Sie machen seit mehr als 35 Jahren sehr erfolgreich Musik. Wie bleibt man nach so langer Zeit immer noch hungrig und neugierig auf Neues?

Thomas Anders: Ich glaube, das hängt auch damit zusammen, dass ich meinen Beruf liebe und weil es meine Leidenschaft ist. Dazu kommt natürlich noch etwas Anderes: Wenn ich 35 Jahre lang erfolglos Musik gemacht hätte, wäre vielleicht auch mir die Lust ein wenig verloren gegangen. Aber dem ist ja nicht so. Ich freue mich und bin dankbar, dass ich erfolgreich bin und Karriere gemacht habe. Ich bin generell auch ein kreativer Mensch und probiere mich gerne aus, nicht nur in der Musik.

Ist Ihnen der Erfolg erst einmal egal, wenn Sie etwas Neues ausprobieren wollen? Steht der künstlerische Anspruch, den Sie selbst an sich stellen, für Sie im Vordergrund?

Thomas Anders: Sagen wir mal so: Wenn man etwas Neues beginnt, darf man grundsätzlich keine Angst vorm Scheitern haben, aber man beginnt auch nichts, wenn man von Anfang an nicht an den Erfolg glaubt. Wenn ich eine Passion für etwas habe, bei dem von Anfang an klar ist, dass es kein Publikum dafür gibt, dann mache ich das privat und nur für mich selbst. Erfolg ist eine Reflexion von Anerkennung. Das wollen wir doch alle. Jeder möchte Anerkennung und Respekt erhalten und jeder möchte geliebt werden. Deshalb möchte auch ich, dass das, was ich mache, erfolgreich wird. Aber dafür gib es keine Garantie.

Ich habe Ihre Biografie gelesen und erfahren, dass Sie mit Schlagermusik angefangen haben. Später ging es für Sie mehr in die Popmusik. Jetzt bewegen Sie sich wieder in Richtung Schlager mit der neuen Platte. Ist der Schlager Ihre heimliche Liebe?

Thomas Anders: Nein, die Musik ist meine Liebe. Dann ist es vollkommen egal, ob ich Schlager oder Pop singe. Musik macht mir einfach Freude. Aber wenn man wie ich, 35 Jahre lang so gut wie nur Englisch gesungen hat, dann muss man sich ganz neu mit deutschen Songs auseinander setzten. Man betont zum Beispiel die Worte ganz anders als auf Englisch. Ich habe mit und durch die deutsche Musik wieder einen ganz anderen Bezug zu unserer Sprache gefunden. Das macht mir momentan große Freude. Deswegen will ich aber nicht sagen, dass Schlager eine heimliche Liebe von mir ist. Ich freue mich einfach und bin voller Elan, dass ich wieder deutsch singe.

Sie machen derzeit einen regelrechten Spagat. Sie spielen in der kommenden Zeit mit der Modern Talking Band in Moskau, in Kanada, dann in Polen und Israel. Danach gehen Sie auf Deutschland-Tournee mit den deutschen Songs. Sie sind sehr vielseitig unterwegs.

Thomas Anders: Das empfinde ich gar nicht so. Aber im Grunde ist das auch vollkommen egal. Für mich ist der Unterschied gar nicht so groß. Ein Modern Talking Song mit einem deutschen Text wäre auch Pop-Schlager, wenn man die Kategorisierung bemühen möchte. Da tut sich nicht viel. Das ist doch alles Musik – Musik, die ich mag und gerne singe.

Wenn Sie in Deutschland Ihre neue Platte promoten, singen Sie dann auch Modern Talking Songs?

Thomas Anders: Ja, natürlich. Genau das wollen die Leute ja auch. Mit Modern Talking hatte ich all die Jahre große Erfolge. Diese Songs muss und möchte ich natürlich in mein Tour-Programm aufnehmen. Ich habe die Show jetzt noch nicht komplett konzipiert, die Songs stehen noch nicht fest. Das ist meine Aufgabe, die ich – neben Fernsehauftritten, Interviews und Auslandshows – bis Ende Dezember „erfüllen muss“. Bis dahin muss das Programm stehen. Auch das Bühnen-Setup muss noch gemacht werden. Das ist auch mit das Besondere bei meinen Konzerten: Ich singe zum einen die internationalen Hits von Modern Talking und zum anderen erreiche und begeistere ich hoffentlich die Menschen mit meinen deutschen Songs. Ich bin sehr froh darüber. Ich hoffe, dass das Publikum das auch so empfindet.

Mit Modern Talking hatten Sie einen exorbitanten Erfolg – auch das Comeback. Es gab aber auch ein paar Disharmonien. Schaut man eher mit Wehmut oder mit Freude zurück auf die Modern-Talking-Zeit?

Thomas Anders: Mit Wehmut schaue ich auf gar keinen Fall zurück, eher mit Dankbarkeit, dass ich diesen weltweiten Erfolg haben durfte. Das ist ja nicht selbstverständlich – und ich fühle mich noch nicht am Ende angekommen. Ich bin auch dankbar, dass ich immer noch dabei bin. Es gab natürlich in meiner Karriere auch Höhen und Tiefen, die gehören dazu. Bei jedem Künstler gibt es Wellenbewegungen, zum Beispiel auch bei Madonna – ohne dass ich mich mit ihr vergleichen möchte (lacht). Es gibt immer ein paar Jahre, in denen man nicht mehr an der Top-Front steht.

Markus Eisel traf Thomas Anders. (Foto: privat)

Gucken Sie auch mal danach, was der alte Kollege macht – Dieter Bohlen?

Thomas Anders: Ganz wenig. Nicht, weil ich ihn mir nicht angucken will, sondern weil mich diese Form der Fernsehunterhaltung nicht so interessiert.

Sie haben aber auch bei einer Casting Show mitgemacht oder?

Thomas Anders: Ja das stimmt, da mich das Konzept von X Factor überzeugt hat und die Musikalität wirklich im Fokus steht. Und das empfinde ich bei anderen Casting Shows oft nicht so. Das schaue ich mir dann nicht gerne in meiner Freizeit an.

Mit der Moderation von „Du ahnst es nicht“ haben Sie jetzt noch ein zweites Standbein. Haben Sie sich selbst auch schon untersuchen lassen?

Thomas Anders: Ja, das mache ich einmal im Jahr. Ich gehe regelmäßig zum Arzt (lacht).

Haben Sie Ihren Namen auch schon einmal untersuchen lassen (lacht)?

Thomas Anders: Noch nicht.

Wie findet man heraus, wo ein Name seinen Ursprung hat? Das stelle ich mir schwierig vor.

Thomas Anders: Auf der einen Seite geht es hier um die deutsche Sprache und die Entwicklung und auf der anderen Seite kann man viel über die sogenannte Verbreitungskarte erkennen. In welcher Region gibt es eine starke Häufung des Namens bzw. wie ist der Nachname über Deutschland verteilt. Man muss dabei wissen, dass die Menschen früher eigentlich immer gewandert sind. Und es ist auch interessant wie und wann Nachnamen entstanden sind. Im Mittelalter hatten die Menschen eigentlich nur Vornamen. Als die Dörfer noch klein waren, war das kein Problem. Da gab es in dem Dorf den Johannes und den Klaus. Als die Dörfer aber größer wurden und auf einmal mehrere Menschen denselben Namen hatten, musste eine Unterscheidung her und es gab es einen Namensanhang. Wenn der Vater von Johannes z.B. Michael hieß, wurde Johann „Michaels Johannes“ genannt. So hat man sich damals geholfen. Als die Bevölkerungszahlen zunahmen, bekamen die Menschen Nachnamen. Und als erstes wurde geschaut, welchem Beruf der Mensch nachging – das waren die ersten Nachnamen: Müller, Schmied, daraus wurde Schmidt. Es gab auch Berufe, die sich zusammensetzten. Wir hatten mal eine Frau in der Sendung, die hieß „Schickedans“. Sie wollte wissen, wo ihr Name herkommt. Ganz einfach: Ihre Vorfahren bei Hofe lehrten den schicklichen Tanz. Sie waren also Tanzlehrer. In diese Wissenschaft kann man sich einarbeiten, das ist kein Hexenwerk.

Wie kam es dazu, dass Sie diese Sendung moderieren?

Thomas Anders: Ich bin grundsätzlich offen, für alles, was kommt und mich interessiert. Man darf sich nicht versperren und keine Angst vor Veränderungen haben. Die ursprüngliche Idee vom ZDF war, dass ich als prominenter Gast in die Sendung kommen. Es stellte sich dann heraus, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Moderator für die Sendung gab. Die Produktionsfirma und das ZDF kamen dann auf mich als Moderator. Es wurde eine Pilotsendung gedreht. Kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr kam dann auch das Go vom ZDF für fünf Folgen. Aktuell läuft die erste Staffel und die Quoten sind gut. Die fünfte Folge läuft am 9. Dezember im ZDF und ich hoffe, dass wir dann bald in die Verlängerung gehen.

Planen Sie in Zukunft weitere Moderationen zu übernehmen?

Thomas Anders: Man muss sehen, was passiert, was mich interessiert und ob ich Zeit habe. Mein Hauptaugenmerk ist und bleibt aber die Musik. Ich habe öfter mal Anfragen, aber mir fehlt oft einfach die Zeit dafür.

Das zeigt, dass Sie gefragt sind…

Thomas Anders: …also klagen auf hohem Niveau (lacht).

Haben Sie musikalische Vorbilder?

Thomas Anders: Ich lasse mich inspirieren. Barbra Streisand hat es richtig drauf. Das ist eine ganz hohe Messlatte. Ich mag ihre Form von Entertainment. Das ist auch ein bisschen so in meiner Show. Ich habe keine zehn Tänzer an der Seite und ich springe auch nicht durch einen Feuerreifen, aber ich nehme die Menschen mit auf eine emotionale Reise. Ich erzähle den Menschen gerne Dinge auf der Bühne. Und die Menschen mögen das. Ich erkläre zum Beispiel auch gerne Titel – nicht jeden Titel, „Cheri Cheri Lady“ muss ich nicht erklären (lacht) – aber manche Titel brauchen eine gewisse Einordnung oder Erklärung, was mich zu dem Song bewogen hat, um sie richtig zu empfinden und zu verstehen.

Sie sind 39 Jahre plus. Ist für Sie die Musikkarriere endlich oder machen Sie es wie die Stones?

Thomas Anders: Man müsste sagen, wenn die mit Mitte 70 auf der Bühne stehen, kann ich es auch. Das hängt aber auch von der Gesundheit ab. Grundsätzlich ist eine Karriere aber endlich. Ich will mir definitiv ersparen, im Publikum Menschen sitzen zu haben, die Mitleid mit mir empfinden. Das ist unwürdig.

Es ist eine Kunst, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg zu erwischen.

Thomas Anders: Richtig. Und deshalb kann ich überhaupt nicht sagen, wann meine Karriere beendet sein wird. Ich weiß ja nicht, in welcher Verfassung ich im Alter sein werde. Es gibt 80-Jährige, die topfit sind. Natürlich sind sie alt, aber sie sind klar im Kopf, sie können sich noch gut bewegen und die haben noch eine Ausstrahlung. Es gibt aber andere, die sind 60 und kaputt. Für mich hoffe ich aufs Ersteres (lacht).

Warum nennen Sie sich Thomas Anders? Wie kamen Sie auf den Namen?

Thomas Anders: Weil Bernd Weidung der damaligen Plattenfirma nicht gefällig genug war. Mein Produzent meinte, dass Bernd Weidung kein Mensch verstehen bzw. sofort erinnern würde und es zu Nachfragen käme. Und das stimmte auch. Wenn ich als Kind in ein neues Schuljahr kam und neue Lehrer erhielt, fragten diese immer zweimal nach meinem Nachnamen. Und wenn im Radio der Name des Künstlers vor oder nach einem Song genannt wurde, wurde aus Bernd Weidung Thomas Anders.

Sind Sie mehr Bernd Weidung oder Thomas Anders?

Thomas Anders: Ich bin Mensch. Bernd Weidung ist dieselbe Person wie Thomas Anders. Ich kann mir nicht mein Tarnkäppchen aufsetzen und sagen „Heute bin ich Bernd Weidung, sprecht mich nicht an“. Für die Öffentlichkeit bin ich Thomas Anders, für das Finanzamt bin ich Bernd Weidung (lacht).

Sie haben eine Weltkarriere hingelegt. Wie schafft man es trotzdem, so bodenständig zu bleiben?

Thomas Anders: Reine Bequemlichkeit (lacht). Alles andere ist furchtbar anstrengend, so würde ich nicht leben wollen. Gegenfrage, wie stellt man sich denn jemanden vor, der eine großartige Karriere hinter sich hat? Wie soll der leben?

Man stellt sich einen Promi in einem Kokon lebend und distanziert vor. Diesen Eindruck machen Sie gar nicht. Sie sind einfach sehr bodenständig und normal.

Thomas Anders: Das bin ich ja auch. Ich gehe morgens ins Bad wie jeder andere auch, wenn ich Zahnschmerzen hab, will ich nicht zum Zahnarzt, gehe aber trotzdem. Gut, ich habe einen Beruf, der mich in die Öffentlichkeit gebracht hat und ich habe vielleicht ein paar Cent mehr als andere Leute. Aber ich kenne zahlreiche Leute, die viel mehr Geld haben als ich. Mich wundert immer die Fantasie der Menschen, wie sie sich mein Leben vorstellen.

Wir haben schon viele Interviews mit bekannten Persönlichkeiten geführt. Und nicht selten haben wir andere Erfahrungen gemacht…

Thomas Anders: Ich frag mich da manchmal auch, warum ist man so, nur, weil man bekannt ist? Ich habe oft den Eindruck gewonnen, dass das viel mit Unsicherheit zu tun hat. Es gibt viele Menschen in meiner Branche, die fühlen sich nicht so richtig wohl oder sicher mit dem, was sie tun. Das kann ich für mich gar nicht nachvollziehen. Ich fühle mich einfach bombig. (eis)