• Geboren am 13. September 1968 in Keispelt/Luxemburg
  • Luxemburgisch-schweizerischer Fußballtrainer und ehemaliger Fußballspieler
  • Spielte 63-mal für die Luxemburgische Fußballnationalmannschaft
  • 20 Jahre als Spieler und Trainer im Schweizer Fußball tätig
  • Seit Oktober 2020 Cheftrainer beim 1.FC Kaiserslautern

Wie gefällt es Ihnen denn in der Pfalz?

Jeff Saibene: Gut! Ich sehe zwar derzeit nur meine Wohnung und das Stadion, denn ansonsten bleibt mir wenig Zeit, aber ich fühle mich wohl und es gefällt mir hier.

Hatten Sie bereits früher schon mal Bezug zum „Betzenberg“?

Jeff Saibene: Ja, in meiner Kindheit. Ich wurde in Luxemburg geboren, da kennt man den FCK. Und hier am Betzenberg war ich als Zuschauer bei meinem ersten Bundesligaspiel. 

Gab es in Ihrer Fußball- und Sportkarriere einen Trainer, der Sie besonders geprägt hat?

Jeff Saibene: Da hatte ich schon einige, darunter auch ganz verschiedene Typen. Davon sind mir diejenigen mit dem besten Umgang und mit viel Empathie in Erinnerung geblieben. Ich denke, es ist als Trainer wichtig, wie man die Spieler behandelt. Ganz klar, die Fachkompetenz gehört dazu, das ist die Basis. Aber es wird doch immer wichtiger, was man für einem Umgang mit den Jungs hat. Deshalb sind mir diejenigen Trainer im Gedächtnis geblieben, die mit den Spielern besonders menschlich umgegangen sind.

Als Trainer sind Sie ja auch in gewisser Weise als Moderator tätig.

Jeff Saibene: Das ist ein großer Teil meines Jobs. Ich kann nicht genau einschätzen wie viel Prozent davon dem Fußballspiel gehören und wie viel Prozent dem Managen der ganzen Truppe. Es sind 25 Spieler, jeder einzelne hat seine eigene Persönlichkeit und das unter einen Hut zu bringen, ist schon sehr spannend. Es macht mir extrem viel Spaß, ist aber auch sehr fordernd. 

Ist der Beruf als Trainer Ihr Traumberuf?

Jeff Saibene: Zunächst einmal sehe ich es als großes Privileg, als Trainer im Fußball arbeiten zu dürfen. Wenn ich mir als Kind vorgestellt hätte, dass ich hier mal Trainer sein würde, hätte mein Vater gesagt, dass ich verrückt bin. Wir haben damals in einem kleinen Dorf in Luxemburg mit 400 Einwohner gewohnt. Am Wochenende sind wir dann zum Spiel nach Kaiserslautern gefahren, das war damals vor 40 Jahren was ganz Großes. Als Luxemburger hatte man fast keine Perspektiven, weder als Fußballer noch als Trainer. Deshalb ist es für mich ein Privileg, so einen Traditionsclub wie den FCK trainieren zu dürfen.

Es gibt sicherlich auch Begleiterscheinungen. Sie haben keinen Einfluss auf die Zusammenstellung der Mannschaft, Sie müssen die Kohlen aus dem Feuer reißen und wenn es schiefgeht, heißt es: Netter Kerl und tschüss…

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Jeff Saibene: Das Schönste und das Wichtigste im Leben ist immer die Erfahrung. Ich bin heutzutage im Gegensatz zu früher gelassener in meinem Job. Was Sie gerade gesagt haben, beschäftigt mich eigentlich überhaupt nicht mehr. Ich mache gerne meinen Job hier, freue mich jeden Tag darauf und gebe alles, um Erfolg zu haben – mit allen Konsequenzen, die dazu gehören. Sie können mir glauben, dass mich das inzwischen komplett kalt lässt. Es gehört einfach zu dem Job dazu. Ich kenne das Geschäft und ich weiß, wie es läuft. Ich bin extrem gerne hier und ich hoffe, dass ich noch lange bleiben kann. Das gibt mir als Trainer auch eine gewisse Lockerheit und hat natürlich viel mit der Erfahrung zu tun. 

ich gebe alles um erfolg zu haben. 

Zehrt die Tätigkeit bei einem Traditionsverein wie dem FCK mehr als beispielsweise bei einem unbekannteren Drittligisten? Die Öffentlichkeit und auch Fanbase ist da ja ganz unterschiedlich.

Jeff Saibene: Das kann ich komplett ausblenden. Ich glaube, dass jeder Trainer, egal wo er trainiert, gestresst und angespannt ist. Ich habe viele Kollegen, die bei kleineren Vereinen trainieren und die haben dasselbe Gefühl, wie ein Trainer der Bundesliga. Das macht keinen großen Unterschied. Die Erfahrung, wie man damit umgeht, macht den Unterschied. Das ist ganz entscheidend. 

Herr Saibene, mal eine freche Frage: Lieber 3. Liga in Deutschland als 1. Liga in der Schweiz? 

Jeff Saibene: Nicht unbedingt, auch wenn man es vergleichen kann. Mit St. Gallen haben wir zum Beispiel in der Europa-League gespielt. In der Gruppenphase haben wir ein großes Spiel gegen Valencia gehabt. 

Würden Sie sagen, dass sich die Nostalgie des Fußballs im Gegensatz zu früher verändert hat?

Jeff Saibene: Das Ganze hat sich natürlich schon extrem gewandelt. Vieles hängt mit dem Fernsehen zusammen. Ich kann mich noch erinnern, als früher dienstags oder mittwochs der Europapokal stattfand, wurde abends um 22.30 Uhr dazu eine halbe Stunde Zusammenfassung in der Sportschau gezeigt. Für diese halbe Stunde Europapokal hat mich mein Vater aus dem Bett geholt. Heutzutage kann man sich jedes Spiel anschauen. Das verliert dadurch vielleicht etwas an Wert. Früher gab es um 18 Uhr die Sportschau – das war ein absolutes Highlight. Um 15.30 Uhr haben wir im Radio die Bundesliga gehört und um 18 Uhr dann die Zusammenfassung in der Sportschau geschaut. Heute gibt es einfach extrem viel davon, aber das ist eben die Entwicklung. Ich möchte nicht sagen, dass das schlecht ist, aber damals war alles etwas spezieller. Noch zu meiner Zeit als Spieler 1992/1993 gab es keine Videoanalyse. Es wurden am Samstag Abend in der Schweizer Sportschau in fünf Minuten zwei von sechs Spielen gezeigt und das war dann am Montag wiederum die Videoanalyse vom Trainer (lacht). Videoanalysen wie heute und das Training filmen war damals undenkbar. Das ist halt der Wandel der Zeit.

Vergleichen wir mal, wie in den 80er- oder 90er-Jahren trainiert wurde mit dem heutigen Stand. Ich nehme an das, ist ein himmelweiter Unterschied.

Jeff Saibene: Vor allem die Trainingsmethoden haben sich extrem verändert. Als ich früher noch Spieler war, waren von den fünf Wochen Vorbereitung in den ersten beiden Wochen nur Waldläufe angesagt. Nach zwei Tagen konntest du dich vor Muskelkater kaum noch bewegen. Heute überlegen wir beim ersten Muskelkater schon, ob wir etwas falsch gemacht haben. Das hat sich schon stark verändert. Heute ist vieles gesteuert. Jeder Spieler hat seinen Chip und jedes Training wird gefilmt. Wir haben zehn Minuten nach dem Spiel schwarz auf weiß, wer wie viele Sprints, schnelle Läufe usw. gemacht hat. Früher hat der Trainer die Leistung der Spieler beurteilt. Dafür gab es aber keinen Beweis, vor allem wenn der Spieler anderer Meinung war (lacht). Wenn der Trainer das Gefühl hatte, dass du nicht gut warst, dann war es eben so. Heutzutage ein ganzes Spiel per Video anzuschauen, eröffnet gegebenenfalls nochmal eine ganz andere Perspektive. 

Ich kenne es beim Fußball noch so, dass der Trainer vor dem Spiel eine Ansprache in der Kabine gehalten hat und sich alle nochmal motiviert haben. Heute gibt es Videoanalysen in der Kabine.

Jeff Saibene: Ja, das stimmt. Aber natürlich machen wir immer noch unseren Kreis, Motivation ist wichtig. Aber wir haben natürlich auch einen Videoanalysten, der mit seinem Tablet auf der Tribüne sitzt. Er kommt in der Pause in die Kabine und sollte es wichtige Vorfälle geben, zeigt er uns diese und wir können reagieren. 

motivation ist wichtig.

Wie viel Zeit können Sie sich nehmen, um in der Mannschaft Ihr Spielsystem zu installieren und Stabilität reinzubringen? Letztendlich ist doch alles sehr kurzlebig und es zählen nur die Ergebnisse.

Jeff Saibene: Es hat ungefähr fünf bis sechs Wochen gedauert. Es war vieles neu und viele Spieler sind zudem auch noch neu beim FCK. Das braucht natürlich alles Zeit, bis die Spieler im Rhythmus sind. Und dann bekommen sie noch einen neuen Trainer. Ich musste mir zuerst einen Überblick verschaffen, wer wo spielen kann. Wir haben 24 Spieler, von denen viele auf dem selben Level sind und ich muss jeden an der richtigen Position einsetzen. Daran hatte ich zu arbeiten. Irgendwann muss ich mich aber für elf Spieler entscheiden, was auch immer bitter für den ein oder anderen ist. 

Aufgrund der Corona-Pandemie sind momentan leider keine Zuschauer im Stadion zugelassen. Ist diese Situation schwieriger oder sehen Sie das auch teilweise als Vorteil an?

Jeff Saibene: Mit Zuschauern ist es ein ganz anderer Fußball. Vor allem hier am Betzenberg. Ich glaube zwar schon, dass mancher Spieler ohne Zuschauer weniger Druck hat und vielleicht sogar befreiter aufspielen kann, aber letztlich wünschen wir uns alle unsere Fans zurück.

Ist es nicht auch ein Vorteil für Sie, denn die Mannschaft könnte sich etwas ruhiger einspielen?

Jeff Saibene: Ganz im Gegenteil, es kann natürlich zusammen mit den Fans, wenn wir hier zu Hause spielen, ein riesen Vorteil sein. Die Unterstützung von den Rängen fehlt. Mir wäre es viel lieber, wir hätten Zuschauer hier. 

Sie haben bisher mit dem FCK eine Niederlage, einen Sieg und sechs Unentschieden erreicht. Da könnte man schon davon sprechen, dass Sie die Mannschaft auf eine gewissen Art stabilisiert haben.

Jeff Saibene: Ich denke schon, dass uns dies gelungen ist, und vor allem finde ich, dass wir von den sechs Unentschieden fünf Spiele hätten gewinnen können. Das ist nicht unrealistisch und nicht übertrieben, wenn man die Chancen oder die Feldüberlegenheit betrachtet. Das gibt mir Zuversicht und ich finde, dass wir uns in den letzten Wochen sehr gut entwickelt haben und wir auf einem guten Weg sind. Fakt ist einfach, dass wir Siege und Punkte brauchen. Die Leute sehen, dass wir uns entwickelt haben und können auch mal mit einem Unentschieden leben. Aber wir wollen natürlich Siege einfahren – das ist unser Ziel. 

Wie würden Sie als Trainer der Deutschen Nationalmannschaft mit der 0:6-Niederlage gegen Spanien umgehen? 

Jeff Saibene: Ich würde sagen ‚Männer das ist uns einmal passiert in den letzten 15 Jahren. Das kann es mal geben, sollte es aber natürlich nicht. Ich würde mir nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen, weil das eine komplette Ausnahme war. Es sind alles auch nur Menschen und ich würde da nicht draufhauen. Sachlich würde ich alles analysieren, mit der Mannschaft besprechen, was schief lief, und versuchen, es zu verbessern. Dann wäre das Thema für mich aber auch vom Tisch.