Seit 2015 spielt Meret Becker Kommissarin Nina Rubin im Berliner Tatort. Nun stehen die letzten Folgen mit ihr als Ermittlerin an. (Foto: rbb/JoachimGern)

Steckbrief: Meret Becker

  • Geboren am 15. Januar 1969 in Bremen.
  • Stammt aus einer Künstlerfamilie: Der Stiefvater ist Otto Sander, der Bruder Ben Becker.
  • Bereits als Kind erste Fernsehauftritte (u.a. „Rappelkiste“, 1974)
  • Seit Anfang der 90er Jahre regelmäßig als Schauspielerin im Kino und Fernsehen zu sehen.
  • Seit 2015: Kommissarin Nina Rubin im Berliner Tatort.
  • Auszeichnungen u.a.: Adolf-Grimme-Preis (1992), Goldene Kamera (1998), Berliner Bär (2016).

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Am Sonntag, 14. November, um 20.15 Uhr, zeigt das Erste den „Tatort: Die Kalten und die Toten“ mit Meret Becker und Mark Waschke als Ermittlerduo Nina Rubin und Robert Karow. Der Film handelt von einem Mord an einer jungen Frau, von Familien, die sich vor der Realität verstecken und von Ermittlungensmethoden, die Grenzen überschreiten. Wir haben mit der Hauptdarstellerin gesprochen.

Als Schauspielerin machen Sie ja regelmäßig Interviewtage wie heute mit. Ist das für Sie eher eine lästige Pflicht oder genießen Sie es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen?

Meret Becker: Bezogen auf den Film, um den es heute geht: Es ist nicht leicht, über dessen Inhalte zu reden. Aber mit jeden Interview, das ich gebe, lerne ich auch selbst etwas dazu und werde routinierter. 

Das musste ich auch feststellen: „Die Kalten und die Toten“ ist ein sehr vielschichtiger Tatort. Wie gehen Sie als Schauspielerin mit solch tiefgründigen Drehbüchern um? Ist es Ihnen wichtig, dass Sie ganz tief eintauchen oder versuchen Sie eher einen emotionalen Abstand zu halten, um sich nicht damit zu belasten?

Meret Becker: Es ist eine Mischung. Bei diesem Film werden Themen angesprochen, die teilweise auf wahren Fällen basieren. Das finde ich besonders eindrucksvoll – und wenn man diese Tatsache im Hinterkopf hat, gehen einem einige Szenen sehr, sehr nahe. An anderen Stellen steht aber auch der Pragmatismus im Vordergrund. Dann geht es um ganz praktische Dreharbeit und technische Abläufe oder kreative Schauspielarbeit. Auch bei solch schweren Themen wird hinter der Kamera viel gelacht, Humor spielt eine ganz wichtige Rolle – wir sind ja schließlich alles Menschen. Wir sind ein Team, wir diskutieren viel miteinander, tauschen uns über unser Leben aus und mitunter ist das auch manchmal sehr lustig. Und es gibt auch Szenen, die einfach Spaß machen beim Drehen – unabhängig vom Inhalt.

An welche Szene aus dem aktuellen Tatort erinnern Sie sich besonders positiv?

Meret Becker: Einige Passagen spielen in einer Gärtnerei – die Leute dort waren zum Beispiel unglaublich freundlich und haben uns sogar zwei riesige Paletten voll mit Blumen geschenkt. Das war noch während der Lockdown-Zeit und die Pflanzen konnten deswegen nicht ausgeliefert werden. Und auch im Taucherclub war ein ganz tolles Ambiente: Alte Boote hingen an der Wand, im Fernsehen lief ein Ruderwettbewerb. Wir hatten dort die Chance, die Clubmitglieder kennenzulernen und fühlten uns beinahe wie ein Teil dieses Vereins. Die Sonne schien, es war arschkalt und der See war zugefroren, was unheimlich schön aussah. Sowas macht dann richtig Spaß!

„Die Kalten und die Toten“ ist der zweitletzte Tatort mit Ihnen als Ermittlerin. Spüren Sie schon Abschiedsschmerz?

Meret Becker: Den gibt es schon länger! Es gibt immer wieder Momente, vor allem mit Mark, wo es mir bewusst wird. Noch habe ich mich dann im Griff – beim letzten wird es aber sicher heftig. 

Nina Rubin – die Kommissarin, die Sie spielen – ist kein ganz einfacher Charakter. Würden Sie sich privat als Meret Becker mit ihr verstehen?

Meret Becker: Ja, ich glaube schon – auch wenn Sie mir manchmal sicher auch auf den Sack gehen würde (lacht). Wirklich beantworten lässt sich die Frage natürlich nicht, denn es werden ja immer nur Ausschnitte der Persönlichkeit gezeigt. Es fällt mir schwer, mir die Lücken vorzustellen, ohne mich selbst darin zu sehen. 

Ist die Rolle als Tatort-Kommissarin eher Fluch oder eher Segen? Es ist ja ein Label, von dem man sich als Schauspielerin nur schwer lösen kann.

Meret Becker: Es ist beides. Einerseits ist man dadurch Teil eines wichtigen Stücks Fernsehgeschichte – das ist etwas Besonderes. Für mich ist der Tatort-Ermittler auch immer noch Schimanski. Inzwischen sind viele aber nicht mehr so eng mit der Rolle verbunden, wie Götz George es damals war. George hatte durchaus das Problem, sich nur schwer von Schimanski lösen zu können – das ist heute anders. Ich habe auch wahnsinnig viel gelernt in dieser Zeit. Es war nicht immer unbedingt meine Welt: Die Art, wie die Filme produziert werden, die Grenzen, die einem im Rahmen der Dreharbeiten gesetzt werden – daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Ich bin von Natur aus ein eher uferloser Mensch, der gerne hinter Türen schaut, von denen es heißt, sie dürfen nicht geöffnet werden. Es war aber spannend, mich darauf einzulassen und auf das Team einzugehen. So entsteht ein Miteinander, was ich ganz toll finde. Mit Mark hatte ich auch das erste Mal über so lange Zeit einen Spielpartner an meiner Seite. Nur mein Gitarrist begleitet mich schon länger. Das ist schon irre!

Meret Becker und Mark Waschke sind in den „Tatort“-Produktionen des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) als Kommissare Nina Rubin und Robert Karow zu sehen. (Foto: rbb/ARD Degeto/Aki Pfeiffer)

Sie beide werden auch nach der letzten Folge noch weiter Kontakt haben, nehme ich an?

Meret Becker: Man weiß es nie sicher – manche Dinge verlaufen sich auch. Aber ich wünsche mir, dass wir den Kontakt halten. Ich kann auch nach 15 Jahren Pause mit jemandem genau dort anknüpfen, wo wir aufgehört haben, mit ihm reden, als sei das letzte Treffen vorgestern gewesen. Vielleicht feiern Mark und ich aber auch einfach weiterhin unsere Geburtstage zusammen – das wär scheen!

Die Dreharbeiten fanden unter „Green Producing“-Standards statt – eine nachhaltige Produktion also. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Meret Becker: Inzwischen wird das bei Produktionen sehr häufig gemacht. Deswegen kann ich gar nicht genau sagen, wie sich das speziell bei diesem Dreh ausgewirkt hat. Aber generell finde ich, dass Nachhaltigkeit ein super wichtiges Thema ist – und da ist noch sehr viel Luft nach oben. Leider hat uns die Pandemie in dieser Hinsicht zurückgeworfen: Plötzlich musste man überall nur noch aus Plastikbehältern und Styroporkartons essen. Ich habe mich gefragt, wozu eigentlich: Man kann doch Geschirr wunderbar bei 60 oder 90 Grad spülen – da geht das Virus doch auch kaputt! Ich finde es super, wenn das Catering vegetarisch ist und es nur einmal die Woche Fisch und Fleisch gibt! Darum bemühen sich inzwischen viele. Das finde ich toll!

Sie haben es gerade schon kurz erwähnt: Sie sind auch als Musikerin unterwegs. Wie ist denn da die aktuelle Situation? Sind Sie schon wieder live auf Bühnen zu sehen?

Meret Becker: Es sind ein paar Konzerte ab Ende Januar angesetzt. Die Situation ist aber immer noch schwierig, denn die Leute sind sehr zögerlich und die Branche ist noch weit weg davon, sich zu regenerieren. Das Publikum hat sich in gewisser Weise entwöhnt. Die vielen Monate im Lockdown haben den Menschen die Kunst ausgetrieben. So ist nun alles etwas aus dem Takt: Die Musiker sind überall verstreut, haben andere Engagements angenommen, dadurch sind Proben schwieriger zu organisieren, alles ist aufwendiger geworden und nicht wirklich groovy. Aber wir wollen das wieder hinkriegen – hoffentlich klappt das ab 2022! 

Wenn Sie sich entscheiden müssten: Nie wieder vor die Kamera oder nie wieder auf die Bühne? 

Meret Becker: Nie wieder vor die Kamera. Auf das Bühnenleben möchte nicht verzichten … (denkt nach) … wobei ich mich eigentlich gar nicht festlegen möchte. Ich sehe mich als darstellende Künstlerin, ich bin weder eine klassische Schauspielerin, noch eine typische Musikerin. Ich bin eher ein Mensch, der etwas erzählt – indem ich Filme oder Musik mache oder möglicherweise auch noch etwas ganz anderes. Ich bin auf kein Genre spezialisiert. 

Schauen Sie sich die Filme, in denen Sie mitspielen, gerne selbst an? Es gibt meiner Erfahrung nach da zwei ganz unterschiedliche Sorten Schauspielerinnen: Die einen, die jeden Film ganz selbstverständlich anschauen, um sich selbst auch besser beurteilen zu können – und diejenigen, die das ganz unangenehm finden. Zu welcher Sorte zählen Sie sich?

Meret Becker: Eher zur letzteren. Aber ich gucke es mir dennoch an – auch um mich zu verbessern, aus Neugierde und man sieht den Film bei der Nachbearbeitung und auf Premieren. Dann ist da so ein bestimmter Verlauf: Das erste Kucken ist ganz schlimm, beim zweiten Mal denkt man – geht doch, beim dritten Anschauen dann wieder überhaupt nicht. So durchlebt man dabei ziemlich viele Wechsel. Ich kann ja inzwischen auch Filme mit mir schauen, zu denen ich so viel Abstand habe, dass es mir vorkommt, als würde ich meiner eigenen Tochter zusehen. Dabei bin ich dann ganz fasziniert und denke: „Wow, abgefahren! Dass ich mich das getraut habe!“

Gibt es eine Rolle, in der Sie sich im Nachhinein besonders gerne gesehen haben?

Meret Becker: Ja, es gibt einen Film den ich jetzt aktuell wirklich sehr, sehr gerne geschaut habe – und ich bin wirklich stolz, dass ich da mitwirken konnte: „Fabian oder der Gang vor die Hunde“, ein Meisterwerk von Dominik Graf.

Zum Abschluss: Welche Wünsche haben Sie für die kommenden Wochen und Monate?

Meret Becker: Ich möchte gerne das alles umsetzen können, was ich mir vorgenommen habe – und zwar mit der nötigen Ruhe und Ausgeglichenheit. So dass ich trotz der Projekte auch noch für meine Familie und meine Freunde da sein kann – das wünsche ich mir! Und wenn wir nebenbei noch die Welt retten können und die Vielfalt umarmen, wäre das perfekt (lacht)!