Neben Film und Fernsehen ist Sarnau auch in Radioproduktionen zu hören, u. a. in „Kluge Gefühle“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Maryam Zaree, in der sie die Anwältin für Asylrecht spielt, die sich mit quälenden Verlassenheitsängsten zum Analytiker schleppt. (Foto: NDR Radiokunst)

Steckbrief: Anneke Kim Sarnau

  • Geboren am 25. Februar 1972 in Elmshorn
  • Deutsche Theater- und Filmschauspielerin
  • Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart
  • Engagements am Theater u.a.: Düsseldorfer Schauspielhaus, Deutsches Schauspielhaus Hamburg
  • Auszeichnungen u.a.: Adolf Grimme Preis, Deutscher Fernsehpreis, Bayerischer Fernsehpreis

_____________________________________________________

In dem neuen ZDF-Fernsehfilm „Bring mich nach Hause“ geht es um ein sehr emotionales Thema, mit welchem sich früher oder später jeder auseinandersetzen muss oder zumindest sollte. Haben Sie sich unabhängig von den Dreharbeiten schon mit dem Thema Patientenverfügung beschäftigt?

Anneke Kim Sarnau: Ja, das hatte ich mich eine ganze Weile sogar, weil ich immer versucht habe, meine Mutter dazu zu überreden, eine Patientenverfügung auszustellen. Sie hatte sich immer geweigert und wollte sich nicht damit auseinandersetzen. Und kurz vor Drehbeginn meinte meine PR-Agentin, ich müsse auch eine ausfüllen und ich solle es jetzt machen – und das habe ich dann auch gemacht.

Sie spielen eine Astrophysikerin, Sie stellen viele Erkundigungen über die Erkrankung Ihrer Film-Mutter an, suchen behandelnde Hausärzte auf und stellen Fragen – Fakten sind Ihnen sehr wichtig. Gibt es da auch Parallelen zu Ihnen? Hören Sie eher auf den Kopf oder das Herz?

Anneke Kim Sarnau: Ich denke, ich bin schon ein ziemlicher Bauchmensch. Ich versuche, mir Informationen einzuholen oder Beratung. Ich treffe selten Entscheidungen, ohne mich vorher mit Freunden abgesprochen zu haben, aber zum Schluss ist es doch mein Bauch, der mir die Richtung vorgibt.

In dem Film spielen auch Gott und der christliche Glaube eine große Rolle – sind Sie ein gläubiger Mensch?

Anneke Kim Sarnau: Das würde ich schon sagen. Ich glaube, dass es irgendeine Art göttliche Kraft gibt, die uns begleitet. Ich finde den Gedanken, dass es da noch etwas gibt, sehr tröstend.

Glauben Sie, dass man an beides glauben kann – an Gott und die Wissenschaft?

Anneke Kim Sarnau: Natürlich, ich finde, die müssen sich überhaupt nicht ausschließen. Ich denke, dass in der Religion vieles symbolisch gemeint ist. Der Alltag zeigt einem ja, wie das Leben funktioniert. Eine Blume wächst nicht von einem Tag auf den anderen. Man muss zunächst den Samen säen. Gott und die Wissenschaft schließen sich nicht aus, man kann da eine gute Mitte finden.

Es muss für Sie und Ihre Filmpartnerin Silke Bodenbender eine unheimlich emotionale Belastung gewesen sein, diese Rollen zu spielen.

Anneke Kim Sarnau: Man muss sich darauf einlassen, zu spielen, dass der Mensch, der einem mit am nächsten steht – und zwar die Mama – einen verlässt. Sich damit zu beschäftigen und den Gedanken zuzulassen, ist deswegen schwierig, weil Silke und ich in einem Alter sind, wo der Gedanke, seine Eltern zu verlieren, gar nicht so weit hergeholt ist. Und sich damit auseinanderzusetzen, dass es einem selbst passieren kann, ist eine Herausforderung. Was wir als Schauspieler gerne machen – und was für einen Außenstehenden vielleicht ein bisschen schizophren anmutet – ist, solche extremen Situationen und Gefühle darzustellen. Dennoch sind das natürlich Dreherfahrungen, mit denen man vorsichtig umgehen muss. Man kann nach einem emotionalen Drehtag oft nicht einfach nach Hause gehen und sich nur darüber freuen, dass man die Szene gut gespielt hat. Man ist nach dem Spielen solcher Szenen auch eher mal erschöpft, auch emotional, und muss gut auf sich aufpassen. Und das machen wir als Filmcrew auch gegenseitig. … Ungefähr zehn Tage nach dem Dreh ist meine Mutter krank geworden und kurze Zeit später ist sie gestorben. Der Film hat mich eventuell darauf vorbereitet, in einigen Momenten rationaler mit dem Thema Tod umzugehen und nicht komplett aus den Latschen zu kippen. Ich hatte den Sterbeprozess auf einer Ebene irgendwie schon durchlebt – aber dann war es meine eigene Mutter… 

Martina (Hedi Kriegeskotte, M.) mit ihren Töchtern Ulrike (Silke Bodenbender, l.) und Sandra (Anneke Kim Sarnau, r.) in glücklichen Zeiten.
(Foto: ZDF/Hannes Hubach)

Gibt es eine Szene, die psychisch besonders schwer zu spielen war?

Anneke Kim Sarnau: Beim Dreh mussten Silke und ich uns auf eine Szene einlassen, in der wir von unserer Mutter weggezerrt wurden und nicht selbst entscheiden durften, ob und wann die Geräte ausgeschaltet werden – das war heftig. Man ist eh schon sehr dünnhäutig und dann wird an dieser Haut noch gekratzt – da ist es unheimlich wichtig, gute Filmpartner zu haben. Und das hatte ich mit Silke Bodenbender und auch mit Hedi Kriegeskotte, die unsere Mutter gespielt hat. Hedi hat uns zwischendurch immer wieder Feedback gegeben. Es war auch großartig, mit Christiane Balthasar zusammenzuarbeiten, der Regisseurin. Sie wusste genau, welchen Film sie machen will – und das Ganze mit einem kühlen und klaren Kopf, obwohl auch sie viel erlebt hat in ihrem Leben. Das durchzuziehen und uns da durchzuführen, ist ein großes Geschenk.

Mich hat der Film emotional auch sehr mitgenommen – auch auf eine positive Art und Weise. Haben Sie sich nach dem Dreh auch mal mit den Filmpartnern zusammengesetzt und über das Erlebte und Durchlebte gesprochen?

Anneke Kim Sarnau: Wir haben immer in den Umbaupausen viel gesprochen. Und wir haben auch viel gelacht. Wir haben echt viel über Familie geredet und über unsere Eltern. Silke und ich haben uns sehr witzige Anekdoten von unseren Eltern erzählt. Man musste ja auch mal aus diesem Tunnel kommen und Luft rauslassen. Und Silke konnte so lustig erzählen – das war einfach unheimlich befreiend. Wir haben auch nach den Dreharbeiten noch eine ganze Weile lang Kontakt gehalten.

Wie war die Arbeit unter Coronabedingunen?

Anneke Kim Sarnau: Es war verrückt! Alle sind konzentriert in diesem Krankenzimmer und bereiten sich emotional auf den Dreh vor, die Apparaturen sind angeschlossen – und dann zeigt die Anzeigetafel an, dass der CO2-Gehalt in dem Zimmer nicht in Ordnung ist und alle das Set verlassen müssen. Es waren wirklich sehr strenge Bedingungen, unter denen wir arbeiten mussten. Das kostet die Produktion nicht nur viel Geld, sondern uns als Schauspieler auch sehr viel Zeit. Morgens mussten sich z. B. alle testen lassen, wir mussten ständig die Hände waschen, zwischendurch wurde Fieber gemessen, alle mussten die ganze Zeit Masken tragen, bis auf die Schauspieler. Es kostet also unheimlich viel Zeit, aber die Drehbedingungen waren die gleichen – wir haben keinen Drehtag mehr bekommen oder so. Es war eine echte Herausforderung. Und dann muss man die ganze Zeit die Konzentration oben halten. Das ist nicht ohne, aber auch sehr aufregend – und wenn man das hinkriegt – dann ist das toll!

Und Sie haben es hinbekommen, da muss ich Ihnen und auch Frau Bodenbender ein Kompliment machen. Sie haben Ihre Rollen wahnsinnig authentisch gespielt!

Anneke Kim Sarnau: Vielen Dank!

Ich habe noch eine Frage zum Schluss. Sie haben – zwar nur – ein Semester Philosophie und Englisch in Kiel studiert. Dann haben Sie aber doch eine Schauspielausbildung gemacht – war das Studium nichts für Sie?

Anneke Kim Sarnau: (lacht) Eigentlich wollte ich schon als kleines Mädchen Schauspielerin werden. Ich dachte nur immer, ich würde es nicht schaffen. Und meine Eltern sagten, ich solle doch erst einmal etwas Solideres machen – typisch Eltern halt. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich nicht lange stillsitzen kann – das war schon in der Schule so. Wenn vorne jemand redet und ich selber nehme nicht teil, das ist irre anstrengend für mich, dafür bin ich in meinem ganzen Wesen viel zu unruhig. Ich kann mich super konzentrieren und zuhören, dann muss mich aber etwas emotional richtig mitnehmen. Das Studium war aber teilweise so trocken, dass ich es einfach nicht ausgehalten habe.