Pünktlich zum Höhepunkt der Faschingssaison stellen wir die berühmtesten Faschings- bzw. Karnevals-Sänger Deutschlands im Interview vor: Vor wenigen Wochen haben wir mit dem (neuen) Sänger der Bläck Fööss, Mirko Bäumer, gesprochen. Heute steht uns Henning Krautmacher Rede und Antwort. Er ist seit 1986 der Frontmann der Kölner Kultband „Höhner“.

Wir haben gerade auch mit dem Sänger der Bläck Fööss ein Interview geführt. Hättet ihr Mirko Bäumer auch genommen?

Henning Krautmacher: Wir hatten diese Idee einfach nicht und wussten auch nicht, dass er für so etwas zur Verfügung steht. Aber im Nachhinein sage ich auf jeden Fall, dass er auch ein Frontmann bei den Höhnern hätte werden können. Allerdings bin ich ja noch da – er hätte also sowieso noch ein paar Jahre warten müssen.

Klar – du bist das Aushängeschild der Band!

Henning Krautmacher: Ich weiß nicht, ob ich ein Aushängeschild bin. Aber ich bin mir schon der Tatsache bewusst, dass man Musikgruppen immer an Gesichtern festmacht. Und es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass der Frontmann in der Regel derjenige ist, mit dem man eine Band identifiziert. Ich denke da zum Beispiel an PUR. Jeder weiß, dass der Sänger Hartmut Engler ist – der Typ mit der großen Nase! Die anderen erkennt man vielleicht, wenn man sie sieht, aber die Namen hat niemand drauf! Engler ist PUR. So ist das sicher auch bei uns. Das Wiedererkennungszeichen ist mein großer Schnäuzer – und wahrscheinlich mein loses Mundwerk. (lacht) Trotzdem bin ich Teil des Teams und nur das Team zusammen kann gewinnen! Erst wenn das alle verinnerlicht haben, kann die Band auch funktionieren.

So tretet ihr auch nach außen auf: als kompakte Einheit!

Henning Krautmacher: Ja, im Moment mehr denn je! In der aktuellen Besetzung stimmt die Chemie einfach. Ich genieße das sehr. Wer weiß, wie lange das hält. Jeder Mensch entwickelt sich weiter, und natürlich kann es irgendwann passieren, dass der ein oder andere aussteigen wird – das ist ja ganz normal!

Das muss natürlich ein Musiker auch wollen: so viel Karneval!

Henning Krautmacher: Die Höhner sind ja nicht nur eine Karnevals-Band. Der Karneval nimmt inzwischen nur noch ein Fünftel unseres Jahresgeschäfts ein. Das ist vergleichbar mit der wirtschaftlichen Aufstellung der Stadt Köln. Der größte Wirtschaftsfaktor in Köln ist auch nicht der Karneval – wie man ja meinen könnte – sondern es ist das Weihnachtsgeschäft! Und das ist bei uns genau so! Wir sind im Advent jeden Tag unterwegs! Dieses Jahr haben wir 23 Weihnachtskonzerte gespielt. So kommen natürlich große Umsätze zustande. Das Weihnachtsgeschäft ist lukrativ – und es macht musikalisch sehr viel Spaß! Es ist überhaupt nicht vergleichbar mit dem Karneval. Wie man sich denken kann, ist es viel besinnlicher, wir können ganz andere Facetten zeigen, unsere Musikalität unter Beweis stellen!

Anne Herder und Markus Eisel vom PFALZ-ECHO trafen Henning Krautmacher (Zweiter von rechts) im Proberaum der „Höhner“. (Foto: privat)

Macht der Karneval denn nicht so viel Freunde?

Henning Krautmacher: Oh doch! Der hat vor allem seine eigenen Gesetze! Man kann viele Erfahrungen sammeln und diese Zeit ist eine extrem gute Schule – auch was die musikalischen Aspekte angeht! Da sind andere schon ganz schön auf die Schnauze gefallen. Die Nordlichter „Klaus & Klaus“ wollten mit ihren Hits „An der Nordseeküste“ und „Da steht ein Pferd auf’m Flur“ in der Kölner Karnevalszene Fuß fassen, dachten ein bisschen Playback reiche dafür – weit gefehlt!

Welche Höhepunkte gibt es bei euch noch im Jahr?

Henning Krautmacher: Nach dem Karneval folgt eine kleine Frühjahrstour mit zehn bis 15 Konzerten. Die Zeit Ende Mai, Anfang Juni gehört dann ganz dem Zirkus mit der „Höhner rockin’ Roncallli Show“. Danach folgen über den Sommer natürlich die berühmten Open Airs und Festivals in der gesamten Republik. Direkt danach – im August – geht es weiter mit „Höhner Classic“, wo wir beispielsweise in der Philharmonie in Essen spielen. Die Junge Sinfonie Köln begleitet uns dabei. Dann folgen die Oktoberfeste und rund um den 11.11. geht es ja schon mit den Karnevals-Veranstaltungen los!

Und dann gibt es auch noch Events wie die Handball-WM, die gerade vor kurzem in Deutschland und Dänemark stattfand. Da habt ihr doch sicher auch wieder mitgemischt?

Henning Krautmacher: Genau genommen haben wir da ein bisschen reagiert. Es gab ein Interview mit der Welt rund um die Handball-WM. Die haben natürlich die Frage gestellt, ob es zwölf Jahre nach „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ an der Zeit wäre, einen neuen Song zu schreiben. Ich gebe zu, damit hatten wir uns bis dahin noch gar nicht beschäftigt. 2007 gab es den Song ja in einer anderen Version bereits und wir haben ihn für die Handball-WM angepasst. Und so haben wir uns nun auch in diesem Jahr wieder einem unserer aktuellen Hits angenommen, der genau zum Thema passt: „Wir halten die Welt an!“ Es geht um magische Momente, die man gerne einfrieren möchte: Die Eheschließung, die Geburt eines Kindes, … Diese Gedanken passen auch zu sportlichen Erfolgen sehr gut!

Während der Karnelvalszeit habt ihr ja auch öfter mal fünf verschiedene Auftritte an einem Abend? Wie lange steht ihr dabei jeweils auf der Bühne?

Henning Krautmacher: Im Vertrag stehen 20 Minuten – das klappt allerdings nie! 30 Minuten werden es immer. Im Moment sind wir sogar bei exakt 31 Minuten – Zugaben mit eingerechnet – drunter schaffen wir es einfach nicht! Unser Team muss für einen solchen Auftritt perfekt eingespielt sein. Von dem Moment an, wo uns der Sitzungspräsident ankündigt, dauert es noch 90 Sekunden, dann hat unser Team die Technik installiert. In dieser Zeit marschieren wir Musiker durch den Saal, ebenfalls genau anderthalb Minuten. Auf der Bühne mache ich noch eine zehn Sekunden lange Ansage, die braucht der Techniker, um den letzten Stecker reinzustecken – und dann geht’s los! Wir machen 30 Minuten lang Musik, während der Ehrung und der Abmoderation wird alles genau so schnell abgebaut wie es vorher aufgebaut wurde, und weiter geht’s! Wir Musiker sind alle für unser Instrument verantwortlich – alles läuft genau getaktet, Hand in Hand! Anders könnten wir solch einen Abend nicht bewältigen.

Bis die Session zu Ende ist, habt ihr 200 solcher Gigs hinter euch! Kann man die einzelnen Auftritte vor diesem Hintergrund überhaupt genießen?

Henning Krautmacher: Ja, auf jeden Fall! In dem Moment, wo wir auf der Bühne stehen und Musik machen, entspannen wir und sind voll dabei! Natürlich spulen wir unser einstudiertes Programm ab – aber das meine ich gar nicht negativ! Über den Ablauf müssen wir nicht mehr nachdenken, das ist ein Automatismus. Trotzdem gehen wir auf jedes Publikum individuell ein! Jeder Saal ist anders. Es gibt Sitzungen, wo alle kostümiert sind und ausgelassen feiern, dann gibt es Sitzungen, wo lauter geladene Gäste in Anzug anwesend sind. Damensitzungen sind besonders klasse! Die feiern sich gerne auch einfach mal selbst – das finde ich toll und macht es für uns natürlich leicht. Man darf aber auch nicht vergessen: Das Karnevalsgeschäft ist eine unglaublich gute Schule! Dieses Geschäft bereitet dich auf alles vor, was im Rest des Jahres passiert. Man kann nach der Zeit die eigenen Songs extrem gut einschätzen und wir wissen am Ende genau, womit wir Stimmung erzeugen können. Das hilft auch auf Festivals oder Oktoberfesten ungemein! Und deswegen möchten wir diese Zeit auch auf keinen Fall missen und nehmen die Strapazen gerne auf uns.

In dieser Zeit muss man ja auch immer topfit sein! Wie haltet ihr das aus?

Henning Krautmacher: Oh ja! Bei fünf Auftritten am Abend sind wir einem großen körperlichen Stress ausgesetzt: Insgesamt stehen wir zweieinhalb Stunden auf der Bühne, wie bei einem normalen Konzert auch – aber zwischen den Auftritten müssen wir durchs ganze Rheinland fahren, rein in die heißen Hallen, raus in die kalte Winterluft – immer im Wechsel. Das ist extrem belastend. Für uns bedeutet das: keine kalten Getränke, Rauchen sowieso nicht, mindestens acht Stunden Schlaf, gesunde Ernährung und ganz wichtig: absolut kein Alkohol! Dann geht das!

Wie ist nach zwei Monaten und 200 Auftritten denn die Stimmung innerhalb der Band?

Henning Krautmacher: Der Karneval schweißt uns unheimlich eng zusammen! Und das kann man auch wörtlich nehmen: Wir sitzen ständig eng zusammen und schwitzen gemeinsam im engen Tourbus – da ist es enorm wichtig, dass man sich gegenseitig riechen kann! Wenn da mal die Chemie nicht mehr stimmen würde, dann wäre das ein eindeutiges Zeichen: Hör auf! Denn es wird nicht funktionieren. Wir sind alle abhängig voneinander und müssen uns zu 100 Prozent aufeinander verlassen können – das darf keiner auf die leichte Schulter nehmen! Dieses Bewusstsein muss auch jeder mitbringen, sonst funktioniert es nicht. Oft gibt es nach etwa der Hälfte der Session einen kleinen Durchhänger, wenn die Kräfte nachlassen und man trotzdem noch 100 Auftritte vor sich hat. Dann will man manchmal noch eine Minute länger im Bus sitzen bleiben, keine Fotos machen – da bin ich ehrlich, solche Phasen gibt es. Aber das ist ja auch verständlich. Man wird da auch ganz schnell wieder aufgefangen, spätestens nach 150 Auftritten fühlt man sich wie von einer Wolke getragen, es geht immer näher auf die tollen Tage zu und das merkt man dann auch dem Publikum an.

Hast du als Frontmann auch eine besondere Rolle innerhalb des Teams?

Henning Krautmacher: Nein! Nach außen mag das so wirken, als hätte ich alle Fäden in der Hand. Aber wir sind ein komplett demokratischer Haufen, zoffen und vertragen uns wie jede Großfamilie und haben alle Aufgaben gleichmäßig verteilt. So hat jeder seinen Verantwortungsbereich und muss schauen, dass er das gut erledigt.

Während der Session hockt ihr aber ja nicht nur innerhalb der Band eng aufeinander, ihr trefft ja auch beinahe täglich auf die anderen Karnevals-Größen. Wie ist die Stimmung zwischen den Musikgruppen?

Henning Krautmacher: Wir pflegen einen sehr kollegialen Umgang! Es gibt ja das so genannte Kölsche „Sixpack“ – die Fööss, die Paveier, Brings, Kasalla, Cat Ballou und wir. Wir tauschen uns regelmäßig untereinander aus und beratschlagen uns: Was ist in Ordnung, was ist nicht in Ordnung in der Szene? Dieser Zusammenschluss ist eine Art Gewerkschaft und wir dienen auch als Sprachrohr für die vielen anderen Bands. (hea/eis)

(Foto: Manfred Jasmund)