Wer kennt Holger Ebert? Nein? Wie sieht es aus mit Vince Ebert? Schon mal gehört? Vince alias Holger Ebert ist ein deutscher Kabarettist, Vortragsredner, Moderator und Autor. Er ist u. a. derzeit mit seinem Programm „Zukunft is the Future“ auf Tour. Redakteurin Regina Teutschländer traf den „Wissenschafts-Kabarettisten“ vor seinem Auftritt im Universum in Landau.

Sie sind derzeit mit Ihrem Programm „Zukunft is the Future“ in ganz Deutschland unterwegs. Wie sieht denn so ein typischer Tourtag von Ihnen aus?

Vince Ebert: Heute war es ganz schlimm. Ich musste schon um halb acht in Frankfurt in den Zug steigen, weil ich einen Vortrag in Aachen hatte. Das macht einen riesen Spaß, steht aber nicht auf dem Tourplan. Dann denken die Leute: „Ach, der Künstler schläft bis in die Puppen und steht dann irgendwann mal auf, zieht sich nen Cognac rein und geht dann auf die Bühne.“ Der Alltag sieht aber so aus: Ich muss früh aufstehen, dann nach Aachen fahren, den Vortrag halten, wieder mit dem Zug zurück, danach mit dem Auto auf die Autobahn und nach Landau fahren. Also, es ist schon ein Knochenjob. Das Auftreten selber macht Riesenspaß – egal, ob für Firmen oder auf der normalen Bühne –, aber dieses „Rumreisen“ überhaupt nicht und ist das Aufwändigste an diesem Job.

Und nach der Show?

Vince Ebert: Dann geht es wieder nach Hause. Ich bin ja „Heimschläfer“. Also Landau-Frankfurt ist ja jetzt nicht so brutal, aber wir fahren ja auch von Hamburg wieder nach Hause – mitten in der Nacht.

Gibt es da einen gewissen Reiz, auf der Bühne zu stehen?

Vince Ebert: Nee, also ich mache es nur wegen dem Geld! Ich könnte auch Kühlschränke verkaufen (lacht)! NEIN, natürlich macht es schon Riesenspaß und es ist ein großes Privileg, mit den Gedanken, die man sich zusammenspinnt, auf die Bühne zu gehen. Die Ideen so zu verarbeiten, dass es die Leute interessiert und dass sie einem inhaltlich zwei Stunden lang folgen. Das macht schon Spaß. Vor allem, wenn man merkt, dass Leute, die das Programm zum ersten Mal gesehen haben, sagen: „Ihr Name hat mir vorher nichts gesagt, aber das war ja super! Ich komme zum nächsten Programm!“

Sie sind ja ein Allround-Talent: Sie geben Live-Shows, moderieren z. B. die ARD-Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“, halten Vorträge und schreiben Bücher. Was macht eigentlich davon am meisten Spaß?

Vince Ebert: Das macht Spaß, weil es tatsächlich so vielfältig ist. Ich hatte auch mal ein Live-Programm, das ich über 230 Shows lang jeden Abend gespielt habe – immer dasselbe Programm. Und das hängt einem irgendwann mal zum Hals raus. Zurzeit bin ich bei 80 Live-Shows, 80 Vorträgen und zwischendurch: Bücher schreiben. Diese Abwechslung – obwohl es genauso viel Arbeit ist – macht es erträglich, weil man jeden Tag etwas anderes macht.

Gibt es da noch Zeit für ein Privatleben?

Vince Ebert: Doch. Meine Frau ist ja Schauspielerin und hat eigentlich einen identischen Tagesablauf wie ich. Das heißt, sie ist auch häufig abends weg. Dafür sind wir beide oft tagsüber zuhause – wenn nicht gerade Vorträge in Aachen sind.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten? Haben Sie ein bestimmtes Hobby?

Vince Ebert: Nee, ich hab kein Hobby. Ich sehe ja meinen Beruf nicht als Arbeit an. Ich mach ja eigentlich das, was mir Spaß macht – und kriege auch noch Geld dafür (lacht). Das wäre ja so, als würde jemand sagen: „Mein Hobby ist, abends im Hobbykeller die Spielzeugeisenbahn laufen zu lassen“, um dafür noch Geld zu bekommen (lacht).

Sie sind ja ursprünglich Diplom-Physiker. Wie haben Sie denn Ihr Unterhaltungs-Talent entdeckt?

Vince Ebert: Das waren ja eigentlich andere Leute, die mir das gesagt haben. Ich selber wäre da – ohne Witz – nie drauf gekommen. Am Anfang war klar, dass ich Physik studiere. Danach wollte ich nicht in die Forschung gehen und habe Unternehmensberatung gemacht, war aber immer unzufrieden. Das Studium selber hat Spaß gemacht, nur danach wusste ich nicht richtig, was ich damit anfangen sollte. Und in so klassischen Unternehmensstrukturen habe ich mich auch nicht richtig wohlgefühlt. Mir haben dann immer wieder Leute gesagt: „Du kannst die Sachen nicht erzwingen. Geh doch auf die Bühne!“ Erst als ich mit dem Job so verzweifelt war, dass ich gesagt habe: „Ich halt das nicht mehr aus!“, wollte ich etwas ändern. Ich dachte mir: „Was kann da schon groß passieren?“ Ich bin dann wirklich – mehr oder weniger – von außen gedrängt worden. Ich hab das also quasi aus einem Leidensdruck heraus – weil ich so unzufrieden mit dem Job war – begonnen. Und das hat mir dann relativ schnell sehr viel Spaß gemacht und ich habe gemerkt: „Ach, das könnte auch was werden!“ und so hat sich das dann ergeben.

In Deutschland gibt es ja recht viele Kabarettisten und es werden auch immer mehr. Wie schafft man es, sich durchzusetzen?

Vince Ebert: Ich habe halt dieses spezielle Thema. Außer Dr. Eckart von Hirschhausen, der das in Richtung Medizin macht, gibt es sonst keinen anderen. Die Leute tun sich auch immer schwer, weil sie sagen: „Naja, Kabarett machen die ja eigentlich nicht, die reden ja nicht über Politik, sie machen aber auch keine klassische Comedy.“ Dann sag ich immer: „Ich mache so eine Art Erwachsenbildung!“. Dadurch, dass ich so eine Nische für mich entdeckt habe, war es am Anfang schwer, weil jeder Veranstalter gesagt hat: „Wie soll ich das verkaufen?“, aber seit es sich durchgesetzt hat, ist es eigentlich ein Vorteil: Ich hab halt – im Grunde genommen – keine Konkurrenz! Insofern hab ich mir mittlerweile schon eine sehr privilegierte Position erarbeitet.

Welche Musik hören Sie privat?

Vince Ebert: Oh, da habe ich eine schöne Geschichte von Morten Harket, dem Sänger von a-ha. Den hab ich sogar mal kennengelernt. Naja, ich hab ihm halt die Hand geschüttelt und „Nice to meet you!“ gesagt. Und er hat gesagt: „Nice to meet you, too!“. So, und der hat mal ein Interview gegeben und wurde auch gefragt, welche Musik er privat gerne höre und Morten hat gesagt: „Ich habe so viel mit Musik zu tun, dass ich nie privat Musik höre.“ Und ich habe mir gesagt, wenn das Morten Harket sagen darf, dann kann ich das auch. Ich bin kein musikalischer Mensch. Ich höre natürlich Radio, wenn ich im Auto fahre, aber ich setze mich nie bewusst zu Hause hin und höre Musik. Mit einem guten Buch können Sie mich locken, mit Musik nicht.

Und mit Film?

Vince Ebert: Ja! Letzte Woche war ich in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der den Oscar gewonnen hat. In Frankfurt kann man ja die Filme in der Originalversion sehen. Also Kino find ich schon toll! Es ist auch eine tolle Möglichkeit, weil es einen so in eine andere Welt beamt. Das versuche ich ja auch während meiner Show. Ich versuche immer, mit den Programmen, die ich konzipiere, die Leute auf eine Reise mitzunehmen. Im Grunde genommen geht es um Geschichten erzählen. Im Film geht es um Geschichten erzählen und auf der Bühne auch. Ich muss das Thema Wissenschaft so herunterbrechen, dass die Leute nicht merken, dass sie etwas lernen, sondern das Ganze in eine spannende Geschichte verpacken. Im Englischen nennt sich das „Storytelling“.

(Foto: privat)

Wenn Sie auf die Anfänge Ihrer Karriere zurückblicken, was würden Sie anders oder genauso machen?

Vince Ebert: Das ist immer schwierig, etwas rückblickend zu sagen. Bis jetzt ist alles gutgegangen. Ich habe in meiner Karriere nie einen entscheidenden, großen Fehler gemacht. Mir ist es am Anfang viel zu langsam gegangen. Als die Comedy angefangen hat mit Michael Mittermeier, Kaya Yanar und Mario Barth, waren wir alle so eine Gruppe. Die anderen sind dann relativ schnell nach oben geschossen und man selber steht da und denkt: „Warum geht das bei mir nicht so schnell?“ Im Nachhinein war es ein totaler Vorteil, weil ich Zeit gehabt habe, mich auch inhaltlich zu entwickeln. Wenn ich sofort nach zwei Jahren eine RTL-Show bekommen hätte, wären mir vielleicht relativ schnell die Themen ausgegangen. Ich hatte Zeit, meinen Stil reifen zu lassen – einen Stil, der vielleicht nicht in Stadien passt. Insofern habe ich nicht viel falsch gemacht.

Waren Sie schon oft in der Südpfalz unterwegs bzw. was kennen Sie von unserer Region?

Vince Ebert: Ich hab vor ein paar Jahren in Landau einen Entscheid von „Jugend forscht“ moderiert in so einer wunderschönen Mehrzwecksporthalle (lacht)! Das macht mir schon viel Spaß in so einem Zwischenbereich zwischen Wissenschaft und MINT-Fächern. Und vor ewigen Zeiten, da war ich noch nicht auf der Bühne, habe ich in Landau mal relativ hochklassig Volleyball gespielt.

Stimmt! Sie waren 1994 sogar Bayerischer Meister im Beachvolleyball. Wie ist es dazu gekommen?

Vince Ebert: Ich habe halt irgendwann mit dem Volleyball angefangen und zuerst lange in der Halle gespielt, auch in der Bundesliga. Das war die Zeit, als das Beachvolleyball hochgekommen ist. Das war wahnsinnig populär. Ich studierte damals in Würzburg und die Universität hatte als eine der ersten einen Sandplatz. Mittlerweile gibt es die ja überall. Wir konnten daher schon relativ früh im Sand trainieren. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich darin halt relativ erfolgreich war.

Und was tun Sie heute, um sich fit zu halten?

Vince Ebert: Ich mache einfach zu wenig! Ich hab den großen Fluch, dass ich gute Gene habe und nicht dick werde! Es ist ein Fluch, weil ich immer eine Ausrede habe. Ich versuche, ab und an zu laufen und ansonsten relativ gesund zu leben, wenig zu trinken. Ich rauche nicht und versuche relativ viel Schlaf zu bekommen. Eben nicht das klassische Tourleben. Es gibt ja auch Kollegen (zwinkert) – ich nenne jetzt keine Namen –,
die dann halt jeden Abend in der Hotelbar abhängen. Und dann die klassische Frage bei der Abreise: „Hatten Sie was aus der Minibar? Ja, alles!“ (lacht)

Haben Sie vor Ihren Auftritten Lampenfieber oder wird dies im Laufe der Zeit besser? Was machen Sie dagegen?

Vince Ebert: Nee, also vor so einer normalen Show, gar nicht. Ich hatte vor kurzem Premiere mit „Sexy Science“, einem englischen Programm und da hab ich mir davor fast in die Hose gemacht. Wo ich das erste Mal seit langer Zeit wieder so richtig nervös war, war in Edinburgh. Ein Freund von mir bot mir an, bei seiner Mixed Show zehn Minuten lang aufzutreten. Ich habe mir so in die Hosen gemacht vor Angst, weil das Programm in einer anderen Sprache war und das Publikum in England oder in Schottland komplett anders ist. Der Auftritt war in einem normalen Pub, wo sich die Leute betrinken und wenn ihnen das Programm nicht gefällt, werfen sie einem die Flaschen auf die Bühne. Das ist richtig heftig!

Das hört sich ja an, wie Szenen aus dem Film „The Blues Brothers“!

Vince Ebert: Ja, genauso kann man sich das vorstellen, nur ohne Käfig! Davor hab ich richtig Angst gehabt! Aber es hat gut funktioniert und daraufhin hab ich gesagt: „Mensch, wenn das zehn Minuten gut funktioniert, kann es auch eine Stunde lang gut funktionieren. Das macht natürlich auch Spaß, man muss sich ab und an mal etwas Neues trauen. Ich bin nun mal in einem kreativen Job tätig und ich finde, ich habe die verdammte Pflicht, mich immer wieder herauszufordern. Man kann den Job ja auch machen, wie eine Buchhalter: Man macht alle zwei, drei Jahre ein neues Programm und arbeitet immer die gleichen Bühnen ab. Das muss man ab und zu durchbrechen und versuchen, etwas anderes zu machen.

Was war bis jetzt Ihr persönliches Highlight?

Vince Ebert: Ich würde sagen, dass dies die Geschichte mit dem verranzten Pub in Edinburgh war, wo ich zehn Minuten vor einer Meute besoffener Schotten aufgetreten bin. Meine Frau hat auch gesagt: „Dass du dir das antust!“. Und kurz vorher hab ich auch gedacht: „Was machst du da für einen Scheiß? Du könntest jetzt daheim auf der Couch sitzen!“ Aber das ist ja oft so. Wenn man was macht und es funktioniert, dann hat man so ein Glücksgefühl und darum geht es eigentlich!

Sie haben aber keine Flasche abbekommen, oder?

Vince Ebert: Nein, zum Glück nicht!

Würden Sie kurz erklären, wie Sie von Holger auf Vince gekommen sind?

Vince Ebert: Das ist einfach zu erklären. Als ich 14, 15 Jahre alt war, war ich ein großer Vince Weber-Fan. Das ist ein deutscher Blues- und Boogie-Pianist, der irgendwann in Deutschland auf Tour gegangen und hier hängengeblieben ist. Auf einer Party habe ich dann eine Musikkassette (flüstert: Das kennen die jungen Leute von heute gar nicht mehr) von Vince Weber eingelegt und die Leute haben dann eine Stunde lang Blues- und Boogie-Woogie gehört. Und seitdem war ich „Vince“. Der Name ist dann hängengeblieben und als ich auf die Bühne gegangen bin, war es eigentlich klar, dass ich „Vince“ heiße, weil „Holger Ebert“ klingt auch Scheiße. Mein Vater heißt „Herbert Ebert“ noch schlimmer! Die gehörten zur Kriegsgeneration, die hatten ja nichts, noch nicht mal gute Vornamen (lacht). Bei mir hätten sie sich schon ein bisschen Mühe geben können! Alles muss man selber machen – selbst die Namen (lacht)!

Vince Ebert on Tour. (Foto: Michael Zargarinejad)

Wenn Sie Ihr Leben als Kabarettist in einem Satz zusammenfassen müssten, wie würde dieser lauten?

Vince Ebert: Ich kann sogar nur ein Wort sagen: Freiheit!

Auf was dürfen sich Ihre Fans als nächstes freuen? Können Sie unseren Lesern schon etwas verraten?

Vince Ebert: Ja, das ist schon relativ konkret. Ich werde nächstes Jahr im Juli für ein Jahr nach Amerika gehen und auch das englische Programm in Amerika spielen. Das ist etwas, was ich schon immer mal machen wollte. Meine Frau und ich haben keine Kinder, die Katzen sind tot…

Oooch!

Vince Ebert: Ja, aber sie sind 20 Jahre alt geworden und sie haben ein superschönes Leben gehabt! Ja, dann haben wir uns gedacht: „Jetzt sind wir frei, um so etwas zu machen.“ Ich werde natürlich wiederkommen und dann gibt es ein Programm über Kultur. Über die ewige Frage: „Was ist vererbt? Was steckt in unseren Genen? Was verbindet uns alle – egal, ob wir Japaner, Russe oder Deutscher sind? Und warum sind wir doch so unterschiedlich von der Kultur her?“ Und da hoffe ich, mir in Amerika relativ viel Inspiration holen zu können.

Gibt das eine Rundreise?

Vince Ebert: Nein, wir werden vorerst in New York bleiben, weil da die Dichte der Clubs, in denen wir auftreten werden, am größten ist. Vielleicht gehen wir dann noch an die Westküste. San Francisco ist für mich natürlich auch interessant, durch Silicon Valley, die ganzen Tekkies und die Stanford Universität. Aber wir lassen es auf uns zukommen. 20 Jahre durchgetaktet gelebt und jetzt schauen wir einfach mal, was passiert!