Steckbrief: Alina Levshin
Die Schauspielerin wurde am 10. September 1984 in Odessa geboren.
Lebt seit ihrem 6. Lebensjahr in Berlin.
Zwischen 1991 und 2000 spielte und tanzte sie im Kinderensemble des Friedrichstadt-Palastes.
Vielfach preisgekrönt wurde Levshins Darstellung des Neonazi-Mädchens Marisa in David Wnendts Spielfilm „Kriegerin“ (2011).
In zwei Folgen war sie 2013 und 2014 Ermittlerin im Erfurter Tatort.


Anlass unseres Interviews ist die Serie “Dunkelstadt”, die gerade auf zdf_neo, im Programm und in der Mediathek startet. Der Erzählstil ist ganz anders als bei einer klassischen Krimiserie, wie man sie im deutschen Fernsehen kennt. Was war für Sie der besondere Reiz, dass Sie die Rolle angenommen haben?

Alina Levshin: Ich fand das Konzept gerade wegen seiner Erzählweise besonders interessant. Es hat auch einen Touch von Comic und enthält Elemente des Film noir. Die Figur der Doro Decker ist pessimistisch, nimmt sich aber selbst nicht zu ernst, hält ironischen Abstand zu sich. Auch die Voice-Over, bei denen sie quasi das ausspricht, was sie denkt, sind gut gemacht. Außerdem sind die Figuren um Doro herum sehr ansprechend. Zwischen dem Kommissar Chris und Doro zum Beispiel entwickelt sich eine Art Freundschaft, was man von einer Einzelgängerin, wie sie es eigentlich ist, so erst mal nicht erwartet.

Nun ist es so, dass die Serie erst recht spät am Abend gesendet wird.

Alina Levshin: Ja, das ist eigentlich ein bisschen schade, aber 21.45 auf ZDFneo finde ich vollkommen in Ordnung. Im ZDF läuft die Woederholung um Mitternacht – Film noir-Zeit!

Würden Sie sich von den Programmchefs da vielleicht ein bisschen mehr Mut wünschen?

Alina Levshin: Klar, eine Sendezeit um 20.15 Uhr im Hauptprogramm des ZDF wäre toll gewesen, aber ich hoffe, dass die Reichweite der Mediathek mit ihrer Flexibiliät die Serie trotzdem nach vorne bringt. Mir geht es ja selbst so, dass ich gerne etwas dann anschaue, wenn ich Lust drauf habe. Die Mediathek macht das möglich. Im normalen Programm wird sie auch deswegen so spät ausgestrahlt, weil sie natürlich nichts für Kinder ist. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass es ein bisschen vor Mitternacht gesendet würde.

Kann es sein, dass die Zuschauer manchmal auch unterschätzt werden und man deswegen nur klassische Formate sendet?

Alina Levshin: Ich bin der Meinung, man sollte Menschen nie unterschätzen und ihnen mehr zutrauen. Ich glaube auch, dass man Sehgewohnheiten schulen kann und so die Zuschauer erziehen kann. Wenn man mit etwas Neuem beginnt und dann immer mehr davon zeigt, gewöhnen sich die Leute daran. Der Mensch ist ja auch irgendwie ein Gewöhnungstier. Und über lang oder kurz wird es auch angenommen, wenn es gut ist. Warum sollte man sich auch immer dasselbe reinziehen? Die Fantasie wird davon jedenfalls nicht angeregt.

Was schauen Sie sich denn privat im Fernsehen an?

Alina Levshin: Das ist ganz unterschiedlich. Wenn ich weiß, dass es sich um eine tolle Produktion oder eine tolle Geschichte handelt, möchte ich sehen, wie das umgesetzt wurde. Ich schaue mir das dann entweder tatsächlich im Fernsehen an oder in der Mediathek. Oft nutze ich auch die Streamingdienste. Dann verbringe ich damit auch mal mehrere Stunden und gucke die ganze Serie. Manchmal reicht mir auch ein 90-minütiger Fernsehfilm. Je nach Stimmung.

Anne Herder sprach mit Alina Levshin. (Foto: privat)

Was war die letzte Sendung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Alina Levshin: Das letzte, was ich gesehen habe, war die Serie „Dogs of Berlin” und dann die Serie „How to sell drugs online (fast)”. Schade, dass es bislang davon nur eine Staffel gibt. Die zweite wird gerade gedreht.

Wie sieht es mit einer zweiten Staffel bei „Dunkelstadt“ aus?

Alina Levshin: Das ist alles offen. Es kommt immer drauf an, wie eine Produktion ankommt – und manchmal gibt es auch Entscheidungswege, die man nicht nachvollziehen kann. Das ZDF wird schon wissen, was es tut. (lacht)

War die Schauspielerei schon immer Ihr Traumberuf?

Alina Levshin: Ich wusste gar nicht, dass es Traumberufe gibt. Aber ich habe schon als Achtjährige gemerkt, dass ich Spaß daran habe, auf der Bühne zu stehen. Ich hatte bereits eine Vorprägung, weil ich, seit ich sechs war, im Kinder- und Jugendensamble des Friedrichstadt-Palastes mitgemacht. Das hat mir so viel Freude bereitet, dass ich dachte, dass es toll wäre, wenn ich das mein ganzes Leben lang machen könnte. Irgendwie hat sich das dann verselbstständigt. Ich hatte auch ganz viele andere Interessen, aber die Schauspielerei war einfach stärker.

Welcher Beruf wäre denn eine Alternative gewesen?

Alina Levshin: Bevor ich an der Schauspielschule aufgenommen worden war, habe ich an der Humboldt-Universität Russisch und Englisch studiert. Ich wollte zwar nicht Lehrerin werden, aber das Studieren an sich hat mir sehr viel Spaß gemacht. Auch das Universitätsgebäude an sich hat mir einfach gefallen. Und sicherlich wollte ich auch irgendwann mal Tierärztin werden. Medizin hat mich ebenfalls gereizt und das Letzte, woran ich noch gehangen habe, war Psychologie. Aber ich glaube, Schauspielerei ist nicht weit von Psychologie entfernt.

Was reizt Sie denn besonders an der Schauspielerei?

Alina Levshin: Ob es nun Film, Fernsehen oder Theater ist, man hat die Möglichkeit, selbst etwas zu gestalten und zu produzieren. Beim Film wird das auf Band Aufgenommene zwar noch weiter verarbeitet. Theater ist nahbarer, unvermittelter. Ich finde es aber immer spannend, eine Idee mithilfe seines Körpers umzusetzen. Der Körper ist dann wie ein Instrument. Man kann eine Szene auf viele verschiedene Weisen spielen und es ist schön, wenn man die Freiheit hat, das auszuleben.

Haben Sie manchmal noch Lampenfieber?

Alina Levshin: Lampenfieber wird nie weggehen. Ich kenne auch niemanden, der keines hat. Diese positive Aufgeregtheit hat auch etwas Schönes, weil sie einem einen Kick gibt. Ich habe sie immer, wenn ein Projekt losgeht und besonders vor anstrengenden Szenen, vor denen ich Respekt habe.

Sie müssen sich immer wieder auf neue Leute und neue Teams einstellen. Empfinden Sie diese Abwechslung als Belastung und ist sie eher bereichernd?

Alina Levshin: Das kommt auf die Lebenssituation an. Es gibt Phasen, in denen man es etwas ruhiger und beständiger haben möchte. Dann ist es gut, mit Leuten zu arbeiten, die man schon kennt, und wenn man nicht unbedingt im Ausland arbeitet, wo auch noch die Sprache unbekannt ist und man irgendwo im Hotel oder in einer fremden Wohnung wohnt. Das sind ja alles neue Reize und neue Geschichten, die das Gehirn verarbeiten muss. Manchmal habe ich darauf total Bock. Das ist dann wie ein Frühlingserwachen. Dann gibt es aber auch Zeiten, in denen will man nicht so viel Anstrengung, also nicht so viele Leute, die man nicht kennt, und nicht so viel drum herum. Das ist bei mir wie bei den Jahreszeiten. Es ändert sich ständig.

Suchen Sie sich Ihre Rollen entsprechend Ihrer Stimmung aus?

Alina Levshin: Ja, ich glaube, dass mir schon beim Lesen die Intuition sagt, wo ich am wenigsten Energie verliere und was mir am meisten Kraft gibt.

Wie war das, als sie das Drehbuch für „Dunkelstadt“ gelesen haben? Waren Sie sofort begeistert?

Alina Levshin: Ja, mein Interesse war sehr groß. Als ich das Buch geschickt bekam, war es noch nicht ganz entwickelt. Die folgenden Teile sollten erst kommen. Aber ich war gleich am Anfang angefixt. Das Casting lief dann super. Manchmal kommen die richtigen Angebote einfach zur richtigen Zeit.

Ich würde noch gern auf den Film „Kriegerin” zu sprechen kommen, den Sie 2010 gedreht haben. Das Thema des Films wird aktuell immer brisanter. Glauben Sie, dass mit so einem Film gesellschaftlich etwas bewirkt werden kann?
Alina Levshin: Solch ein Film kann inspirieren, abschrecken und warnen. Im besten Fall führt er zu konstruktiven Gesprächen und auch zum Handeln. Ich glaube, dass solche Art Filme sehr wichtig sind, um die Leute wachzurütteln. Aber ein Film allein reicht nicht. Man muss immer wieder in Erinnerung rufen, was für eine Arbeit da eigentlich noch vor uns liegt.

Sehen Sie sich da als Schauspielerin als Vorbild und in der Verantwortung?

Alina Levshin: Das ist eine gute Frage. Natürlich kann man die Öffentlichkeit nutzen, die man als Schauspieler hat. Aber ich glaube nicht, dass jeder, der in der Öffentlichkeit steht, zu allem eine Meinung haben muss. Man darf das nicht überschätzen. Ich bin eher zurückhaltend und warte ab. Erst wenn ich das Gefühl habe, dass es wirklich etwas bringt, wenn ich etwas sage, dann mache ich das auch. Aber wenn genug andere bereits etwas gesagt haben und ich die Zehnte wäre, die dasselbe wiederholt, dann muss es vielleicht nicht sein. Außerdem zählt jeder Mensch, ob er nun in der Öffentlichkeit steht oder nicht. Jeder kann ein Vorbild sein!

Gibt es Rollen zu bestimmten Themen, die sie gerne noch spielen würden?

Alina Levshin: Ich fände es interessant, ein anderes Genre auszuprobieren, zum Beispiel Komödien. Auch da macht man Drama, nur eben auf eine andere Art und Weise. Ich hätte auch Lust, Science Fiction zu machen, weil man da Themen anspricht, die jetzt aktuell sind, aber in einer überspitzten Form. Ich finde Überspitzungen generell sehr interessant.

Wie stellen Sie sich denn die Welt in 30 bis 40 Jahren vor?

Alina Levshin: Hm, interessante Frage! Hoffentlich müssen Frauen in ihren Berufen nicht mehr so viel kämpfen, um den gleichen Platz zu bekommen, an den die Männer leichter herankommen sind. Ich hoffe, dass es dann nicht mehr darauf ankommt, ob etwas weiblich oder männlich ist, sondern darauf, was aus einem Menschen rauskommt, was der Inhalt ist und wofür er steht.

Wo sehen Sie sich selbst in ein paar Jahrzehnten?

Alina Levshin: Ich werde hoffentlich meine eigenen Geschichten erzählen.


In der Mediathek: Dunkelstadt.

Alina Levshin (als Doro Decker) im Gespräch mit Regisseurin Asli Özge beim Dreh von „Dunkelstadt“. (Foto: ZDF/Sofie Silbermann)