Im Urlaub scheint alles möglich zu sein, es gibt keine Grenzen. Man fühlt sich frei und stark und könnte die ganze Welt umarmen. Nicht selten kommt es da vor, dass der ein oder andere über sein Ziel hinausschießt. Unsere Paula z. B. neigt immer leicht dazu, die Urlaubswelt mit der Realität zu vermischen – oft entwickelt sie einen großen Hang zu Kitsch und Geschmacksverwirrungen, die sie in Form von Urlaubsmitbringseln zurück in den Arbeitsalltag transportiert. Ob das an dem zu langen Sonnenbad liegt oder daran, dass ihr ein Strandverkäufer wieder irgendeine exotische Zigarettenmarke angedreht hat, die laut des braun gebrannten, jungen Mannes „very good“ ist, bleibt ungeklärt. Jedenfalls kommt Paula nach einer dreiwöchigen Urlaubsreise durch Peru, Mexiko und Schottland, bekleidet mit einem knallbunten T-Shirt, auf dem zig unterschiedliche Muster einen regelrechten Kampf miteinander ausfechten, in die Mittagspause. Günther, Elli und Herrn Schmidt stehen die Münder offen. „Paula, das ist ein sehr … interessantes T-Shirt, das du da trägst“, traut sich Elli als Erste, das Wort an ihre Kollegin zu richten. „Danke“, Paula strahlt bis über beide Ohren. „Das ist mein neues Lieblings-T-Shirt.“ „Wie war es denn?“, versucht Günther dezent das Thema zu wechseln. „Hast du uns auch etwas mitgebracht?“ „Ich vergesse doch meine Lieblingskollegen nicht“, Paula setzt ihre Gönner-Miene auf. „Ich bin total gespannt, was ihr zu euren Geschenken sagt. Sie zieht einen riesigen Jutesack unter dem Tisch hervor – die Situation hat etwas Weihnachtliches.
Als Erstes zieht Paula einen riesigen Sombrero aus dem Geschenkebeutel. „Der ist für dich, Günther“, strahlt Paula. Günther nimmt den Strohhut entgegen. „Äh, danke Paula, äh, aber das wäre doch nicht nötig gewesen“, stottert er. „Komm, setz ihn gleich mal auf!“, animiert Herr Schmidt Günther und kann sich dabei ein schadenfreudiges Lachen nicht verkneifen. „Und der hier ist für dich, Herr Schmidt“, Paula zieht einen schwarzgrün gestreiften Kilt aus dem Jutesack. Herr Schmidt erblasst. „Der ist knielang, so wie man ihn in Schottland trägt. Hoffentlich passt er dir.“ Günther stubst Herrn Schmidt in die Seite: „Ich habe mal gehört, dass Mann da traditionsgemäß nichts drunter trägt.“
„Und für dich, Elli, habe ich etwas ganz Besonders.“ Langsam zieht Paula ein Stoffbündel aus dem Sack und legt es Elli über den Kopf. „Wow, das ist …“, fängt Elli an, bunte Quasten baumeln von ihren Schultern. „Ja, äh, was genau ist das eigentlich, Paula?“ „Ein handgewebter Poncho“, ist Paula stolz auf ihr Händchen für schöne Urlaubsmitbringsel. „Und schau mal, ich habe dort sogar deine Initialen einsticken lassen. So wissen alle, dass er dir gehört.“
