Harald Krassnitzer: „Jeder macht das auf seine Art“

Unter vier Augen: Der österreichische Schauspieler und Moderator Harald Krassnitzer spricht über die herausfordernden Dreharbeiten zum Psychothriller „Tödliche Gier“ und wie es ist, mit der eigenen Frau zusammen zu arbeiten.

Pfarrer Manfred Bahnert (Harald Krassnitzer) muss um seine Familie kämpfen, die von Gangstern bedroht wird. (Foto: ZDF/Hans-Joachim Pfeiffer)

Steckbrief: Harald Krassnitzer

  • Geboren am 10. September 1960 in Grödig bei Salzburg
  • Österreichischer Schauspieler und Moderator
  • Wurde bekannt durch die Titelrolle des Dr. Justus Hallstein in der ZDF-Serie Der Bergdoktor (1996) 
  • Seit 1999 in der Tatort-Reihe als Sonderermittler und Oberstleutnant Moritz Eisner für den ORF im Einsatz
  • Heiratete 1999 seine deutsche Schauspielkollegin Ann-Kathrin Kramer
  • Auszeichungen u.a. 2000 und 2008 Romy, 2014 Grimme-Preis

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Der Psychothriller „Tödliche Gier“ ist in der Mediathek des ZDF abrufbar. Darin spielt Harald Krassnitzer den Pastor Bahnert, der samt Frau (Ann-Kathrin Kramer) und Kindern in die Gewalt von brutalen Gefängnisausbrechern gerät. Versteckte Familienkonflikte treten zutage, und die ganze Situation spitzt sich gefährlich zu. Wir haben mit dem Schauspieler über seine Rolle in dem Film gesprochen.

Herr Krassnitzer, sind Sie momentan auch im Homeoffice?

Harald Krassnitzer: Ja, mehr oder minder. Wir haben zwischendurch den ein oder anderen Termin aber im Großen und Ganzen sind wir doch im Homeoffice. 

Was hat Sie überzeugt, im Psychothriller „Tödliche Gier“ mitzuspielen?

Harald Krassnitzer: Oh, da gab es mehrere Faktoren. Zum einen ist es ein gutes Buch gewesen, zum anderen war es eine gute Konstellation mit dem Kollegen Thomas Sarbacher, meiner Frau Ann-Kathrin Kramer, dem Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter und anderen Kollegen. Viele kannte ich bereits und da freue ich mich natürlich, wenn ich sie wieder sehe. Es sind hervorragende Kollegen und mit ihnen macht es Spaß so einen Film zu erarbeiten. Ich fand das sehr vielversprechend und hinzu kommt, dass es eine sehr spannende Geschichte ist.

Was finden Sie besonders interessant an dem Film?

Harald Krassnitzer: Interessant fand ich das „kammerspielartige“ an dem Film – das hat mich fasziniert. Dann ist es so, dass im Film zwei Prinzipien aufeinander treffen, wobei gleichzeitig festgestellt wird, dass keine dieser beiden Prinzipien funktioniert – im Sinne davon, dass alles glatt geht. Das Prinzip der Gewalt sagt, wir holen uns die Diamanten und legen die um. Das klappt so nicht. Und das andere Prinzip sagt, dass auch ohne Gewalt alle Konflikte dieser Welt gelöst werden können. „Liebe deinen Nächsten!“, „Hab eine eindeutige humanistische Haltung zu den Menschen und zu den Dingen der Zeit!“, „Sei wehrhaft, aber sei im Defensiven wehrhaft, sei widerstandsfähig und sei überzeugt von deiner Kraft und Fähigkeit Menschen vom Besseren zu überzeugen!“ Auch das klappt nicht. Gleichzeitig offenbaren beide Prinzipien, dass in ihren Gruppierungen nichts funktioniert. In der Familie des Priesters taucht eine Tochter auf, die rauschgiftsüchtig ist und mit der er nicht reden kann. Dort scheitert der Priester mit seinem Prinzip ganz schön. Er schafft es nicht, die Tochter aufzufangen oder ihr in irgendeiner Form den Raum zugeben, in dem sie ihre Not schildern könnte. Dann gibt es seine Frau, bei der wir sehen, dass sie auch am Limit ist, weil sie im Grunde die ganze Zeit mit ihrem Mann mitziehen muss, denn er hat bereits mehrmals seine Arbeitsstellen gewechselt. Mal zu Mal entfernen sie sich weiter von jeglicher Zivilisation. Diese belastenden Umstände erkennt der Priester nicht. Auch in der Gruppe der Aggressoren gibt es eine hierarchische Linie, doch die wird zunehmend unterwandert und hinterfragt. Wir finden im Grunde genommen eine ähnliche Struktur wie in der Familie – einer ist rauschgiftsüchtig, einer permanent unzufrieden. Durch den Druck der anderen kommt derjenige, der das Sagen hat, zunehmend in Bedrängnis. So kann die Gruppe auch nicht zusammen gehalten werden und es kommen Zweifel auf. Das finde ich total spannend. Man weiß nicht was passiert, wer tickt als erstes aus und wer schafft es, seine Gruppe zusammen zuhalten.   

Wie ist es, mit der eigenen Frau zusammen zu arbeiten und auch zusammen vor der Kamera zu stehen? Suchen Sie sich die Rollen in Zusammenarbeit mit Ihrer Frau vermehrt aus?

Harald Krassnitzer: In erster Linie sind es andere Kriterien. Wir bekommen ein Buch und es gibt dazu den Vorschlag, ob wir uns vorstellen könnten, das gemeinsam zu machen. Wir lesen es, schauen uns die Konstellationen an und überlegen, ob es uns Spaß machen würde. In diesem Fall hat es uns beide angesprochen. Wenn wir ein Projekt gemeinsam machen, sind wir nicht als Paar dort, sondern als Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer – jeweils als eigene Schauspieler. Jeder macht das auf seine Art. Wir versuchen, beim Dreh nicht als Paar aufzutreten, das ist kontraproduktiv und der Sache nicht dienlich. Wir arbeiten im Team mit anderen Schauspielern und dem Regisseur zusammen. Das ist das Wesentliche. Als Paar versuchen wir uns soweit es geht zurück zunehmen. Wir haben auch getrennte Zimmer, da wir am Set auch unterschiedliche Rhythmen haben. Wenn einer von uns gerade Text lernen möchte und der andere aber schlafen oder etwas anderes machen will, dann stört man sich einfach. Deswegen hat jeder von uns sein eigenes Zimmer, natürlich benachbart. Aber wir sind halt zusammen da und müssen abends nicht noch miteinander telefonieren um uns auszutauschen.

Pfarrer Manfred Bahnert (Harald Krassnitzer, l.) und seine Frau Claudia Bahnert (Ann-Kathrin Kramer, r.) werden bedroht. (Foto: ZDF/Hans-Joachim Pfeiffer)

Können Sie im Feierabend denn abschalten oder geht es da auch vermehrt um die Arbeit? 

Harald Krassnitzer: Im Wesentlichen geht es um die Arbeit. Die Rhythmen sind eng. Ich stehe morgens um 6 Uhr auf und komme abends um 20 Uhr nachhause. Man hat im Hinterkopf, dass für den nächsten Tag noch etwas vorzubereiten ist. Da bleibt im Privatleben oft beispielsweise nur ein kleiner Spaziergang ums Haus. Jeder ist auch da dann teilweise nur mit sich selbst beschäftigt, es arbeitet einfach in einem. Natürlich tut es sehr gut zumindest einen kurzen Moment abgelenkt zu sein. Aber es gibt nicht so viel Privatleben. Was für uns völlig in Ordnung ist, da uns die Arbeit großen Spaß macht und Freude bereitet. Das wäre natürlich anders, wenn es uns unangenehm wäre. Das lassen wir so zu und konzentrieren uns darauf. 

Als Schauspieler haben Sie bereits in verschiedenen Genres mitgespielt und verschiedene Charakter verkörpert? Was liegt Ihnen am Meisten, was machen Sie am Liebsten?

Harald Krassnitzer: Es gibt nichts, was ich bevorzuge. Mein Beruf besteht in der Vielfältigkeit und im immer wieder neuen Herangehen an Geschichten. Wenn ich sehe, dass ich etwas aus einer Rolle machen kann und es sich lohnt zu erzählen, dann tu‘  ich das und es macht Spaß. Das ist das überwiegende Kriterium. Ich könnte jetzt nicht sagen, dass ich irgendwelche Vorlieben für bestimmte Genres oder spezielle Rollentypen habe. Das wäre mir zu eng, denn mir macht einfach die Bandbreite Spaß.   

Wie war es, nach so langer Zeit wieder im Winterspecial vom Bergdoktor mitzuspielen?

Harald Krassnitzer: Der Bergdoktor wie er heute steht und wie er von Hans Sigl, der das übrigens hervorragend macht, gestaltet und geprägt wird, ist etwas völlig anderes als das was wir damals gemacht haben. Es hat mir großen Spaß gemacht mit Hans, der ein sehr professioneller und wunderbarer Kollege ist, zu arbeiten. Auch die Rolle hat mir Spaß gemacht. Der Regisseur hat mich gereizt, ich fand die Geschichte spannend und das waren die Punkte, die für mich entscheidend waren. Aber da gibt es keine nostalgischen Gefühle. Wir haben in einer anderen Gegend gedreht und es ist ein anderes Gefüge. Das sehe ich alles sehr nüchtern. Zudem ist es schon 20 Jahre her und es ist ein schöner Teil meiner Biografie.

Spielen Sie auch ab und zu noch am Theater?

Harald Krassnitzer: Am Theater bin ich eigentlich nur noch in Form von Lesungen zu sehen. Ansonsten eher nicht mehr. 

Harald Krassnitzer bei Voices for Refugees in Wien (2015). (Foto: Arne Müseler/www.arne-mueseler.com)

Wo leben Sie momentan lieber? In Deutschland oder Österreich?

Harald Krassnitzer: Momentan leben wir eher in Deutschland. 

Vermissen Sie nicht die Natur Österreichs? 

Harald Krassnitzer: Ich vermisse das ehrlich gesagt nicht wirklich, da ich weiß, dass ich es irgendwann wieder haben werde. So sehe ich das momentan eher gelassen, wir haben eben eine außergewöhnliche Zeit. Ich kann verstehen, dass meine individuellen Bedürfnisse gerade hinten anstehen müssen, was ich natürlich auch für richtig halte, damit wir diese Krise in den Griff bekommen. Skifahren werde ich wieder irgendwann können, die Berge werde ich auch wieder haben. Jetzt steht aber im Vordergrund, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Jeder, der sich weniger nach außen bewegt und all das was er normalerweise tut wegschiebt, trägt zur Bekämpfung bei. Ich habe all die Dinge gehabt und weiß, dass ich sie auch wieder habe werde. 

Wie gehen Sie mit der momentanen Situation in der Pandemie um? Können Sie Ihrer Arbeit nachgehen?

Harald Krassnitzer: Natürlich sind einige Sachen ausgefallen. Wir hatten im November, Dezember und Januar mehrerer Lesungen geplant – die sind nicht möglich gewesen. Wir fangen im März wieder mit Dreharbeiten an. Es gibt verschiedene Anfangspunkte. Im Mai/Juni beginnt wieder der Tatort. An dem arbeite ich jetzt ein bisschen. Aber ansonsten sind wir eigentlich auch in einer sehr privilegierten Situation. Wir haben ein Haus mit Garten, können uns frei bewegen, wohnen in einem sehr schönen Umfeld, wo wir frei spazieren gehen können. Wir leben nicht in einer Stadt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung und sind uns dessen bewusst, dass wir unser Leben ganz gut gestalten können im Vergleich zu vielen anderen Menschen, die diese Gunst nicht haben. Es ist für viele Menschen eine sehr existentielle Belastung, das sehe ich auch im Umfeld unserer Freunde, seien es Friseure, Unternehmer, Angestellte oder Kollegen, die seit Monaten keine Einnahmen mehr haben. Gerade im Musikbereich wird es wirklich eng und bedrohend und es ist nach wie vor eine große Herausforderung für diese Leute mehr zu tun und Möglichkeiten zu finden, sie in dieser Krise zu unterstützen.

Wie stehen Sie zu den Sozialen Medien? Sie sind darin ja eher weniger präsent.

Harald Krassnitzer: Ja, ich habe dafür nicht die Zeit mich auf Instagram, Twitter und Facebook präsent zu zeigen. Dazu fehlt mir auch ein bisschen die Lust. Ich kann damit nicht so viel anfangen und mir fehlt dazu ehrlich gesagt auch der Zugang. Ich lese lieber ein Buch oder unterhalte mich mit Menschen. Ich muss nicht permanent diese Präsenz haben und ständig etwas posten. Ein soziales Medium zwingt einen dann ja auch dazu, tagtäglich Content zu posten und in irgendeiner Form präsent zu sein. Ich wüsste nicht, was diese Präsenz hervorbringen soll und auch nicht, was ich täglich zaubern sollte (lacht). Es ist mir zu mühsam immer irgendwelche Stories, Selbstreflektionen und Posings von mir zu zeigen. Damit kann ich nichts anfangen.

Sie unterstützen auch einige Hilfsprojekte unter anderem den Verein Dunkelziffer oder den Weißen Ring. Hier sollte vermutlich noch viel mehr Engagement der Menschen gezeigt werden, denn vor allem in der jetzigen Zeit ist der Schutz von Kindern enorm wichtig. Möchten Sie dazu noch etwas sagen? 

Harald Krassnitzer: Ich versuche das so gut ich kann. Allerdings rede ich nicht so gerne darüber, ich mache es einfach. Im Grunde genommen habe ich oft festgestellt, dass das was ich mache im Verhältnis zu dem was notwendig wäre, doch immer noch zu wenig ist. Insofern möchte ich erst gar nicht in den Genuss kommen, als wäre man als Promi besonders aktiv und sozial und hätte alles Mögliche am Laufen. Ich mache das, aber rede nicht viel darüber, weil ich einfach festgestellt habe, dass der Fokus auf die Leute, die wirklich wesentlich mehr machen und die das mit einer so großen Leidenschaft und Liebe praktizieren, viel zu gering ist. Es gibt immer Leute, die diesbezüglich viel mehr Aufmerksamkeit verdienen als meine Person. 

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