frisch im Kopf bleiben, deshalb haben wir gesagt, wir machen nur noch drei Gigs am Stück, maximal, und das ziehen wir jetzt durch. Wir wollen, was Lars grad sagt, solche Highlights, die wir gern spielen, wo wir wissen, das macht uns mehr Spaß.

Ihr selektiert also nach dem, was wirklich wichtig ist. 

Ande: Und was wirklich Spaß macht, wir wollen nach dem Spaßprinzip leben. Möglichst wenig, was einem auf den Sender geht.

Lars: Die letzten zwei Jahre ist einem genug auf den Sender gegangen. 

Jetzt geht‘s ans Genießen. 

Lars: Das hört sich so ein bisschen nach Rente an. Es geht im Grunde darum, den Workflow in der Firma noch ein bisschen zu verbessern. 

Es gibt sicher viele Leute, die ihre Rente überhaupt nicht genießen können, weil sie nie gelernt haben, wie genießen geht, deswegen glaub‘ ich, dass es gut ist, das vorher zu können.

Lars: Ich glaube nicht, dass wir mal beschließen, in Rente zu gehen. Ich glaube, dass das bei so Leuten wie uns immer weitergeht, bis man halt stirbt. Ich glaube nicht, dass wir in zehn oder 15 Jahren mal sagen, komm, jetzt lassen wir es ganz sein! 

Ande: Das sieht man ja auch bei den ganzen Kollegen aus Amerika. Das macht ja auch abhängig, auf der Bühne zu stehen und sich die Bestätigung von den Leuten abzuholen. 

Lars: Ich glaube, dass es vielleicht irgendwann den Punkt gibt, wo man sich etwas eingestehen muss. Kiss macht jetzt die letzte Tour, und klar, wie lange sollen die auf der Bühne stehen? Sollen die sich mit 80 noch anmalen und versuchen, einen Spagat zu machen? Das geht halt nicht, irgendwann wird’s vielleicht ein bisschen lächerlich. 

Ande: Aber nur bei Bands. 

Lars: Genau, Onkel Jürgen muss jetzt auch aufhören. Jürgen Drews meine ich, der wird jetzt auch 80. Aber das ist dann auch eher gesundheitlich bedingt. 

Ich glaube, wenn man einen Beruf mit Leidenschaft macht, gibt es auch keinen Grund, auf die Rente hinzufiebern. 

Ande: Wie du sagst, uns macht es ja Spaß, und man muss nichts gewollt beenden, was einem Spaß macht, da wär man ja bescheuert! 

Ihr macht ja viel Comedy, aber den ganzen Tag witzig sein kann sicher auch sehr anstrengend sein. Was macht ihr denn als Ausgleich?

Ande: Lars macht ziemlich viel Sport und ich spiele gern Skat. Ich treffe mich montags mit meinen Skatbrüdern, wenn es zeitlich passt. Und mittlerweile ist auch Spazierengehen mein Ausgleich, ich gehe eine Dreiviertelstunde spazieren am Tag. 

Lars: Ach, das sind sehr alltägliche Sachen, die man so macht. Ich mache tatsächlich gerne Sport, aber war jetzt coronabedingt ein wenig ausgebremst. Ich fahre auch gern Motorrad, also nichts Besonderes. 

Ande: Nee, wir machen kein Origami und gehen nicht in japanische Zen-Gärten, aus denen wir unsere Kraft ziehen. 

Lars: Das ist irgendwas zwischen Kneipe, Motorrad fahren, Sport, Leute treffen und möglichst schöne Urlaube. Klar, wir können vielleicht ein bisschen mehr Urlaub machen, aber ansonsten ist das im Grunde wie bei jedem anderen. 

Klingt nach einem absolut gesunden Ausgleich! 

Ande: Den braucht man auch. Das Problem ist: Wenn du beispielsweise Maurer bist, baust du ein Haus, siehst das da stehen, 20 Jahre später steht es immer noch. Du fährst daran vorbei und denkst: Geil, das habe ich gemacht. Bei unserer Arbeit ist das nicht so. Klar, die Leute haben 1,5 Stunden lang Spaß, aber man sieht danach nichts mehr davon. Deshalb braucht man den Ausgleich. Ich mache nicht so gern Gartenarbeit, bin aber schon stolz, wenn ich mal gemäht habe. Und das reicht mir oft schon!

Eine Abschlussfrage habe ich immer an meine Interviewpartner: Aus eurem heutigen Bewusstsein, was würdet ihr euren beiden Ichs von 1996 raten, als ihr angefangen habt mit Mundstuhl?

Ande: Das ist eine gute Frage! Ehrlicherweise glaube ich tatsächlich, dass Lars und ich viel richtig gemacht haben. Wir haben sicher auch Fehler gemacht, die uns ja aber erst in die Lage versetzt haben, so zu sein, wie wir heute sind. Ich bin mir sicher, dass alles aufeinander aufbaut. Auch Fehler, die man begangen hat, sind nicht zwangsläufig schlecht, denn man lernt etwas daraus. So richtig was raten würde ich ihnen nicht, ich würde sagen: Macht es genau so weiter wie ihr es macht, denn es ist ziemlich gut gelaufen!  

Lars: Ich würde sagen: „Geh nicht mit 100 kg dreimal die Woche joggen! Das geht voll auf die Gelenke und ist absolute Kacke, mit Übergewicht zu joggen. Und das wirst du dann mit Mitte 50 merken. Mach was anderes, geh Fahrrad fahren.“ Das ist auch ein Rat an alle Leser! Geht schwimmen oder Fahrrad fahren, das ist weitaus gelenkschonender.

Diese Empfehlung teile ich! Ich danke euch für das schöne Gespräch und wir freuen uns alle auf den Herbst, das Stadtfestival und euch!