Redakteurin Anne Herder traf Hellena Büttner in Landau. (Foto: stm)

Steckbrief

Hellena Büttner

Geboren am 6. Mai 1951 in Dresden.

Sie gehört bereits der fünften Generation in ihrer Familie an, die mit der Schauspielerei bzw. dem Theater eng verbunden ist. 

Seit den 70er Jahren war sie regelmäßig in (zunächst DDR-)Fernsehproduktionen zu sehen: u. a. „Unser Lehrer Doktor Specht“ (1995). 

Seit den 1990er Jahren ist sie verstärkt auf Theaterbühnen unterwegs.

Als Synchronsprecherin hat sie unter anderem bei mehreren Episoden von „Miss Marple“ mitgewirkt.

Sie ist mit dem Schauspieler Peter Bause verheiratet.


 

Schauspielerfamilie und haben mit der Schauspielerei schon sehr früh angefangen. War es von Anfang an klar, dass Sie diesen Beruf ergreifen würden?

Hellena Büttner: Ja, für mich selbst stand das von Anfang fest. Im Nachhinein habe ich zwar gesehen, dass ich meine Begabungen und Neigungen auch in anderen großartigen Berufen hätte einbringen können, aber es war trotzdem gut so, wie es gekommen ist. Denn  – toi, toi, toi – es ist ein großes Glück, dass ich über so viele Jahre so viel Arbeit hatte und immer noch habe. Ich werde nun 69 Jahre alt und spiele jedes Jahr drei, vier Rollen an großen Theatern. Das empfinde ich als Auszeichnung. Nicht jedem, der heute diesen Beruf ergreift, gelingt das. Da haben sich die Zeiten stark verändert. Alles ist kurzlebiger.

Denken Sie, dass Sie es durch Ihre familiäre Herkunft, aber auch durch die Umstände der damaligen Zeit leichter hatten?

Hellena Büttner: Nein. Es wurde in der Familie zwar viel über Theater gesprochen; es gab eine Ausrichtung und Verantwortung dem Theater gegenüber. Das alles wurde mir quasi mit der Muttermilch eingegeben. Aber meine Ausbildung, die Engagements und meine kontinuierliche Weiterentwicklung haben auch viel mit Glück zu tun gehabt. 

Was war rückblickend ein entscheidender Glücksfall in Ihrer Karriere?

Hellena Büttner: Ich hatte das Glück, immer in einem Ensemble zu sein. Das bedeutet, dass ich entsprechend dem Spielplan und dem Alter eine Entwicklung nehmen konnte. Ein Drittel Regie, ein Drittel Begabung und ein Drittel Glück muss zusammen kommen. Wenn man da Pech hat, läuft man leider immer hinterher. Eigentlich kann man niemandem guten Herzens zu diesem Beruf raten, weil es so viele Fallsituationen, sowohl beruflicher als auch menschlicher Art, gibt. 

Haben Ihre eigenen Kinder auch Ambitionen, zum Schauspiel zu gehen?

Hellena Büttner: Meine eine Tochter hat sich nach einem Schauspielstudium doch noch für ein Wirtschaftsstudium entschieden. Damit hat sie mich überrascht. Aber ich fand das gut, weil sie sich damit aus vielerlei Abhängigkeiten gelöst hat. 

In den ersten Jahrzehnten Ihrer Karriere haben Sie in der DDR gearbeitet. Haben Sie nach der Wende als Künstlerin einen Unterschied in Ihrer Arbeit gespürt?

Hellena Büttner: Nein, ich habe mich in der DDR künstlerisch nicht eingeschränkt gefühlt. Kunst und Kultur spielten dort immer eine große Rolle. Dürrenmatt zum Beispiel wurde auch damals in der DDR gespielt. Es gab in dieser Hinsicht keine Zensur oder Ähnliches. 

Haben Sie Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen bemerkt?

Hellena Büttner: Ja, es wurde anders gearbeitet. Damals in der DDR haben wir uns über den Gedanken der Rolle genähert und dann den Text langsam erarbeitet. Im Westen begann und beginnt man immer noch von vornherein mit gelerntem Text und spricht erst dann über seine Gedanken dazu. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der Zeitdruck größer ist. Das ist ein bisschen schade. Es gibt keine Entwicklung im Dialog mit dem Partner. Sondern startet schon mit einer fertigen Sache und muss das dann zusammen einfach umsetzen. Das ist so, als hätte man einen Strickpullover nur von der einen Seite bemustert. Wenn man ihn aber anders durchwebt, wäre es schöner.

Mit dem Stück „Die Physiker“ war Büttner zuletzt in Landau zu Gast. (Foto: Loredana La Rocca)

Gibt es heute beim Film und Theater noch andere Unterschiede im Vergleich zur DDR?

Hellena Büttner: Ich habe in der DDR in allen Medien gearbeitet. Es war üblich, dass am Vormittag geprobt wurde, am Nachmittag ein Fernsehspiel gedreht wurde und am Abend war eine Aufführung. Wenn zwischendurch mal keine Proben anstanden, konnte man auch ein Filmangebot annehmen. Das war alles gut ineinander verflochten. Heute ist man ganz anders besetzt. Da gibt es Verpflichtungen für die nächsten eineinhalb Jahre. Alles andere, was noch möglich wäre und einen selber weiterentwickeln würde, entfällt, weil man die Angebote nicht annehmen kann. Leider ist die Arbeit fürs Fernsehen auch oft mit viel Verschleiß und Oberflächlichkeit verbunden. Deswegen würde ich selbst solche Angebote nicht mehr annehmen, weil mich diese Art zu arbeiten nicht interessiert.

Ist das auch ein Grund dafür, warum Sie seit einigen Jahren mehr Theater als im Fernsehen spielen?

Hellena Büttner: Ja, das ist ein Grund. Außerdem finde ich auch die Auseinandersetzung mit dem Publikum einfach interessanter. Man kann das Publikum verführen. 

Bekommen Sie es von der Bühne aus mit, wie das Publikum reagiert?

Hellena Büttner: Ja, das bekommt man sofort mit. Das Feedback ist gleich da. Solange ich den Text zu Hause erarbeite, bin ich mit der Rolle alleine. Aber wenn man beispielsweise zum zweiten Bild auf die Bühne kommt, weiß man schon, wie das Publikum an diesem Tag drauf ist und kann darauf aufbauen und sich tragen lassen.

Gibt es Zuschauerreaktionen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Hellena Büttner: Bei dem Stück „Kaukasischer Kreidekreis“ gibt es zum Beispiel besondere Momente. Selbst der naivste Zuschauer wird bei diesem Stück an einem bestimmten Punkt weinen (lacht). 

Wie ist das, wenn man das zum ersten Mal erlebt?

Hellena Büttner: (lacht) Ich war schon überrascht, weil ich mir der Wirkung zuerst gar nicht so bewusst war. 

Aber man weiß doch dann auch, dass man es richtig gemacht hat.

Hellena Büttner: Natürlich. Es macht Freude, die Menschen in eine traurige Situation mitzunehmen, genauso wie in eine heitere. 

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, gibt es da eine Rolle, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Hellena Büttner: Das Stück „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada spielt im Nationalsozialismus und handelt von Zivilcourage. Für diese Leute Respekt aufzubringen, ist eine Form von Verantwortung, die mich besonders herausgefordert hat. 

Suchen Sie sich Stücke, die Sie zur Aufführung bringen, selbst aus?

Hellena Büttner: Mein Mann und ich haben das Glück, dass wir eigene Vorschläge machen können, die auch angenommen werden. Wir wählen Stücke, die auch einen aktuellen Zeitbezug haben, wie aktuell zum Beispiel „Die Physiker“. Erstaunlicherweise ist bei den großen Schriftstellern der Zeitgeist immer vorhanden. 

Hellena Büttner denkt nicht ans Aufhören. (Foto: Bernd Böhner)

Sie haben auch viel als Synchronsprecherin gearbeitet. Was war daran der besondere Reiz?

Hellena Büttner: Ich habe dazu mittlerweile keine Gelegenheit mehr. Aber ich habe es sehr gerne gemacht. Wenn man einen großen Weltstar synchonisieren darf – ihm also auf gewisse Art richtig nahe kommen darf –, ist das schon eine Herausforderung. Man muss seine Gedanken nacherleben. Wenn man die Emotion richtig erfasst, kann man sie sogar verstärken. Das hat Spaß gemacht, auch weil es mit Schnelligkeit zu tun hat (lacht).

Schauen Sie sich die Filme in der synchronisierten Form nochmal an?

Hellena Büttner: Ja natürlich. Es ist auch ein Genuss, das Ganze auf Deutsch zu erleben. 

Sie und Ihr Mann sind beide Schauspieler. Verbessern oder kritisieren Sie sich auch gegenseitig?

Hellena Büttner: Ich denke, dass man über bestimmte Dinge sprechen muss, weil man sich auch ganz schnell in seiner Arbeit verirren kann. Wenn das der andere bemerkt, kann er es einem sagen. So helfen wir uns gegenseitig.

Haben Sie Ihrem Mann auch schon mal nach einem Projekt gesagt, dass es Ihnen nicht gut gefallen hat?

Hellena Büttner: Nein, so weit ist es nicht gekommen. Da habe ich dann vorher eingegriffen (lacht). Es ist aber oft spannend, was der Partner aus einer Rolle macht und man möchte dabei ja auch überrascht werden. 

Andere genießen in Ihrem Alter schon ihren Ruhestand. Sie sind noch fit und viel unterwegs. Denken Sie noch nicht ans Aufhören?

Hellena Büttner: Solange man noch den Kopf beieinander hat, der Sache auch körperlich gewachsen ist und die Nachfrage da ist – warum sollte man da zu Hause sitzen und sich langweilen? 

Würden Sie sich denn langweilen, wenn Sie keine Auftritte mehr hätten?

Hellena Büttner: Nein, ich habe genug Arbeit mit meinem großen Haus und dem Garten. Ich würde sogar gerne mal alle Jahreszeiten in meinem Garten komplett sehen. Aber ich würde wegen der Blumen nicht zu Hause bleiben, solange mir die Schauspielerei noch so viel gibt. 

Wie bleiben Sie – köperlich und geistig – so fit?

Hellena Büttner: Bewegung. Der Alterungsprozess passiert von alleine, aber man kann es sich ein wenig leichter machen, indem man sich bewegt. Wir haben einen Hund, der uns in Schwung hält. Wenn man das Glück hat, arbeiten zu können, dann sollte man es tun. Egal, in welchem Beruf. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schmerzhaft ist, wenn man seinen letzten Arbeitstag hat und sich dann fragt: „Was kommt nun?“ (hea)