„Junge Ärztin“ aus der Südpfalz

Die Pfälzer Schauspielerin Elisa Agbaglah spricht im Gespräch mit dem PFALZ-ECHO über ihr Zuhause in Neuburg und falsches Nasenbluten am Set. Aber auch Rassismus und ihre negativen Erfahrungen – auch hier in der Südpfalz – sind Thema.

Elisa Agbaglah in ihrer Rolle als Emma Jahn. (Foto: ARD/Jens Ulrich Koch)

Neuburg. Jeden Donnerstag kämpfen sie im Vorabendprogramm der ARD um die Gesundheit ihrer Patienten: „Die jungen Ärzte“. Die ARD-Weekly ist 2015 als Spin-off von „In aller Freundschaft“ auf Sendung gegangen und spielt im fiktiven Johannes-Thal-Klinikum. Seit einigen Folgen ist auch Dr. Emma Jahn Teil des Ärzteteams. Die Schauspielerin dahinter ist die Südpfälzerin Elisa Agbaglah.
Sie ist in Kandel geboren, in Rülzheim und Neuburg aufgewachsen und lebt nach Stationen in Zürich und Salzburg inzwischen auch wieder hier. Im Interview mit dem PFALZ-ECHO erzählt sie von den Dreharbeiten in Erfurt, aber auch von ihren Erfahrungen mit Rassismus und sie verrät, was sie an der Südpfalz so schätzt.

Wie bist du zur Schauspielerei gekommen?

Ich hatte schon sehr früh die Spinnerei im Kopf, Schauspielerin zu werden. Ich habe ältere Geschwister und dadurch schon früh mitbekommen, wie sie sich mit dem Thema Studium usw. auseinandergesetzt haben. Damals dachte ich im Kindergarten, ich müsse mich jetzt auch sofort schon entscheiden. Und weil ich es da schon spannend fand, immer wieder in neue Rollen zu schlüpfen, habe ich also damals schon den Entschluss gefasst! (lacht)

So früh schon!

Ja. Das habe ich zwischendrin aber eigentlich wieder vergessen. Nach der 10. Klasse kam die Frage aber natürlich auf: Was möchte ich mit meinem Leben machen? Und ich habe mich an meinen Kindheitstraum erinnert. Mein Weg hat mich dann an die Schauspielschule in Zürich geführt, dort war ich drei Jahre lang. Diese Schule ist auf das Thema Film spezialisiert und das war auch von Anfang an mein Ziel! Ich wollte auf die Leinwand. Aber dieses Ziel zu erreichen, ist ein schwerer Weg und so hat es mich erstmal ans Theater verschlagen: Ich war fünf Jahre lang in Salzburg engagiert.

Aber du hast dann doch den Weg zum Fernsehen gefunden.

Genau. Kurz bevor ich die Rolle bei den „Jungen Ärzten“ bekam, hatte ich schon beschlossen, am Theater aufzuhören. Und manchmal ist das ja so im Leben, dass sich Dinge glücklich fügen: Kurz nach meinem Ausstieg am Theater, kam die Casting-Anfrage. Ich bin da ohne große Erwartungen hin – und schon ein paar Wochen später kam die Zusage: „Du bist unsere Emma!“ Da war ich natürlich total aus dem Häuschen.

(-Foto: ARD/Markus Nass)

Du warst also von Anfang an sehr zielstrebig und hast deinen Traum sehr konsequent umgesetzt?

Ja, das habe ich. Mir war aber schon immer klar, dass ich auf jeden Fall etwas künstlerisch Kreatives machen möchte. Das steckt einfach in mir. Ich habe schon immer gesungen und getanzt.

Du hast auch in einer Band gesungen. Machst du heute auch noch Musik?

Im Moment leider nicht. Das mit der Band hat sich damals in Zürich so ergeben. Und am Salzburger Landestheater durfte ich auch bei sehr vielen musikalischen Produktionen mitwirken. So hat mich das Singen und Tanzen immer begleitet. Jetzt muss ich mal schauen, wie ich das wieder in meinen Alltag integrieren kann.
Bist du denn familiär vorgeprägt, was deine künstlerische Ader angeht?
Nein, eigentlich nicht. Meine Mama ist Krankenschwester, mein großer Bruder ist Pilot – wir sind also sehr breit aufgestellt. (lacht)

Wo wir gerade bei deiner Familie sind: Du bist in Kandel geboren und auch hier in der Südpfalz aufgewachsen, richtig?

Ja, genau. Die ersten elf Jahre meines Lebens habe ich in Rülzheim gewohnt. Danach sind wir nach Neuburg gezogen, wo meine Mama ursprünglich herkommt. Nach meinen Stationen in Zürich und Salzburg bin ich jetzt gerade auch wieder sehr viel hier, zuhause. Ich habe zwar kurz überlegt, nach Erfurt zu ziehen – dort wird ja die Serie „In aller Freundschaft – die jungen Ärzte“ gedreht. Aber hier in Neuburg passt im Moment einfach alles: Wir haben ein Haus, einen großen Garten, die ländliche Ruhe. Das genieße ich sehr. Auch wenn es mit Ende 20 ein wenig Überwindung kostet, wieder in sein Kinderzimmer einzuziehen. Manchmal ist es ein bisschen anstrengend – ich bin jetzt wieder das kleine Kind! Aber vor allem ist es sehr schön, mal wieder so viel Zeit mit meiner Mutter und meinen Geschwistern zu verbringen!

Wie sieht denn dein Drehalltag in Erfurt aus?

Wir produzieren immer in Blöcken: Ein Block geht über drei Wochen, in dieser Zeit drehen wir jeweils von Montag bis Freitag und dabei entstehen drei Episoden. Für meine Rolle als „Dr. Emma Jahn“ bin ich durchschnittlich an sieben Tagen innerhalb dieser drei Wochen beim Dreh.

Das klingt nach einem sehr geregelten Arbeitsalltag. So stellt man sich das bei Schauspielern gar nicht unbedingt vor!

Stimmt. Was ich bei dieser Produktion wirklich sehr genieße, ist die Tatsache, dass wir immer ein paar Wochen vorher schon Bescheid bekommen, wann wir vor Ort sein müssen. Die genauen Drehpläne gibt es dann ca. eine Woche vor Drehbeginn. Am Theater passiert das alles oft erst am Tag davor! Für mich bedeutet das jetzt also deutlich mehr Flexibilität und Planungsfreiheit, das ist extrem angenehm.

Bereitest du dich denn auf deine Rolle in der Serie anders vor als auf eine Rolle am Theater?

Ich habe nichts grundlegend anders gemacht, aber ich habe schon gemerkt, dass es einen großen Unterschied gibt: Das eine ist eine durchgehende Serien-Rolle, die sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Bei einem Theaterstück oder auch bei einem Film gibt es in der Entwicklung einen klaren Anfang und ein klares Ende. Man kennt den ganzen Weg. Auf dem Weg von „Emma“ kann sich noch sehr viel ereignen, was ich selbst noch gar nicht weiß. Ich muss also ständig flexibel bleiben!

War es eigentlich schwierig, in die Rolle der Ärztin zu schlüpfen? Es fallen ja dann doch öfter Mal medizinische Fachbegriffe …

Die Fachbegriffe haben es auf jeden Fall in sich – auch weil ich nie Latein gelernt habe. Für mich ist das eine komplett fremde Welt. Aber das macht es auch total interessant! Ich google ganz oft nach Begriffen, denn ich will ja verstehen, was ich da erzähle. Ich lerne dabei also auch sehr viel!

Wie ist es für dich denn, wenn du mit Kunstblut arbeiten musst oder eine Operation gedreht wird?

Das kommt immer ein bisschen auf die Umstände an. Im OP arbeiten wir mit Puppen, da stecken die Gastrollen teilweise auch selbst drunter… Dann kann man sich mit denen unterhalten und die Stimmung bleibt ganz entspannt. Aber ich musste auch einmal eine Szene spielen, in der eine Patientin Nasenbluten hatte: Das sah so echt aus, dass es mich richtig Überwindung gekostet hat! (lacht) Ich kann kein Blut sehen!

Dann wäre im echten Leben „Ärztin“ keine Berufsalternative gewesen?

Das stimmt. Obwohl ich tatsächlich – wie wahrscheinlich sehr viele Jugendliche – zwischendurch mal den Traum hatte, Medizin zu studieren. Ich finde das Gebiet auch total spannend! Aber praktisch würde ich dann schon am Blutabnehmen scheitern.

Wirst du denn, seit du die Rolle hast, in der Öffentlichkeit oder im Bekanntenkreis öfter darauf angesprochen?

Ich war vor Kurzem in einer Praxis und die Dame, die mir Blut abgenommen hat, meinte zu mir: „Ach, Sie sind ja auch eine Kollegin!“ Auf der Straße werde ich aber eigentlich nicht angesprochen, das ist in Salzburg öfter passiert. Dort ist die Theaterkultur sehr hoch angesehen und dadurch war ich in der Stadt relativ bekannt.

Ist es für dich denn dann eher unangenehm, wenn du angesprochen wirst oder genießt du es, im Mittelpunkt zu stehen?

Ein bisschen was von beidem, würde ich sagen. Ich hätte den falschen Beruf, wenn ich ein Problem damit hätte, im Mittelpunkt zu stehen. Aber wenn ich zum Beispiel Autogramme schreibe, fühlt sich das immer noch ein wenig komisch für mich an.

Die Südpfälzerin Elisa Agbaglah im Einsatz als Dr. Emma Jahn in der Serie „In aller Freundschaft – die jungen Ärzte“. (Foto: MDR/ARD/Jens Ulrich Koch)

Du bist auch politisch sehr engagiert und äußerst dich regelmäßig zu aktuellen Themen. Ist dir das ein wichtiges Anliegen?

Ich interessiere mich einfach sehr für politische Themen. Als Jugendliche dachte ich ehrlich gesagt, das sei alles komplett uninteressant. Aber je älter ich werde, desto spannender und wichtiger finde ich es, mich damit zu befassen. Politik betrifft uns schließlich alle! Als „engagiert“ würde ich mich nicht unbedingt bezeichnen. Das ist ein relativ starker Begriff. Aber man kann sich ja vielfältig damit auseinandersetzen. Der erste Schritt ist es, sich eine eigene Meinung zu bilden und mit Menschen darüber in den Dialog zu treten. Das ist das, was ich tue!

Hast du das Gefühl, dass du als Schauspielerin, mit deiner Reichweite, dabei eine besondere Verantwortung hast?

Ja, das finde ich schon. Wir haben als Schauspieler ja Möglichkeiten, die andere nicht haben: Zum einen ist das natürlich unsere Reichweite. Zum anderen aber auch unsere Arbeit selbst, wir können uns künstlerisch mit gesellschaftlichen oder politischen Themen auseinandersetzen und dadurch auch Menschen einen anderen Zugang dazu bieten. Das empfinde ich auch als sehr wichtigen, positiven Aspekt meiner Berufswahl.

Du hast auf deinem Instagram-Account auch ein sehr persönliches Video gepostet, wo du über deine Erfahrungen mit Rassismus sprichst. Hast du die Hoffnung, dass sich etwas in der Gesellschaft ändert?

Ja, die Hoffnung habe ich! Leider habe ich aber auch das Gefühl, dass wir uns seit ein paar Jahren in einer krassen Umbruchphase befinden. Ich habe während der Zeit, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreicht hat, in Salzburg gelebt und das erste Mal in meinem Leben geschlossene Grenzen zwischen Deutschland und Österreich wahrgenommen. Das alleine war schon beängstigend. Aber auch die Art, wie seitdem mit mir umgegangen wurde, hat sich verändert: Ich werde öfter eindringlich gemustert, die Leute fragen sich, ob ich eine Touristin oder eine Geflüchtete bin, ich werde oft auf Englisch angesprochen.

War das früher nicht so extrem?

Es war anders. Meine Kindheit in Rülzheim war auf das Thema Rassismus bezogen nicht einfach für mich! Ich habe dort schlimme Erfahrungen gemacht. Vielleicht lag es auch daran, dass ich noch so jung war und Kinder leider die vermeintlich leichteren Opfer sind. Denn die rassistischen Vorfälle wurden weniger, als ich älter wurde. Auch meine Zeit in Zürich war in dieser Hinsicht unbelasteter. Zürich ist sehr bunt, politisch eher links und sehr international, dort treffen viele Kulturen aufeinander. Deswegen habe ich mich dort sehr wohl gefühlt. Salzburg dagegen ist sehr konservativ geprägt und das habe ich zu spüren bekommen. Plötzlich habe ich wieder rassistische Angriffe wie in meiner Kindheit erlebt. Das war nicht schön!

Wie geht man denn mit solchen Angriffen um, wenn man ein Leben lang immer wieder damit konfrontiert wird?

Es trifft mich schon jedes Mal aufs Neue. Aber man legt sich auch ein dickes Fell zu. Als ich als Kind mit dem N-Wort beschimpft wurde, hat mich das sehr hart getroffen. Aber inzwischen kann ich da eine innere Distanz bewahren. Ich weiß einfach, dass die Menschen, die so etwas machen, ganz große Idioten sind – und sie sind in der Minderheit!

Wie empfindest du die öffentliche Debatte aktuell?

Das ist natürlich eine extrem wichtige Debatte und sie hat auch bei mir einiges ausgelöst. Ich habe realisiert, wie oft ich mich in den letzten Jahren gar nicht getraut habe, etwas zu sagen, nur weil ich wusste: Der andere meint es ja nicht rassistisch. Dabei ist es wichtig, die Leute gerade dann drauf hinzuweisen!

Was würdest du denn weißen Menschen empfehlen? Was können wir in Zukunft besser machen?

Man sollte generell immer offen bleiben und sich nicht direkt angegriffen fühlen, wenn man für sein Verhalten kritisiert wird. Es geht darum, zu lernen und Denkmuster zu durchbrechen! Ich bin ja selbst auch nicht frei von Vorurteilen und hinterfrage meine Äußerungen! Es ist wichtig, das zu erkennen, denn nur dann kann man sein Verhalten auch ändern.

Ein klassisches Beispiel ist ja die Frage „Wo kommst du her?“ Ich habe selbst auch lange gebraucht, um zu verstehen, was daran so problematisch ist.

Ja, genau. Darf man jetzt niemanden mehr fragen, wo er oder sie herkommt? Doch, klar! Aber es sollte vielleicht nicht die erste Frage sein und die Intention dahinter ist auch wichtig. Ich spüre ja schon, worauf mein Gegenüber raus will. Bei den Dreharbeiten vor Kurzem hat mir ein Kollege aus dem Team die Frage gestellt, weil er eigentlich wissen wollte, ob ich eine Band aus der Region kenne. Er hat sich direkt entschuldigt und es war ihm unangenehm – aber das war natürlich vollkommen okay!

Wer die Frage stellt, sollte sich bewusst machen, was sie auslösen kann.

Richtig. Und man sollte generell etwas feinfühliger sein, wenn es um die Herkunft geht. Und vor allem sollte man dann auch mal mit einer Antwort zufrieden sein. Diese Situation kenne ich auch, dass dann nachgebohrt wird: „Nein, ich meine wo kommst du wirklich her?“ Mit Neuburg als Antwort geben sich nicht alle zufrieden, sondern erst, wenn ich erzähle, dass mein Vater aus Ghana kommt. Ich wurde auch schon Mal gefragt, wo ich geboren wurde. Ich sagte: „Kandel“ und mein Gegenüber fragte mich dann, ob das in Afrika liege.

Gibt es ein Ereignis in nächster Zeit, auf das du dich besonders freust?

Ich freue mich auf meinen Geburtstag. Der steht bald an!

Das ist der 30., richtig?

Genau! Vor einem Jahr, als mir quasi mein letztes Jahr in den Zwanzigern bevorstand, hatte ich deswegen ein wenig Panik. „Jetzt kommt bald die 3 – und ich bin noch längst nicht so weit, wie ich eigentlich sein wollte.“ Aber inzwischen habe ich mich beruhigt und freue mich drauf. Ich habe auch in meinem Tagebuch, das ich zwischen 16 und 25 geführt habe, nachgelesen: Kurz vor meinem 18. Geburtstag haben mich ähnliche Gedanken gequält. „Oh Gott, ich werde 18 und muss erwachsen sein!“ Jetzt im Nachhinein weiß ich ja, dass alles halb so schlimm ist! So wird es auch mit der 30 werden. (lacht)