Respekt gegenüber Lehrer:innen von Seiten der Schüler – aber auch der Eltern – ist oft Mangelware. (Foto: Freepik)

2006 habe ich mein Abitur gemacht. Zusammen mit meinen Mitschüler:innen bin ich durch die Klassenräume gezogen und habe meine Freude kundgetan. „Schalalala, schalalala, Abitur!“, sangen wir. Dann haben wir das Lehrerzimmer gestürmt, laut und mit stolzer Brust unsere „Freiheit“ gefeiert. Den Respekt gegenüber unseren Lehrer:innen haben wir vor der Tür abgelegt – etwas, wofür ich mich heute in Grund und Boden schäme. 

Offener Respekt gegenüber Lehrer:innen ist im heutigen Schulalltag keine Selbstverständlichkeit mehr – und er wird nicht nur im überschwänglichen Feierrausch des bestandenen Abiturs abgelegt. Davon kann auch Katrin Wemmer (Name von der Redaktion geändert), Lehrerin an einer Integrierten Gesamtschule, berichten: „Beschimpft oder gar bedroht wurde ich in meinem Beruf noch nicht, allerdings kommt es nicht selten vor, dass in einem unangemessenen Tonfall mit mir gesprochen wird – und das nicht nur von Schülern, sondern auch von Eltern.“ Ein konkretes Beispiel der Respektlosigkeit beschreibt Michael Weisbrod, der Gestaltung, Erdkunde und Englisch am Alfred Grosser Schulzentrum Bad Bergzabern unterrichtet: „Eine Mutter hat mir relativ zu Beginn meiner Tätigkeit als Lehrer die Motorhaube meines ersten neuen Autos mit ihrem Schlüssel zerkratzt. Da sie zuvor ins Lehrerzimmer gelaufen kam und mich lautstark vor meinen Kollegen angeschrien hat, war mir klar, wer diese Tat begangen hatte. Der Fall wurde der Polizei übergeben, für mich als Junglehrer war das mit einigen schlaflosen Nächten verbunden.“

Die Konrad-Adenauer-Stiftung untersucht in regelmäßigen Abständen das Ansehen von Berufsgruppen in der Gesellschaft. Das Ergebnis: Keine andere Berufsgruppe hat in den letzten Jahren so viel an Respekt verloren wie die der Lehrer:innen. Spielen mit dem Smartphone, Beleidigungen, störendes Verhalten im Unterricht, demonstriertes Desinteresse oder gar Aggressionen – wo ist der Respekt geblieben und wer sollte diesen den Kindern und Jugendlichen lehren? „Respekt ist eine Eigenschaft, die man beigebracht bekommen kann“, betont Katrin Wemmer. „Eltern können ihre Kinder dahingehend erziehen, dass sie respektvoll mit anderen Menschen umgehen. Aber auch wir Lehrer:innen müssen uns immer reflektieren, ob wir angemessen mit den Kindern und Jugendlichen umgehen.Wir haben einen Erziehungsauftrag, dem wir gerecht werden müssen.“ Einen immens wichtigen Beitrag müsse aber auch die Öffentlichkeit leisten: „Wenn Hass-Posts im Netz zur Normalität gehören, spiegelt sich das auch im analogen Alltag der Kinder und Jugendlichen wider. Hier besteht dringend Handlungsbedarf der Politik!“

Nach über 20 Jahren Schuldienst kann Michael Weisbrod eines unterstreichen: Respekt gegenüber Lehrern wird zu einem immer selteneren Gut: „In manchen Fällen, in denen Lehrer heute angegangen werden, ist der Maßnahmenkatalog von meiner Warte aus mittlerweile mit Lenor gewaschen. Sobald Eltern bei der Schulleitung oder ADD vorstellig werden, hat der angegangene Lehrer wenig Chance, dass es zu Folgen einer Tat kommt. Wir sind als einfache Lehrer kaum geschützt. Aus meiner Sicht haben sehr wenige Schulleiter den Mumm, Eltern auch mal die Stirn zu bieten.“

Da kann man so viel schön reden, wie man möchte, aber eines ist doch klar: Wer heute im Lehrerberuf „unbeschadet“ arbeiten möchte, muss sich warm anziehen. Vorbereitet auf rüpelhaftes Verhalten und Respektlosigkeiten wurde Weisbrod weder im Studium noch im Referendariat. „Ich kenne zumindest einige sehr gute Schulräte und Schulleiter, die bei Respektlosigkeiten oder Tätlichkeiten uns Lehrern den Rücken stärken. Davon wünsche ich mir mehr, damit meine Kollegen und ich besser geschützt sind.“

Katrin Wemmer kann zumindest auf eine kleine Lektion aus ihrem Referendariat zurückgreifen, wenn Schüler:innen oder Eltern sie respektlos behandeln: „Der Schlüssel heißt Besonnenheit, erst einmal eine Nacht darüber schlafen und sich überlegen, wie man agieren möchte.“

Sollte Respekt gegenüber Lehrer:innen, Politiker:innen, Ärzt:innen, Sportler:innen, gegenüber seinen Mitmenschen nicht selbstverständlich sein? „Ich habe schon von meinen Eltern gelernt, dass jeder Mensch viel wert ist und vor allem dass alle Menschen gleich viel wert sind“, sagt Wemmer und findet es erschütternd, dass einige Schüler:innen der Meinung sind, Respekt habe nicht jeder verdient, diesen müsse man sich erst erkämpfen. „Weder die eigenen Mitschüler: innen noch wir Lehrkräfte bekommen einen Vertrauensvorschuss.“ (pdp)