„Ich habe eigentlich eine Leidenschaft für Komödien“

Unter vier Augen: Jürgen Tonkel spricht mit dem PFALZ-ECHO über die Herausforderungen in seiner Rolle als „Paul Böhmer“, über Talent, Fleiß und Glück und über lustige Phasen als Schlagzeuger

Steckbrief: Jürgen Tonkel

  • 1962 in Höhenrain am Starnberger See geboren
  • In den 80ern Schlagzeuger u. a. in der NDW-Band IDB (Innerdeutsche Beziehungen)
  • Mitwirkung in über 50 Fernsehproduktionen, z. B. „Hausmeister Krause“ und „Tatort“
  • Seit 2005 auch im Theater am Kurfürstendamm mit der Komödie „Männerhort“, zusammen mit Christoph Maria Herbst, Michael Kessler und Bastian Pastewka
  • Seit 2012 als Kriminalhauptkommissar Paul Böhmer in der Krimiserie „Die Chefin“
  • Verheiratet, lebt in München

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Herr Tonkel, Sie spielen in der Krimiserie „Die Chefin“ den Kriminalhauptkommissar Paul Böhmer. Dieser hat eine dunkle Vergangenheit und wäre früher fast im Gefängnis gelandet. Er kennt die Straße und die Straße kennt ihn. Das ist ihm aber bei seinen Ermittlungen des öfteren ganz hilfreich, oder?

Jürgen Tonkel: Absolut! Paul Böhmer ist ein Kerl mit Kanten und mit einer gewissen Rauheit ausgestattet. Es ist schön, dass ich den Charakter zusammen mit den Verantwortlichen der Produktion und Redaktion so gestalten durfte. Er sollte eine ziemlich harte Jugend hinter sich haben und ein Mann sein, der sich irgendwann entscheiden musste, ob er kriminell wird oder sein Leben auf die sichere Bahn bringt. Das hat er dann tatsächlich geschafft. Natürlich hat er seine ganzen Erfahrungen mitgenommen und ist eben kein Anzug tragender, aalglatter Kriminalkommissar geworden, sondern einer, der ganz eigene Qualitäten mitbringt, der keine Angst oder Berührungsängste im Milieu hat. Er ist ein – wie ich es nenne – „Straßenhund“, aber er steht auf der richtigen Seite. Er hat auch den Ton, den die Straße akzeptiert, er hat seine Informanten, kann auch mal richtig hin fassen und sich Respekt verschaffen. Das ist eben das Besondere an dieser Figur, die auch ein bisschen mit seiner Chefin Vera Lanz, gespielt von Katharina Böhm, oszilliert, denn sie hat als Frau nochmals eine ganz andere Aura. Das Schöne daran ist, dass dieses Konzept auch vom Publikum angenommen wird, und die Menschen dem gerne zuschauen. 

Wie schafft er es, nicht wieder in die falschen Kreise zurückzukehren? 

Jürgen Tonkel: In der Tat besteht diese Gefahr bei ihm. Es passiert tatsächlich, dass immer wieder alte Geschichten oder auch das Milieu auf ihn zukommen. Auch in der kommenden Staffel gerät er da in Schwierigkeiten und muss versuchen, das wieder in den Griff zu bekommen. Ein Teil der Figur macht eben auch aus, dass nicht immer alles glatt und rund läuft. In einer Folge zum Beispiel taucht nach 20 Jahren eine ihm damals bekannte Prostituierte auf und bittet ihn um Hilfe. So wird er in eine heftige Geschichte rein gezogen und gerät wirklich in Schwierigkeiten. Um Ihre Frage zu beantworten, ja die Gefahr besteht bei ihm in der Tat. 

Wie Sie schon sagten, hat Paul Böhmer ein sehr markantes und überzeugendes Auftreten. Wenn ich mir Ihre Vita ansehe, zieht sich dieses Schema durch Ihre bereits verkörperten Rollen. Hier fühlen Sie sich zuhause.

Jürgen Tonkel: Ja, das mag sein, aber ich muss auch sagen, dass ich mich doch auch durch ein großes Spektrum von Rollen spiele. Ich habe beispielsweise einen Kosmetikvertreter gespielt – ein ganz armseliges Würstchen –, der richtig zugrunde geht („Die Hummel“), oder einen charmanten Arbeitsamtsvermittler, der völlig überfordert ist („Das Kindermädchen-Mission Kanada“). Diese Figuren sind doch weit entfernt von einem Paul Böhmer. Ich habe auch diverse Male einen Bürgermeister gespielt, zum Beispiel den Gegenspieler zu Fritz Wepper in „Um Himmels Willen“. Das war eher komödiantisch angelegt, und überhaupt habe ich eine Leidenschaft für Komödien. Vor 20 Jahren habe ich sogar „Hausmeister Krause“ gemacht – superbrachiale Comedy. Natürlich ist das momentan alles mehr in den Hintergrund gerückt, da „Die Chefin“ sehr erfolgreich ist und ich damit den Großteil des Jahres beschäftigt bin. Ich versuche, dazwischen – soweit es mein Zeitplan zulässt – noch Rollen einzustreuen, die dann gerne komödiantisch sein dürfen. Zum Beispiel den Bürgermeister in „Marie fängt Feuer“.

Die Produktion einer Krimiserie stelle ich mir sehr spannend und aufregend vor. Wie ich gelesen habe, wird viel mit Polizeifachberatern zusammengearbeitet, die die Drehbücher im Rahmen der Serie auf Realitätsnähe prüfen. Bekommen Sie als Schauspieler davon auch etwas mit?

Jürgen Tonkel: Ja, unbedingt. Es ist in der Tat so, dass wir Berater haben, die oft auch am Set sind. Wir spielen ja teilweise auch mit Original-Polizisten. Es fängt schon damit an, dass man wissen muss, wie eine Verhaftung mit Handschellen durchgeführt wird. Paul Böhmer gerät auch öfter mal in Schlägereien, was vorher geübt werden muss. Die Vorbereitung geht bis hin zu Schießtrainings, denn man kann nicht einfach eine Waffe in die Hand nehmen und sagen: „Sie sind verhaftet.“ Die hält man sonst „mit zwei linken Händen“. Das sollte schon alles geübt sein und professionell aussehen. Und bevor wir am Set sind, wird geprüft, ob wir bei Ermittlungen entsprechend vorgehen dürfen oder nicht. Das geht also von der Theorie bis zur Praxis. Diese Art von Arbeit macht mir persönlich sehr viel Spaß, wir bekommen durch den Kontakt zu echten Polizisten sehr viel mit und das ist für mich eine große Bereicherung.

Sie haben nie eine Schaupielausbildung absolviert. Trotzdem zählen Sie zu den bekanntesten deutschen Schauspielern. Wie lautet Ihr Geheimrezept dafür? Großes Talent, viel Fleiß oder viel Glück?

Jürgen Tonkel: Da haben Sie jetzt genau die richtigen drei Punkte angesprochen. Man braucht natürlich Talent, das ist ganz klar. Auch muss man extrem fleißig sein, um sich in so einen Job einzuarbeiten und letztendlich spielt auch Glück eine große Rolle. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Auf jede Rolle passen eigentlich immer mehrere Schauspieler, die den Charakter spielen können. Aber es müssen so viele Aspekte passen, damit gesagt wird: „Das ist der oder die Richtige!“ Ein Großteil unseres Berufs besteht aus Vorsprechen und Castings, um dort zu zeigen, was man anzubieten hat. Die entscheidende Frage ist dann, ob das, was du persönlich mitbringst, gerade das ist, was gesucht wird. Ich bin tatsächlich Autodidakt und habe mich mit sehr viel Intensität und Leidenschaft in diesen Beruf „reingearbeitet“. In unserem Beruf ist alles möglich. Es gibt ja viele Schauspieler, wie zum Beispiel Jürgen Vogel, Elias M’Barek oder Moritz Bleibtreu, die nie auf einer Schauspielschule waren, sondern ihren Weg nach dem Prinzip „Learning by Doing“ gemacht haben. Kannst du’s? Machst du etwas, das den Zuschauer interessiert? Dann bist du dabei! Nun muss man allerdings dazu sagen, dass ich als junger Schauspieler schon an meinem „Handwerk“ gefeilt habe. Ich habe mein verdientes Geld immer wieder in private Schauspiellehrer – auch aus den USA – investiert, habe an vielen Schauspiel-Workshops teilgenommen. Das Handwerk habe ich mir schon auf einer gewissen Ebene angeeignet, aber ich habe halt kein Diplom. Es sind beide Wege möglich – mit Ausbildung oder ohne.

So konnten Sie sich im Gegensatz zur regulären Schauspielausbildung selbst aussuchen, wie und was Sie lernen möchten und was nicht.

Jürgen Tonkel: Genau, das habe ich sehr lange gemacht – und bis heute erfreue ich mich an der Tatsache, dass ich in meinem Job immer noch dazulerne …

Sie waren in den 80er Jahren Schlagzeuger in Punk-Bands. Ich war doch etwas überrascht, das zu lesen.

Jürgen Tonkel: Ja genau, da reden wir von 1980, 81 und 82. Das ist jetzt mehr als 40 Jahre her. Ich war jung und habe unter anderem in einer Punk-Band gespielt, die ganz erfolgreich war. In den 80er Jahren habe ich mich durch viele Bands durch getrommelt und bin darüber dann auch durch Zufall zur Schauspielerei gekommen. Es war eine lustige Phase, die ich aber auch wieder verlassen habe (lacht). Ich war jung und wild und habe es einfach gemacht!

„Die Chefin“, neue Folgen ab Freitag, 22. Oktober, 20.15 Uhr, im ZDF.