Babette von Kienlin ist das Gesicht des ZDF-Ländermagazins drehscheibe. Die gebürtige Hamburgerin moderiert die Sendung seit 20 Jahren. Dies feiert sie am
8. Januar mit einer Sonderausgabe.

2018 ist Ihr Jahr – 20 Jahre drehscheibe. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die letzten 20 Jahre zurück?

Babette von Kienlin: Mit Erstaunen. Mit Erstaunen, dass wir es wirklich so weit gebracht haben, weil es ja am Anfang gar nicht danach aussah.

Sie waren von der ersten Sendung mit dabei?

Babette von Kienlin: Ja. Ich bin damals von der Chefredaktion gefragt worden, ob ich ein Ländermagazin moderieren möchte, das ganz neu wäre. Der Titel war aber nicht neu. Es gab damals ein Format im Vorabendprogramm vom ZDF, das Drehscheibe hieß. Das war ein bunt gemixtes Programm. Die „neue“ drehscheibe sollte aber ein Ländermagazin sein. Das hörte sich für mich sehr interessant an, also habe ich zugesagt. Und im ersten Jahr war ich die einzige Moderatorin – jeden Tag in der Woche. Am Ende des Jahres habe ich gemerkt, dass es eine Menge Holz für mich ist und habe vorgeschlagen, dass man die drehscheibe im Wechsel moderiert. Es war mein ausdrücklicher Wunsch. Im zweiten Jahr hat man mir also einen Kollegen zur Seite gestellt, was super funktioniert hat. Die meisten meiner Moderationskollegen waren aber maximal ein bis zwei Jahre dabei, dann gab es wieder einen Wechsel.

Wie motiviert man sich nach so einer langen Zeit für ein- und dieselbe Sendung? Es ist ja eigentlich immer der gleiche Ablauf, oder?

Babette von Kienlin: Das ist es eben nicht. In den 20 Jahren haben wir unser Konzept vier oder fünfmal maßgeblich geändert. Von der Dekoration bis hin zum Inhalt. Früher war es so, dass wir die Aufgabe hatten, nur aus den Ländern zu berichten: Wir haben über den Länderfinanzausgleich, mit allem was dazu gehörte, berichtet. Unter Günther Neufeld wurde die drehscheibe noch einmal revolutioniert hin zu einer Magazinsendung. Wir haben uns damals einen anderen Schwerpunkt gesucht – und das war der Mensch. Die Änderungen kann man in etwa so beschrieben: Zuerst hatten wir eine Art Gemischtwarenladen. Dann hatten wir eine Sendung vor Ort, zum Beispiel zum Thema Gewalt in der Ehe, und dann ging es in der ganzen Sendung nur um dieses eine Thema. Das war die monothematische Phase der drehscheibe. In dieser Zeit bestand meine Moderation lediglich darin, Guten Tag zu sagen, auf den Reporter vor Ort hinzuweisen und mich am Ende zu verabschieden. Das war auch das Jahr, das mir am wenigsten Spaß gemacht hat. Da habe ich mir wirklich überlegt aufzuhören. Ich konnte mich auch nicht mehr motivieren. Wir haben dann noch einmal einen neuen Redaktionsleiter bekommen und die drehscheibe wurde umstrukturiert. Wir bekamen bestimmte Sendeformate und die Sendung bekam ein Gesicht. In einem Workshop haben wir gemeinsam erarbeitet, wohin es mit der Sendung gehen sollte.

Das heißt, Sie haben konkret an der drehscheibe mitgearbeitet?

Babette von Kienlin: Ja, die ganze Redaktion. Und das war toll. Wir konnten unsere Ideen mit einbringen und Sachen ausprobieren. Als dann wieder ein neuer Redaktionsleiter kam, haben sich wieder Kleinigkeiten bei der drehscheibe geändert. In diesem Sinne hat jeder, jede Redaktionsleitung, jeder Redakteur, jeder Moderator, der Sendung seinen Stempel aufgelegt. Deswegen kann man sagen, dass sich die drehscheibe in den 20 Jahren doch sehr verändert hat. Mittlerweile ist die drehscheibe ein Magazin. Wir sind zwar noch auf Deutschland spezialisiert, aber wir gucken auch mal ins Ausland, wenn es dort Deutsche gibt. Das haben wir früher nicht gemacht. Was die drehscheibe schon immer interessant gemacht hat, von der ersten Stunde an, ist, dass wir auf Aktualität reagieren können. Wenn während der Sendung etwas passiert, dann schmeißen wir die ganze Sendung um. Das kann unsere Redaktion besonders gut, schnell und effektiv. Und das macht die drehscheibe immer spannend. Wenn man eine Sendung vorbereitet hat, weiß man nie, ob diese dann auch wirklich so kommt.

Wenn eine Live-Sendung komplett umgeworfen wird, können ja auch mal Fehler passieren. Gab es in den vergangebnen 20 Jahren eine Situation, die Sie völlig aus dem Konzept gebracht hat?

Babette von Kienlin: Ja. Es gab so eine Situation. Damals war ich schwanger mit meiner Tochter. Da hatte ich vor laufender Kamera einen Kreislaufkollaps. Ich hatte einen Experten im Studio – der arme Mann war zum ersten Mal im Fernsehen – und dann kippt die Moderatorin im Studio um. Letztendlich war es aber ein schöner Hintergrund. Und der Hintergrund wird jetzt am 9. Januar 16 Jahre alt, genau einen Tag nach unserem 20. Geburtstag. Ist das nicht irre?

Das heißt, am 8. Januar feiern Sie Jubiläum?

Babette von Kienlin: Ja, am 8. Januar wird die Jubiläumssendung ausgestrahlt und am 9. Januar feiert meine Tochter ihren 16. Geburtstag.

Dieser, ich nenne es mal, Vorfall, vor 16 Jahren wird bestimmt in der Jubiläumssendung in irgendeiner Weise verarbeitet, oder?

Babette von Kienlin: Ich gehe davon aus. Auf jeden Fall hat meine Tochter eine tragende Rolle gespielt (lacht). Der Moment war natürlich schlimm für mich, aber es war einfach menschlich. Und in einer Live-Sendung kann man nicht alles vorausplanen. Wichtig ist, dass man sich immer gut vorbereitet. Das ist das A und O und ich nehme das sehr ernst. Auch wenn ich die drehscheibe schon seit 20 Jahren moderiere, gucke ich mir den Sendeablauf und meine Moderation noch einmal eingehend vor Sendebeginn an. Es hilft ungemein. Ich lasse also keine Routine zu. Je älter man wird und je erfahrener man ist, desto mehr weiß man der Gefahren und ist Gewehr bei Fuß.

Sie sind also selbst nach 20 Jahren noch aufgeregt vor einer Sendung?

Babette von Kienlin: Ja. Früher hatte ich eine jugendliche Leichtigkeit, einen jugendlichen Leichtsinn und dachte: ‚Was kommt, das kommt.’ Aber mittlerweile weiß ich, was während einer Live-Sendung alles schiefgehen kann und da ist man doch etwas vorsichtiger. Ich bin aber aufgeregt im positiven Sinne – konzentriert könnte man auch sagen. Und da ich mich ja immer gut vorbereite, ist es nicht so, dass ich mich unwohl fühle.

In den Nachrichten dominieren negative Schlagzeilen; in der drehscheibe werden eher die seichten Themen verarbeitet, die Soft News. Ist das für Sie eine Art Durchatmen?

Babette von Kienlin: Unbedingt. Ich finde Soft News angenehm, weil sie auch sehr unterhaltend sind und man sie auch gestalten kann. Die harten News sind die Fakten und die müssen natürlich auch eins zu eins gesendet werden. Wir aber haben die Möglichkeit Deutschland auch mal von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten. Die drehscheibe hat mir Deutschland sehr nahegebracht. Deutschland ist ein tolles Land. Ich lerne jeden Tag neue Ecken unseres Landes kennen. Und ich bin jedes Mal aufs Neue fasziniert, wie vielseitig Deutschland ist, angefangen von der Natur, über die Akzente der Menschen bis hin zu ihren Denk- und Lebensweisen. Man sieht das zum Beispiel auch in Hamburg, meiner Heimat. Dort gibt es eine ganze besondere Bauweise mit Klinker. Studiert habe ich in München – das ist ein riesiger Unterschied. Ich finde es unheimlich interessant, zu zeigen, wie die Menschen im Osten, Westen, Norden, Süden denken. Ich persönlich mache seit der drehscheibe sehr viel Urlaub in Deutschland.

In einem Café in Wiesbaden traf sich Redakteurin Patrizia Di Paola mit dem Gesicht der drehscheibe Babette von Kienlin. (Foto: privat)

Als Moderatorin der drehscheibe blicken Sie auch hinter die Kulissen…

Babette von Kienlin: Die drehscheibe ist mein Baby. Dadurch, dass ich sie aus der Taufe gehoben habe und sie auf mich zugespitzt wurde, fühle ich mich auch total verantwortlich. Mir geht es nicht darum, nur zu senden, sondern darum, dass die Inhalte den Zuschauern gefallen. In der Anfangszeit hatten wir einen harten Weg. Wir mussten mit dem arbeiten, was wir hatten. Wir hatten keine Wünsche, wir hatten kein Geld. Wir haben es trotzdem geschafft und das macht mich sehr stolz.

In der Anfangszeit war es schwer für die drehscheibe, Fuß zu fassen… Hatten Sie da auch mal mit dem Gedanken gespielt, die Flinte ins Korn zu werfen?

Babette von Kienlin: Ich habe eine Verantwortung und deswegen wäre ich im Falle des Falles mit der Sendung untergegangen. Ich bin kein Mensch, der von Bord geht. Es gab Zeiten, wo die drehscheibe in Turbulenzen geraten ist und es uns quotenmäßig nicht so gut ging, ja. Und da haben viele fluchtartig das Schiff verlassen. Aber das passt einfach nicht zu mir, da bin ich Titanic. Gehen würde ich nur, wenn wir einen richtig guten Kurs haben. Da kann man ruhigen Gewissens von Bord gehen.

Quasi wie Philipp Lahm, der nach dem WM-Titel die Nationalmannschaft verlassen hat?

Babette von Kienlin: Genau so! Oder wie Nico Rosberg. Der hat es auch so gemacht. Das finde ich bewundernswert. Die drehscheibe ist heute auf dem richtigen Kurs. Wir haben Quoten, von denen wir früher nur geträumt hätten. Alles hart erarbeitet. Aber wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Wir haben noch Ziele und Ideen, die wir umsetzen wollen und werden. Es bleibt also spannend.

Das klingt so, als hätten Sie vor, weitere 20 Jahre das Ländrmagazin zu moderieren.

Babette von Kienlin: Die nächsten 20 Jahre möchte ich das nicht machen. Das kann ich ganz klar sagen. Mein Ziel ist es, die drehscheibe noch weiter voranzubringen. Aber in 20 Jahren möchte ich ganz andere Dinge machen. Ich komme ja eigentlich vom Theater. Vor meinem Studium habe ich Theaterkauffrau gelernt und das hat mir immer großen Spaß gemacht. Ich könnte mir also gut vorstellen, wieder Theaterluft zu schnuppern. Aber nicht auf der Bühne, sondern hinter den Kulissen. Das Theater ist eine Welt, die mir immer viel gegeben hat.

Es gab also eine Zeit vor dem ZDF…

Babette von Kienlin: Mein Traum war es immer, zum Theater zu gehen, ich wollte Bühnenbildnerin werden. Dafür musste ich aber auch eine Tischlerausbildung machen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich das körperlich nicht schaffe. Das ist wirklich eine harte körperliche Arbeit. Ich bin dann in die technische Direktion gewechselt und habe die Bühnenbilder aufgebaut – im Blaumann, ich war die einzige Frau.

Den Blaumann haben Sie dann aber auch irgendwann abgelegt…

Babette von Kienlin: Ich habe gemerkt, dass ich ohne Studium nicht dahin kommen konnte, wo ich letztendlich hinwollte: in die Dramaturgie. Ich habe also angefangen zu studieren, in München, und habe dann gemerkt, dass es ein Fach gibt, das mich noch mehr faszinierte als die Dramaturgie: die Kommunikationswissenschaften. Und weil München teuer ist und ich keine Unterstützung mehr von meinen Eltern hatte, habe ich mir einen Job gesucht. Damals wurde im Radio eine Moderatorin für einen privaten Musiksender gesucht. Und obwohl ich nicht ganz auf die Stellenbeschreibung zugeschnitten war, bin ich zum Casting gegangen und habe improvisiert. Ich wurde genommen. Aufgrund einer Anzeige in der Hörzu habe ich mich dann beim ZDF für eine Stelle als Nachwuchsprogrammmoderatorin beworben. Ich wollte einfach gucken, wie meine Aktien so liegen. Von 5.000 Bewerbern wurden drei ausgewählt – und ich war eine davon. Aber eigentlich wollte ich die Stelle gar nicht, es war nur ein Test für mich selbst. Ich wollte ja in München bleiben und weiter studieren. Ich habe mir dann eine Bedenkzeit von einer Woche ausgebeten. Mir wurde dann ermöglicht, mein Studium in München zu Ende zu machen. Erst danach hatte ich Residenzpflicht auf dem Lerchenberg. Tja, und so bin ich zum Fernsehen gekommen.

Würden Sie den Satz: ‚Ich habe beruflich alles richtig gemacht!’ so unterschreiben?

Babette von Kienlin: Wenn ich heute auf meine Leben zurückblicke, würde ich sagen: ‚ja.’ Aber es war eben nicht so geplant. Ich hatte eigentlich andere Interessen. Ich habe Praktika beim Radio und in der Werbung gemacht, auch Printmedien haben mich immer sehr interessiert. Letzten Endes hat sich für mich aber alles toll gefügt.

Wenn Sie auf das Jahr 2017 zurückblicken: Gibt es ein (Nachrichten)-Thema, das Sie besonders beschäftigt hat?

Babette von Kienlin: Schon Ende 2016 hat mich das Thema Terrorismus nicht nur beschäftigt, sondern beängstigt. Damals wurde schon prophezeit, dass wir 2017 mit vielen Anschlägen rechnen müssten. Das hat mich sehr nachdenklich und traurig gemacht, weil wir in der drehscheibe ja eigentlich die schönen Seiten des Lebens zeigen. Die harten Nachrichten werden aber immer mehr und auch wir müssen sie in den Sendungen verpacken. Die Gratwanderung von einem Thema zum anderen wird immer schwieriger. Das ist für mich eine Herausforderung und das kann man auch nicht so einfach wegstecken. Früher hatten wir unsere gesetzten Themen und dann ist mal was passiert. Die heutige Zeit ist viel unruhiger. Auch die politische Situation in Deutschland spiegelt die Unsicherheit der Menschen wider. Deutschland ist ein tolles und auch ein sicheres Land und wenn die Menschen unzufrieden sind und sich nicht mehr sicher fühlen, haben die Medien die Aufgabe, Ruhe und Sicherheit zu vermitteln.

Wobei gerade den Medien Panikmache vorgeworfen wird. Was entgegnen Sie jemandem auf so einen Vorwurf?

Babette von Kienlin: Diese Menschen haben zum Teil Recht. Man muss dem Zuschauer eine breitere Perspektive zeigen. Oft wird nur eine Situation gezeigt, die aber nicht die Gesamtsituation widerspiegelt. Deswegen sollte man auch noch eine andere Seite zeigen. Diese sogenannten Good News verkaufen sich aber nicht gut, das ist leider so. Der Zuschauer hat allerdings ein Recht darauf, auch gute Beispiele zu sehen und diese suchen wir bei der drehscheibe. Wir suchen die guten Themen und die guten Menschen – und die gibt es zuhauf.