Du hast in Rekordzeit die Deutschen Charts erobert, dabei hast du erst mit 17 angefangen zu singen und Gitarre zu spielen. Hättest du mit diesem rasanten Erfolg gerechnet?

Wincent Weiss: Das ist immer eine lustige Frage. Klar rechnet man damit nicht. Man kann nie damit rechnen, dass Songs, die man rausbringt, erfolgreich werden. Aber es ist natürlich sehr schön, dass alles so gelaufen und passiert ist. Es ist unfassbar. Mein Leben hat sich komplett auf den Kopf gestellt. Von einem Tag auf den anderen war ich auf einmal auf Tour, hatte Fernsehauftritte und bei Radiosendern. Und ich habe auf einmal bei Shows mitgemacht, die ich vorher nur aus dem Fernsehen kannte. Das ist schon cool und eine tolle Erfahrung, die ich machen darf.

Was war der bisher schönste und größte Moment in deinem Leben?

Wincent Weiss: Ich wollte eigentlich immer Einzelkind bleiben. Und als ich elf Jahre alt war, bekam ich eine kleine Schwester. Das war für mich der schönste Moment bisher in meinem Leben – dass ich als Elfjähriger auf einmal großer Bruder wurde.

Deine kleine Schwester bedeutet dir viel, du hast ihr sogar einen Song geschrieben…

Wincent Weiss: Familie ist für mich das Allerwichtigste. Das ist das, was im Leben immer bleibt. Ich versuche deswegen so oft es geht, meine Schwester und meine Mom zu besuchen.

„Frische Luft“, „An Wunder“ – an den Hits des Sängers kommt keiner vorbei. (Foto: Sascha Wernicke)

Wie oft schaffst du es denn noch, die beiden zu besuchen?

Wincent Weiss: Ich habe gerade erst in meinen Kalender geschaut…das nächste Mal zuhause bin ich in zwei Monaten – ich bin also nicht so oft daheim. Aber wenn, dann nutzen wir drei die Zeit für uns. Wir nehmen uns nichts vor. Meine Schwester sagt dann ihren Freundinnen ab und wir gestalten die Zeit zu dritt.

Welche Bedeutung haben deine Songs? Ganz konkret: Was hat dich zu dem Album „Irgendwas gegen die Stille“ inspiriert?

Wincent Weiss: „Irgendwas gegen die Stille“ ist eine Zeile aus dem Song „Musik sein“. Das war unsere erste Single und sie wurde so schnell so erfolgreich, dass ich dem Album den Titel widmen wollte. Für mich persönlich bedeutet der Titel sehr viel. Ich brauche immer etwas gegen die Stille. Ich habe immer meine Kopfhörer auf. Im Flugzeug habe ich sogar meine Kopfhörer von der Bühne auf, damit ich wirklich nichts von außen höre. Ich schlafe abends mit Musik ein, morgens, wenn ich aufstehe, mache ich sofort Musik an. Bei mir gibt es so etwas wie Stille sehr selten. Fast gar nicht.

Ich habe mal gehört, dass du auf Metal stehst…

Wincent Weiss: Ja, ich höre fast nur Metal. Natürlich höre ich auch mal die Charts, aktuelle Songs. Aber ich komme aus der Metal-Schiene und ich werde auch privat immer wieder auf Metal-Konzerte gehen.

Das ist ein krasser Kontrast zu deinen Songs…

Wincent Weiss: Ich möchte das Kontrast-Programm fahren.

In dem Song „Frische Luft“ singst du davon deine Jacke zu nehmen, und einfach loszurennen. Wohin würdest du jetzt rennen, wenn alles andere egal wäre?

Wincent Weiss: Wenn ich jetzt die Möglichkeit hätte? Ach, ich finde es eigentlich grad ganz schön. Die Sonne scheint… Ich würde dem Regen entfliehen, weil ich den gar nicht leiden kann. In dem Song geht es darum, dass ich immer einen Tapetenwechsel brauche. Ich bin schon zwölfmal in meinem Leben umgezogen und irgendwie noch nicht so richtig angekommen. Ich will auch immer reisen und so viel von der Welt kennenlernen, wie es nur geht. Stillstand will ich nie haben (lacht).

Kein Stillstand und keine Stille?

Wincent Weiss: Genau. Aber das sage ich jetzt, ich bin erst 25. Vielleicht ändert sich das irgendwann einmal, wenn ich keine Lust mehr auf Tourneen habe. Vielleicht finde ich dann einen Ort, an dem ich bleiben möchte, wo ich bleiben und wo ich ankommen kann. Momentan habe ich diesen Ort aber noch nicht gefunden, deswegen ist „Frische Luft“noch sehr aktuell.

PFALZ-ECHO-Redakteurin Patrizia Bär traf Wincent Weiss in Speyer. (Foto: privat)

Ein bisschen später im Song heißt es: „Seitdem wir zusammen wohnen, fühlt sich‘s anders an. Ich habe gedacht, wir werden alt zusammen.“ Wen sprichst du in dem Song konkret an?

Wincent Weiss: (Lacht) Meine Ex… Genauso wie ich es gerade mit meinem Wohnort geschildert habe, war es auch in dieser Beziehung. Aber das hat doch jeder mal. Es gibt doch immer Momente in einer Beziehung, wo man denkt, dass man sich das alles anders vorgestellt hat und man so nicht weitermachen kann. Und diesen Punkt hatte ich da erreicht.

Und aktuell? Bist du liiert?

Wincent Weiss: Nein, leider nicht.

Fehlt die Zeit?

Wincent Weiss: Ja, auch. Tatsächlich. Ich bin ständig auf Tour. Da bleibt dafür keine Zeit. Das ist auch der Grund, warum es mit der alten Beziehung nicht geklappt hat. Ich bin 330 Tage im Jahr unterwegs. Für jemanden, der 40 Stunden in der Woche im Büro sitzt, ist es schwer, diese beiden so unterschiedlichen Welten zusammenzubringen.

In dem Song „Feuerwerk“ träumst du davon, zu leben wie ein Feuerwerk – es krachen zu lassen, egal was morgen ist: Wie sieht so ein perfekter, vielleicht auch etwas verrückter, Tag für dich aus?

Wincent Weiss: In dem Song geht es mir darum, zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, schöne Momente im eigenen Leben für sich wahrzunehmen. Richtig wahrzunehmen. Ich habe den Song geschrieben, nachdem ich ein Konzert gegeben habe und vor einer Wand von Handys gesungen habe. Ich habe mir gedacht: Krass, heute nehmen die Menschen alles nur noch über die Handbildschirme wahr, kaum jemand erlebt die schönsten Momente im Leben noch live, also ohne Smartphone. Alle fotografieren ihr Essen, anstatt es zu essen und zu genießen. Schöne Momente sind meist sehr kurz – Konzerte, Feuerwerke –, gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir sie unverfälscht und mit vollem Bewusstsein wahrnehmen. Man sollte in solchen Momenten einfach mal leben. Ich selbst habe auf einem Konzert noch nie gefilmt. Ich möchte die eineinhalb Stunden auf einem Konzert einfach für mich genießen.

Wenn du heute privat draußen unterwegs bist, wirst du sofort erkannt. Würdest du dich gerne mal verkleiden, jemand anders sein und es dann einfach mal krachen lassen?

Wincent Weiss: Das mache ich tatsächlich. Wenn ich privat unterwegs bin, habe ich ein Cappie und eine Brille auf und schau auf die Straße, damit mich keiner erkennt. Am liebsten hätte ich es wie Cro gemacht und eine Maske aufgesetzt. Der kann einfach nachts um vier im Club betrunken durch die Gegend torkeln und mit einer Frau rummachen – und es interessiert keinen. Wenn ich das machen würde, bekäme ich am nächsten Tag den Shitstorm meines Lebens. Man muss sich schon einschränken.

Die Maske hat jetzt aber schon Cro…

Wincent Weiss: Ich könnte mir einen Fake-Schnauzer zulegen. Das wäre lustig. So einen richtigen Vollbart und damit dann in einen Club gehen.

Wincent Weiss entzündet ein „Feuerwerk“. (Foto: Sascha Wernicke)

Deine Songs sind eher was für das Herz und sprechen das weibliche und jüngere Publikum an. Könntest du dir vorstellen, mal was ganz Anderes zu machen?

Wincent Weiss: Ja klar. Ich hatte ja nicht die Intention, junge weibliche Fans anzusprechen, sondern alle, die sich mit meinen Songs identifizieren können. Es gibt auch viele ältere Menschen, die mich auf meine Songs ansprechen und auf meinen Konzerten sind. Irgendwann einmal mache ich aber auch noch eine Metal-Platte. Aber beim zweiten Album noch nicht.

Hast du ein bestimmtes Ritual, bevor du auf die Bühne gehst?

Wincent Weiss: Ich gehe meistens vorher pinkeln, damit mir das nicht auf der Bühne passiert (lacht). Das liegt aber auch daran, dass wir vor dem Auftritt immer viel Tee und Kaffee trinken. Aber wir nehmen uns mit der Band auch kurz in den Arm, schreien uns einmal an und dann geht es auf die Bühne. So ein richtiges Band-Ritual haben wir aber nicht.

Wer ist dein größtes Vorbild?

Wincent Weiss: Meine Mom ist für mich eines der größten Vorbilder. Sie hat meine Schwester und mich komplett alleine großgezogen. Das hat sie sehr gut gemacht und ich habe einen riesen Respekt davor. Man kann von Eltern doch mehr lernen, als man will (lacht).

Gibt es eine Person, mit der du gerne mal zusammen auf der Bühne stehen und performen möchtest?

Wincent Weiss: Als ich angefangen habe, Musik zu machen, wollte ich immer mal mit Sarah Connor im Duett singen.

Sarah Connor?

Wincent Weiss: Ja, die fand ich früher mega heiß (lacht). Tatsächlich habe ich das letztes Jahr auch gemacht. Ich bin mit meiner Band als Vorband von Sarah aufgetreten. Beim Soundcheck kam sie dann zu mir und sagte: „Ey Wincent, du singst dann den Song mit.“ Ich war etwas überrumpelt, aber ich wurde dann auf die Bühne geholt und habe mit ihr gesungen.

Der Traum ist also in Erfüllung gegangen…

Wincent Weiss: Dieser ja. Ich habe mir noch gar keinen neuen gesetzt, weil ich jetzt erst einmal alles auf mich zukommen lasse. Ich lerne zurzeit viele Menschen kennen, mit vielen aus der Musikszene durfte ich auch schon zusammenspielen. Ich genieße gerade alles, was kommt und nehme mir gar nichts fest vor.