Seit nunmehr 25 Jahren moderiert Gundula Gause an der Seite von Claus Kleber (fast) jeden Abend das heute journal im ZDF. Scharfsinnig und auf den Punkt, ein blonder Pagenschnitt – sie ist ein nicht wegzudenkender Pfeiler der deutschen Nachrichtenkultur.

2018 feiern Sie Ihr 25-jähriges Jubiläum als Co-Moderatorin des heute journals. Werden Sie mit Claus Kleber auf die nächsten 25 Jahre anstoßen?

Gundula Gause: Zunächst einmal danke ich Ihnen, dass Sie das so positiv würdigen. 25 Jahre sind eine lange Zeit. Grundsätzlich meine ich: „Nichts ist für die Ewigkeit“. Die Medienlandschaft ist dermaßen in Bewegung, dass ich zwar aus Spaß oft sage: „Ja, wir machen noch einmal 25 Jahre“. Aber man muss realistisch bleiben: Noch einmal so lange wird es wohl kaum gehen. Ein paar Jahre allerdings könnten es durchaus noch werden, schauen wir mal…

Wenn Sie die heutige Nachrichtenlage mit der vor 25 Jahren vergleichen, würden Sie dann sagen, dass diese negativer geworden ist und es mehr Katastrophen, Gewalt und Verbrechen gibt?

Gundula Gause: Das ist eine komplexe Frage, über die wir in der Redaktion häufig diskutieren. Ich gehe nicht davon aus, dass es heute mehr Katastrophen gibt als vor 25 Jahren. Es ist allerdings ein Zeichen unserer Zeit, dass wir heute eine verstärkte Terrorgefahr und mehr extremistisch motivierte Terroranschläge haben – sei es aus einem religiösen Extremismus heraus oder aus gewachsenen Konflikten wie in Syrien. Auf einer anderen Ebene gibt es in unserer digitalen Welt allerdings massive Veränderungen: Durch das Internet verbreiten sich Nachrichten viel schneller und vielfältiger – auch dadurch, dass zum Beispiel Politiker aus dem Bundestag heraus twittern oder User aktuelle Ereignisse direkt online stellen. Die Informationen, die aus dem Netz kommen, werden auch in unseren Nachrichten berücksichtigt. Wir Journalisten im öffentlich-rechtlichen System tragen aber eine besondere Verantwortung, diese Informationen auf Wahrheit, Verlässlichkeit und Objektivität zu überprüfen. Da geht es auch darum, sich nicht instrumentalisieren zu lassen.

Schnelligkeit und Intensivität: Nachrichten prasseln im Radio, im Fernsehen, in Zeitungen, einfach überall auf den Menschen ein…
Gundula Gause: …und eben auch im Netz! Das ist eine neue, relevante Koordinate, die für uns alle zu einer kompletten Veränderung unseres Lebens geführt hat. Das Netz greift in immer mehr Lebensbereiche ein – und da ist man als Mitarbeiter eines Medienunternehmens geradezu im Auge des Hurrikans.

Moderatoren einer Nachrichtensendung beschäftigen sich intensiver mit den Ereignissen und steigen viel tiefer ein…

Gundula Gause: Das stimmt schon. Ich bin andererseits immer wieder fast entsetzt, wenn mir Freunde, Bekannte oder Menschen, mit denen ich im Gespräch bin, zu verstehen geben, dass sie ihre Nachrichten vorrangig über soziale Netzwerke wie Facebook beziehen würden. Da frage ich mich zunächst: Was sind das für Nachrichten, welche sind damit gemeint? Ich war vor kurzem sehr überrascht, als mir ein Professor, der sich mit der Nutzung digitaler Medien auseinandersetzt, sagte, dass er sich überwiegend über Facebook informiere. Es gibt doch objektiv wichtige Nachrichten aus Politik und Gesellschaft, aus der Wirtschaft und dem Weltgeschehen – da ist es gewissermaßen Bürgerpflicht, sich über diese Themen zu informieren. Und da reicht die Facebook-Nutzung bei weitem nicht – das sollte man möglichst objektiv tun, bei verlässlichen Medien.

Wenn man ständig mit negativen Nachrichten konfrontiert ist, stärker als jemand, der nicht bei den Medien arbeitet, gibt es da auch Situationen, in denen man richtig schlucken muss – zum Beispiel auch während einer Live-Sendung?

Gundula Gause: Natürlich. Auch in den 25 Jahren, die ich als Co-Moderatorin und Redakteurin arbeite, gab es und gibt es immer wieder Meldungen, die einem persönlich nahegehen. Da ich auch Mutter bin, gehen mir Meldungen von Gewalttaten gegen Kinder besonders nahe. Wir halten uns aber grundsätzlich an das Motto des von uns sehr verehrten Journalisten, Hanns Joachim Friederichs: „Mache dich nicht gemein mit einer Sache.“ Wir Journalisten müssen also stets professionelle Distanz zu den Themen halten. Es gibt aber immer wieder Themen, die einen dann doch wieder persönlich mitnehmen und mitunter belasten.

Gibt es eine Nachricht, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Gundula Gause: Der 11. September war sehr bedrückend für mich – und das ging sicher vielen Zuschauern, Lesern und Bürgern so. Die Anschläge in den USA und die seitdem gewachsene Terrorgefahr, die sich auch im Anschlag auf den Breitscheidplatz 2016 zeigte, begleiten uns im Alltag. Es ist nicht mehr nur eine Gefahr, sondern eine realistische Koordinate. Nachrichten sind grundsätzlich eher negativ und handeln häufig von Katastrophen. Der gut gelandete Flieger ist kein Thema, das es in die Nachrichten schafft.

Wird auch über gute Nachrichten berichtet?

Gundula Gause: Eine gute Nachricht, über die selbstverständlich auch berichtet wird, ist etwa die aktuell brummende Konjunktur. Das sollten wir uns alle mal vergegenwärtigen: Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie seit Langem nicht. Die Steuereinnahmen sprudeln, wie man gerne sagt (lacht). Wir haben eine sehr hohe Erwerbstätigkeit, es gibt so viele Arbeitsplätze wie noch nie und folglich immer weniger Menschen in Arbeitslosigkeit. Zudem gibt es viele Möglichkeiten der Weiterqualifizierung und Trainingsmaßnahmen, um Menschen wieder in ein Arbeitsverhältnis zu bringen. Wir müssen akzeptieren, dass wir uns in einer Zeit des Wandels befinden, getrieben durch Digitalisierung und Globalisierung. Das betrifft natürlich auch Wirtschaft und Industrie: Selbst erfolgreiche Konzerne bauen Arbeitsplätze ab und fahren bestimmte Unternehmensbereiche runter, um andere aufbauen zu können. Ich denke, dass wir uns diesem Wandel gegenüber offen zeigen müssen. Und ich hoffe, dass Menschen, die erst einmal zu Recht enttäuscht sind, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren, bald sehen, dass sie durch Umschulung und Weiterqualifizierung in eine andere Richtung gehen können und neue Optionen durch die Digitalisierung und Globalisierung erhalten. Das ist ein extremer Wandel, fast eine Zeitenwende, die wir erleben.

Was würden Sie einem jungen Menschen, der gerade seinen Schulabschluss gemacht hat, beruflich raten?

Gundula Gause: Angesichts des viel diskutierten Fachkräftemangels in der Wirtschaft, insbesondere im Handwerk, rate ich jungen Leuten immer, erst einmal etwas in einem Bereich zu lernen, der einen schlicht interessiert, der einem Spaß macht. Man kann auch sehr gut mit einem Ausbildungsberuf beginnen. Es muss nicht jeder Abitur machen und studieren. Deutschland hat einen großen Bedarf an gut ausgebildeten Handwerkern, im Dienstleistungsbereich, in den Zulieferbranchen. Und es gibt so viele Möglichkeiten, sich nach einer Lehre weiter zu qualifizieren: ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule. Oder eine duale Ausbildung. Man muss sich natürlich auch anstrengen, das steht außer Frage, aber das Wichtigste ist, einen Bereich zu finden, der einem einfach Spaß macht. Denn – schlicht formuliert: Wenn einem etwas Spaß macht, dann hat man Erfolg und das macht wiederrum Spaß – ein positiver Kreislauf.

Bietet die klassische Medienbranche heute noch einen sicheren Arbeitsplatz?

Gundula Gause: Gerade mit Blick auf die Digitalisierung gibt es einen hohen Bedarf an Mediengestaltern und Journalisten, die sich im digitalen Umfeld zu bewegen wissen und in diesem Bereich fit sind. Natürlich bemühe ich mich auch selbst um Netzaktivitäten aber die Jugend hat einfach einen ganz anderen Zugang zur Onlinewelt und geht ganz selbstverständlich mit digitalen Medien um. Da eröffnen sich neue Berufsbilder, die wir vielleicht noch gar nicht kennen. Von daher rate ich, offen zu sein. Ein Job in den Medien wird immer Zukunft haben. Zurzeit ist es allerdings so, dass Verbraucher noch nicht dazu bereit sind, für Inhalte, die im Netz verbreitet werden, Geld zu zahlen. Aber ich bin davon überzeugt, dass es bald Modelle geben wird, die neue Verdienstmöglichkeiten und Wertschöpfung durch journalistische Arbeit ermöglichen.

Sprich, wenn Sie heute noch einmal die Möglichkeit hätten, von vorne anzufangen, dann würden Sie sich wieder für den Journalismus entscheiden?

Gundula Gause: Auf jeden Fall. Ich habe Politikwissenschaften, Geschichte und Publizistik studiert und würde jedem zu einem Studium raten, wenn man in der Medienbranche arbeiten möchte. Denn gerade in dieser digitalen Welt, in der wir heute leben, ist Wissen Macht. Dieser alte Spruch hat eine neue Gültigkeit. Es ist wichtig, sich sattelfest zu machen und sich Kompetenzen zu erarbeiten. Und im Studium kann man sich das Themengebiet suchen, das einem Spaß macht. Geschichte war für mich sehr wertvoll, Sprachen sind immer gut, aber auch Naturwissenschaftler haben gute Chancen im Journalismus. Sie können naturwissenschaftliche Zusammenhänge besser erklären und darstellen als etwa Sozialwissenschaftler. Fachwissen ist unersetzlich.

Woher haben Sie Ihr Fachwissen?

Gundula Gause: Das hat sich im Verlauf der Jahrzehnte aufgebaut. Neben Studium und Arbeit in verschiedenen Redaktionen habe ich – wie viele meiner Kollegen – einfach auch viel gelesen. Der Austausch mit anderen Menschen, persönliche Gespräche, der Besuch von Vorträgen und Veranstaltungen ist ebenfalls sehr wichtig. Und persönliches Engagement. Mir liegt ja auch das Thema Ehrenamt sehr am Herzen. Ohne Ehrenamt funktioniert unsere Gesellschaft nicht, wie nicht zuletzt der frühere Bundespräsident Joachim Gauck gesagt hat. Es gibt so viele Gebiete, in denen man sich engagieren kann – da kann man in vielen wertvollen Begegnungen erleben, wie sich einem Türen in neue Welten öffnen.

Sie haben das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Gundula Gause: Ja, an einem Weltfrauentag, gemeinsam mit vielen anderen Frauen, die sich ebenfalls ehrenamtlich engagieren, wozu ich nur ermutigen kann. Natürlich ist es so, dass viele Menschen zwischen Arbeit, Familie und vielleicht noch einer besonderen Betreuungsaufgabe keine Zeit haben, sich ehrenamtlich zu engagieren. Aber es gibt so viele Möglichkeiten. Viele Menschen sind auf Sinnsuche und gerade das ehrenamtliche Engagement bietet so viel Sinnhaftigkeit.

Wie finden Sie die Zeit für ehrenamtliches Engagement zwischen Beruf und Familie?

Gundula Gause: Man muss sich schon gut organisieren. Ich bin ein strukturierter Mensch und habe für alles mein Zeitmanagement – über das sich Freunde manchmal auch beklagen. Aber anders funktioniert es nicht. Selbst für Telefonate und für den Sport muss ich mich richtiggehend verabreden, sonst klappt das nicht. Wenn ich um eine ehrenamtliche Mitwirkung gebeten werde, versuche ich im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen. Aber natürlich muss ich auch manches absagen, alles geht schlicht nicht.

Ich schlage noch einmal einen Bogen zurück zu ihrer Arbeit als Moderatorin: Wenn Sie sich für 2018 eine Nachricht wünschen könnten, die Sie im heute-journal verlesen dürften, welche wäre das?

Gundula Gause: „Habemus eine Regierung (lacht). Wir haben eine Regierung.“ Es ist wichtig, dass Deutschland wieder handlungsfähig wird. Eine weitere, sehr erstrebenswerte Nachricht wäre die, dass die Terrorgefahr gebannt, am besten im Keim erstickt wird. Die Gesellschaften müssten herausfinden, was in gewaltbereiten Menschen vorgeht, die versuchen, Anschläge zu verüben. Diese Menschen müssten frühzeitig in ihrem Freundeskreis, in ihren Familien und in ihrem jeweiligen Umfeld so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass sie davon abgehalten werden können, Gewalt anzuwenden. Ob man das alles in einer Nachricht verpacken kann, weiß ich nicht. Nachrichten können immer nur einzelne Aspekte unserer immer komplexer werdenden Wirklichkeit darstellen. Ich bin schon für jede kleine gute Nachricht dankbar.

Ich habe noch eine Abschlussfrage, die Sie bestimmt oft gestellt bekommen: Worüber unterhalten Sie sich mit Herrn Kleber, wenn die Mikrofone ausgeschaltet werden?

Gundula Gause: Claus sagt immer: „Wenn Sie das wüssten“. Und was wirklich nett ist: Er glaubt, dass er mit diesem Satz mich zitiert. Aber zu ihrer Frage: Das ist ganz einfach: Wir reden über die Inhalte der Sendung. Was ist aus unserer Sicht gelungen, wo hatten wir andere Erwartungen, was hätten wir im Nachhinein anders gemacht? Aber diese Gesprächszeit zwischen uns ist ja auch immer nur sehr kurz. Von daher: Wenn Sie das wüssten, wenn Sie das wüssten (lacht).

Gundula Gause mit Redakteurin Patrizia Di Paola. (Foto: privat)