Großer Jubel über bei der Nationalmannschaft über den Weltmeistertitel 2014. (Foto: IMAGO)

Steckbrief: Philipp Lahm

  • Geboren am 11. November 1983 in München
  • Ehemaliger deutscher Fußballspieler
  • Kapitän der deutschen Nationalmannschaft beim Gewinn der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien
  • Zählte zu den besten Außenverteidigern der Welt.
  • Erfolge u.a. 2014 Weltmeister, 2006 und 2010 Dritter der WM, 2008 Vize-Europameister, mehrfacher Deutsche Meister
  • Gründete am 11. Dezember 2007 die Philipp-Lahm-Stiftung

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Viele Profisportler haben nach der Karriere körperliche Probleme. Spüren Sie Nachwirkungen von der hohen Belastung?

Philipp Lahm: Nein, nicht wirklich. Ich habe zwar einige Verletzungen gehabt, aber ich bin glücklicherweise schadenlos aus meiner Karriere gekommen. Ich kann mich ganz normal wie ein Freizeitsportler betätigen, spiele gerne Tennis und auch Golf ohne Einschränkungen.

Sie konnten selbstbestimmt aufhören. Waren immer noch ein absoluter Leistungsträger. Haben Sie den Entschluss irgendwann bereut?

Philipp Lahm: Nein, ich bin da mit mir im Reinen und habe im richtigen Zeitpunkt den Absprung geschafft.

Und psychisch? Wenn man gewohnt war, in vollen Stadien zu spielen, vor Millionen Zuschauern an den Fernsehern und dann plötzlich niemand mehr zujubelt?

Philipp Lahm: Also, man treibt ja Sport nicht, damit jemand einem zu jubelt, sondern weil man sich bewegen will und Spaß am Spiel hat. Zum Profi wird man, weil man herausragendes Talent hat. Natürlich war ein Champions-League-Spiel oder ein Nationalmannschaftsspiel ein Ereignis, das mit starken Emotionen und mit mehr Adrenalin verbunden war. Und in solcher Atmosphäre bestehen oder etwa nicht bestehen, ist schon ein großer Kick. Aber ich habe das damals zur Genüge ausgereizt und vermisse das nicht. Jetzt suche ich neue Herausforderungen, etwa beim Tennis oder bei einer Runde Golf.

Sie haben schon 2007 eine eigene Stiftung gegründet. Worin liegt deren Inhalt? Welche Projekte werden in erster Linie gefördert?

Philipp Lahm: Sport, vor allem Fußball, stellt eine einmalige Möglichkeit dar, junge Menschen zu erreichen. Über den Sport lernen Kinder spielerisch, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, fair zu sein, Teamgeist, aber auch den Respekt vor Regeln – eine Lebensschule. Mit meiner Stiftung unterstütze ich Projekte in Deutschland und in Südafrika. Zusammen unterstützen wir junge Menschen aus unterprivilegierten Familien und Verhältnissen, um soziale Werte zu vermitteln und Bildung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Sie raten aktiven homosexuellen Fußballern davon ab, sich zu outen. Warum? Nützt das nicht eher, um eine Akzeptanz zu schaffen?

Philipp Lahm: Akzeptanz ist extrem wichtig. Und ich habe bereits 2007 in einem Schwulen-Magazin ein Interview gegeben und zu Gleichstellung und Gerechtigkeit aufgefordert. Und genauso wichtig ist es, ab und an auf Gefahren hinzuweisen. Was es bedeutet, wenn man sich outet, dass es vielleicht immer noch Menschen gibt, die einen diskriminieren, und darauf sollte man vorbereitet sein.

Ein weiteres Tabuthema in unserer Leistungsgesellschaft sind Depressionen. Kann der Sport und im Speziellen der Fußball nicht mehr leisten, um zu sensibilisieren? 

Philipp Lahm: Ja, man kann immer mehr tun. Depressionen begleiten im Laufe eines Lebens alle Menschen – es ist eine Krankheit und keine Schwäche. Und dafür muss man Verständnis zeigen und Hilfe anbieten.

Der Fußball hat sich im Laufe Ihrer Karriere erheblich verändert. Es wird immer schneller und technokratischer. Wie hat sich das in der Trainingslehre und den Trainingsinhalten ausgewirkt?

Philipp Lahm: Naja, ab Mitte der 90er Jahre und Anfang der 2000er Jahre hat sich durch die 54 Leistungszentren, die es mittlerweile in Deutschland gibt, einiges verändert. Es hat eine Intensivierung und Professionalisierung im Nachwuchsbereich stattgefunden und dadurch hat die Leistungsdichte stark zugenommen. Bei mir hat es bereits langsam begonnen, ich war einer der Ersten, die sechs Mal die Woche trainiert haben. Und ab 2010 hat auch die Digitalisierung stark in den Trainingsbetrieb Einzug genommen. Das bedeutet, immer mehr Videos, Spielszenen und Datenmaterial zur Aufarbeitung des Trainings und zur Spiel-Analyse für die Vor- und Nachbereitung. 

Welche Trainer haben Sie nachhaltig geprägt?

Philipp Lahm: Wir haben ja gerade über Intensivierung gesprochen, mit 16/17 Jahren war Fußball für mich eine bedeutende Sache und ab dann ist die Beziehung zwischen Spieler und Trainer sehr intensiv. Das heißt, ich wurde dadurch automatisch von vielen Trainern stark beeinflusst. Aber natürlich habe ich insbesondere mit Pep Guardiola einen sehr engen Austausch gepflegt, aber das hatte auch was damit zu tun, dass ich da am Höhepunkt meiner Karriere stand und Pep mein Trainer war. 

Trainer Pep Guardiola (FC Bayern München) im Gespräch mit Kapitän Philipp Lahm (FC Bayern München 21) (Foto:IMAGO)

Als Fußballromantiker stelle ich mir vor, dass die Weltmeister Freunde fürs Leben sind. Ist das zu idealistisch gedacht? Bleiben über die Karriere hinaus freundschaftliche Beziehungen zu ehemaligen Mitspielern bestehen?

Philipp Lahm: Es bleibt eine tiefe emotionale Verbundenheit. Man spricht im Fußball auch immer über Generation und zu meiner Generation zähle ich die Spieler, mit denen ich beim FC Bayern und mit der Nationalmannschaft über ein Jahrzehnt auf dem Platz zusammenstand. Da entsteht eine wirklich enge Verbindung, auch wenn dann jeder später seinen eigenen Weg geht.

Was trauen Sie der deutschen Nationalmannschaft bei der EM zu?

Philipp Lahm: Deutschland ist ja eine Fußballnation, vor allem in Europa eine große, und ich finde, wir haben in jeder Generation herausragende Athleten. Und deshalb traue ich unserer Mannschaft viel zu, wenn sie sich in der Vorbereitung wieder finden und als Team agieren, dann ist der Titel möglich. 

Hat Jogi Löw in Ihren Augen den richtigen Zeitpunkt gewählt, um als Bundestrainer aufzuhören?

Philipp Lahm: In meinen Augen muss jeder für sich selbst entscheiden, wann er denkt, dass es Zeit ist aufzuhören. Ich finde mit der Ankündigung Jogi Löws nach der Europameisterschaft aufzuhören, hat er nochmal einen starken Impuls für die Mannschaft gesetzt. Es wäre natürlich sehr schön, wenn es für Jogi und die Nationalmannschaft und für uns als Fans eine erfolgreiche wird. In so schwierigen Zeiten sind Fußballspiele eine nette Abwechslung und mit einer erfolgreichen Europameisterschaft macht das vor dem Fernseher noch mehr Spaß. 

Sie sind für die EM 2024 Turnierdirektor. Worin besteht genau Ihre Aufgabe?

Philipp Lahm: Und das möglichst in einem Satz (lacht). So eine Fußball-Großveranstaltung kann, wie das Sommermärchen 2006 gezeigt hat, eine positive Wirkung für die Menschen in Deutschland und in Europa haben. Die Vorzeichen dafür ändern sich natürlich von Generation zu Generation. Zudem ist die Welt heute eine andere als 2006 und dass es gelingt, dass das Turnier eine positive Wirkung erzielt, das ist mit eine meiner Aufgaben.