Mafioso und Bulle: Die richtige Mischung macht’s

Unter vier Augen: PFALZ-ECHO-Redakteurin Patrizia Di Paola traf den Schauspieler und Autor Hannes Jaenicke

Sudan, ein Nördliches Breitmaulnashorn, ist der letzte männliche Vertreter dieser Art. Insgesamt gibt es nur noch drei Tiere dieser Art. (Foto: ZDF/Markus Strobel/honorarfrei)

Hannes Jaenicke ist einer von Deutschlands gefragtesten Schauspielern. Aber auch als Umweltaktivist, Naturschützer und Enthüllungsjournalist macht der 57-Jährige auf sich aufmerksam. Er deckt Umweltskandale auf und berichtet über das schändliche Verhalten der Menschen gegenüber der Tierwelt. In seiner neuen Dokumentation „Im Einsatz für Nashörner“, die am 16. Januar im ZDF ausgestrahlt wird, ist er der „Nashornmafia“ in Kenia und Vietnam auf der Spur.

Von Patrizia Di Paola

Ich habe mir in Vorbereitung auf das Interview die Dokumentation „Im Einsatz für Nashörner“ angesehen – und muss ehrlich sagen, dass ich immer noch schockiert darüber bin, wie grauenvoll Menschen mit Tieren umgehen.

Hannes Jaenicke: Als ich in Kenia vor den drei nördlichen Spitzmaulnashörnern stand, habe ich erst realisiert, dass dies die drei letzten auf der Welt lebenden Vertreter ihrer Art sind. Wir Menschen haben sie ausgerottet…

Der Dreh war bestimmt sehr bedrückend für Sie, oder?

Hannes Jaenicke: Ich weiß ja, wie viele Arten aussterben. In Deutschland stirbt ein Viertel unseres Tierbestandes aus. Aber neben dem alten Nashornbullen zu stehen, Sudan, und zu wissen, das ist das letzte Männchen seiner Art und der ist zeugungsunfähig und die beiden Kühe, die es noch gibt, sind direkte Verwandte, nämlich Tochter und Enkelin von ihm und die sind auch beide zeugungsunfähig – dann steht man da und denkt: Das haben wir jetzt tatsächlich hingekriegt, wie dumm kann der Mensch sein. Die ganze Menschheit hat sich das über Jahrzehnte hinweg angeschaut, aber nichts getan. Die einzigen, die sagen, da kann man etwas machen, sind die verrückten Amis, die die Eizellen, Samenzellen und das Sperma der Tiere sammeln und sagen: Gib uns ein paar Jahre, die Nashörner wird es wieder geben. Die Amis sind da erstaunlich optimistisch. Sie sagen, gut, dann befruchten wir jetzt eine Spitzmaulnashorneizelle mit dem Sperma eines Spitzmaulnashornbullen und lassen das Ganze von einem  Breitmaulnashorn austragen. Und das ziehen sie auch durch.

Ist es dann noch ein Spitzmaulnashorn?

Hannes Jaenicke: Das ist wie eine Leihmutter. Es klingt wie ‚Jurassic Park’, was die Amerikaner da machen. Sie sagen: Gib uns noch zehn Jahre, dann züchten wir dir ein Mammut. In gewisser Weise spielen die Amis Gott.  Aber die Ausrottung von Tieren heißt ja auch, Gott zu spielen. Ich bin gespannt, ob die Amis es hinkriegen und wirklich der Ausrottung des Spitzmaulnashorns entgegenwirken können.

PFALZ-ECHO-Redakteurin Patrizia Di Paola traf auf Hannes Jaenicke und sprach mit ihm über seine Dokumentationen. (Foto: privat)

Ich hatte Tränen in den Augen, als ich die Bilder von den Nashörnern gesehen habe, die ja kein Horn mehr hatten … fürchterlich!

Hannes Jaenicke: Das passiert, weil Vietnamesen und Chinesen glauben, dass  das Horn eines Nashorns Krebs und Arthritis heilt und es gut sein soll gegen einen Kater nach Alkoholkonsum.

… obwohl es sich dabei eigentlich nur um verbrannte Haare handelt …

Hannes Jaenicke: Man kann genauso gut seine Nägel kauen, das hat den gleichen Effekt.

Während der Dreharbeiten haben Sie das „Katergetränk“, eine Mischung aus heißem Wasser und zerriebenem Horn, aus Höflichkeit getrunken – Hut ab …

Hannes Jaenicke: Ich habe für unsere Hai-Doku auch Haiflossensuppe gegessen. Und die schmeckt so widerlich, dass ich fast würgen musste. Aber noch einmal zurück zu den Nashörnern. Es ist einfach ein Informationsmangel bei den Asiaten. Die haben keine Ahnung, was sie da anrichten. Das ist genauso wie bei denen, die jeden Tag ihr Kotelett essen für 1,99 Euro und keine Ahnung haben, wie Massentierhaltung aussieht. Entweder wollen sie es nicht wissen oder sie wissen es wirklich nicht. Wie kann man z. B. Pute aus Massenzucht essen? Schon das Trinkwasser der Puten ist mit Antibiotikum versetzt.

Sie sind sowieso Vegetarier…

Hannes Jaenicke: Ja, mein Essen ist unheimlich aufregend. Obst, Nüsse, Salat und Gemüse.

Das „Ernten“ von Nashorn gehört auf der Farm des südafrikanischen Nashornzüchters John Hume (Mitte) zum Alltag. Hannes Jaenicke (links) begleitet diese Aktion. (ZDF/Markus Strobel/honorarfrei)

Sie machen auf mich den Eindruck eines Enthüllungsjournalisten. Liege ich da richtig?

Hannes Jaenicke: Zumindest arbeiten wir bei den Dokus so. Ich war mit unserem letzten Film über Delfine bekanntermaßen nicht glücklich. Deswegen sind wir die Produktion von „Im Einsatz für Nashörner“ noch mal neu angegangen. Teil des neuen Konzepts ist zum Beispiel auch, dass wir dem Nashorn-Bullen Sudan eine eigene Stimme geben. Auch haben wir Querverbindungen zu uns hier in Deutschland aufgebaut: Warum darf ein armes Nashorn im Zirkus Krone noch auftreten? Ich bin  happy mit dem Film. Er hat Haltung und Rückgrat.

Wann wird „Im Einsatz für Nashörner“ ausgestrahlt?

Hannes Jaenicke: Am 16. Januar 2018. Direkt danach drehen wir einen Film über Geparden, und parallel dazu machen wir über vier Jahreszeiten hinweg zum ersten Mal einen Film über einheimische Tiere, nämlich die deutschen Sing- und Zugvögel, die alle aussterben und keiner weiß es. Das scheint auch niemanden zu  interessiereen. Gerade stand in allen Medien, dass 81 Prozent des deutschen Insektenbestands ausgelöscht ist, dank Pestiziden und Agrarindustrie. Ohne Insekten keine Vögel …

Im Schutzgebiet von Ol Pejeta in Kenia setzt man auf effektive Schutzmaßnahmen. Bewaffnete Ranger und ausgebildete Hundestaffeln spüren Wilderer auf. (Foto: ZDF/Markus Strobel/honorarfrei)

Gab es während der Dreharbeiten für den Nashornfilm auch gefährliche Situationen?

Hannes Jaenicke: Nein. Als wir den Film über die Haie und die Haiflossen-Mafia gedreht haben, bei den Chinesen, mussten wir alles mit versteckter Kamera machen. Aber die Vietnamesen haben, obwohl der Konsum von Nashorn seit Jahren verboten ist, mit einer unwahrscheinlichen Offenheit vor der Kamera geplaudert, unglaublich. Sie haben überhaupt kein Empfinden für das, was sie da treiben. Zum Beispiel der Geschäftsmann, der das Nashorn zerreibt und es gegen seinen Kater trinkt, weil er geschäftlich so viel saufen müsse, der hatte überhaupt keine Scheu, das alles zu erzählen, obwohl er weiß, dass er Gesetze bricht. Erstaunlicherweise war das einer der harmlosesten Drehs, die wir bisher hatten. Wobei wir nicht versucht haben, die Wilderei zu drehen. Das ist Krieg, das ist nicht filmbar. Viele sagen ja, dass die Wilderer arme Afrikaner sind, die ihre Familien ernähren müssen, aber das stimmt in den wenigsten  Fällen. Das sind durchorganisierte Mafiabanden, von den Chinesen finanziert, die zahlen einer Crew 10.000 Dollar und sagen: Bringt uns das Horn! Und die Chinesen verkaufen das Kilo dann für 70.000 Dollar. Bei fünf bis sechs Kilo ein Bombengeschäft. Das sind Syndikate wie bei der Drogenmafia. Insofern haben wir gar nicht versucht, das zu drehen.

Sie sind zurzeit auf der ganzen Welt als Enthüllungsjournalist unterwegs. Was ist aber mit der Schauspielerei?

Hannes Jaenicke: Schauspielern ist und bleibt mein Beruf. Ich liebe diesen Beruf.  Aber leider gibt es nicht viele richtig gute Drehbücher. Es gab Zeiten, da wurde mir nur Schrott zum Lesen geschickt,  da wollte ich eigentlich gar nichts mehr drehen. In solchen  Zeiten mache ich halt Dokus oder schreibe Bücher. Ich würde jetzt keinen Mist mehr drehen, nur um zu drehen.

Wenn Ihnen also ein Drehbuch nicht gefällt, lehnen Sie es konsequent ab?

Hannes Jaenicke: Jetzt ja, früher konnte ich es mir nicht leisten. Jetzt mache ich nur noch die Filme, die ich wirklich drehen will.

Gibt es eine Rolle, die Sie noch reizen würde?

Hannes Jaenicke: Ganz viele. Ich bin mit ‚Der Pate’ aufgewachsen und frage mich, warum es in Deutschland keine Mafia-Filme gibt. Die italienische Mafia ist sowas von präsent in Deutschland. Das weiß jeder Kripobeamte, das weiß das BKA. Und kein Fernsehmacher fasst das Thema an.

Haben Sie zu diesem Thema schon recherchiert?

Hannes Jaenicke: Ein bisschen. Ich würde wirklich gerne mal einen Film über die Mafia in Deutschland machen. Ich möchte ihn aber gar nicht als Anti-Mafia-Film drehen. Ich glaube, der einzige Unterschied zwischen der illegalen und der legalen Seite ist, dass wenn du z.B. als DAX-Manager oder Politiker etwas falsch machst, darfst du ungeschoren weitermachen. Aber wenn du als Mafioso was falsch machst, dann wirst du zur Rechenschaft gezogen. Das ist mir am Ende des Tages sogar ganz sympathisch. Ich würde gerne die Frage aufwerfen, wo eigentlich der Unterschied ist zwischen deutschem Lobbyismus – Pharma, Auto, Agrar, Chemie, Banken – und der Mafia? Das Thema will keiner anfassen.

Südafrika ist der Brennpunkt der Nashornwilderei. In einem Waisenhaus werden Nashornbabys, deren Mütter getötet wurden, versorgt und streng bewacht. Selbst hier sind sie vor den Wilderern nicht sicher. (Foto: ZDF/Markus Strobel/honorarfrei)

In dem Mafiafilm, den es dann ja hoffentlich bald mit Ihnen gibt, wären Sie dann auf der guten oder der bösen Seite?

Hannes Jaenicke: Das wäre mir egal. Weil ein guter Bulle mafiöse Gene haben sollte und ein guter Mafioso Bullengene. Und wenn man es spannend machen möchte, muss man das mischen, wie z. B. in ‚Heat’ mit Al Pacino und Robert de Niro.

Das ist ein sehr ernstes und kompliziertes Thema. Gibt es noch etwas Anderes, dass Sie als Schauspieler reizen würde?

Hannes Jaenicke: Comedy ist mein absolutes Lieblingsgenre. Es ist das schwerste von allen und geht oft genug daneben. Und einen Western würde ich gerne mal drehen. Das habe ich als Kind am liebsten geguckt, v. a. Spaghetti-Western. Aber das ist leider kein deutsches Genre. Obwohl es aus deutscher Perspektive irre gute Geschichten gibt, z. B. deutsche Auswanderer in Australien oder Texas um 1850, und das ist alles nie erzählt worden.

Was wäre, wenn Sie die Chance bekämen, noch einmal von vorne anzufangen. Für welchen Beruf würden Sie sich entscheiden?

Hannes Jaenicke: Nach dem Abitur hatte ich keine Ahnung, was ich machen wollte. Ich habe tagsüber in einem Plattenladen gearbeitet, abends an einer Bar und hatte wirklich keinen Plan. In dieser Bar hingen aber immer Theater-Leute rum und die meinten, ich solle es doch mal mit der Schauspielerei probieren. Meine Schauspiel-Karriere war also ein Zu- oder Unfall. Aber als Antwort auf Ihre Frage: Ich finde Fotografie spannend, Journalismus, Entwicklungshilfe, es gibt so viele aufregende Jobs .

Das finde ich interessant. Ich habe immer gedacht, dass man als Promi eher mal genervt von Journalisten ist?

Hannes Jaenicke: Es gibt großartigen Journalismus und es gibt schrecklichen Journalismus. Das ist wie bei der Schauspielerei. Und es gibt gute Lehrer oder Ärzte und schlechte  – letztendlich ist es doch in jedem Job dasselbe. Ich liebe guten Journalismus. Ich selbst bin Konsument von Printmedien, immer noch, lese aber auch viel online z. B. The Guardian, Time, die New York Times. Aber wenn ich Zeit habe, dann hole ich mir morgens einen Kaffee und lese die Zeitung. Der Zeitungskonsum wird weiter abnehmen, trotzdem glaube ich, dass Print überleben wird.

Sie haben einen Wohnsitz in Amerika und einen in Deutschland. Was bedeutet Heimat für Sie?

Hannes Jaenicke: Heimat ist da, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind. ‚Home is where the heart is’ sagen die Angelsachsen. Wo meine Lebensgefährtin  ist, ist mein Zuhause. Und da, wo meine Familie ist – die ist leider ziemlich verstreut  – und wo meine Mutter ist, ist auch Heimat. Seit meine Mutter ein Pflegefall ist, verbringe ich mehr Zeit in Deutschland als in Amerika. Momentan bin ich nur zum Schreiben und Recherchieren drüben.

Wo genau schreiben Sie?

Hannes Jaenicke: Ich wohne am Meer, schreibe aber in einem Arbeitszimmer, auch Schreibhöhle genannt, ohne Meerblick, da gucke ich nur auf eine hohe Eiben-Hecke. Wenn ich das Meer sähe wäre ich abgelenkt, da sind immer Surfer im Wasser und das ist schlecht für die Konzentration. Wobei ich sowieso nie viel sehe, weil ich meistens nachts schreibe.

Sie sind im Umweltschutz und im Tierschutz sehr aktiv, Sie sind Vegetarier und achten dementsprechend  auf Ihre Ernährung – was können wir Deutschen beim Einkauf im Supermarkt besser machen?

Hannes Jaenicke: Da gibt es viel und es ist echt einfach: Meide Plastik, kaufe Fairtrade und Bio. Kaufe hochwertiges Fleisch, kein Billig-Fleisch aus Massentierhaltung. Lieber in den guten  alten Sonntagsbraten investieren als in tägliche, ungesunde Billigware. Man sollte darauf achten, welcher Konzern die Lebensmittel produziert. Ich konsumiere z. B. nichts von Nestlé, weil ich deren Konzern-Praktiken schlimm finde. Ich konsumiere nichts, was in PET oder Plastik verpackt ist. Ich habe immer, so peinlich es sein mag, meine Stoffbeutel dabei. Und ich trinke nur aus Glas- oder Metallflaschen.

Haben Sie eigentlich noch Zeit für Hobbys zwischen den ganzen Recherchen und Filmdrehs?

Hannes Jaenicke: Zu wenig. Aber diesen Winter mache ich definitiv mal eine Pause und gehe irgendwo surfen, kiten oder segeln. Meine bessere Hälfte surft ebenfalls und wir reisen  irgendwohin, wo es gute Wellen gibt. Wahrscheinlich irgendwo im Atlantik, Hauptsache weit weg von der Arbeit.

Gibt es einen Ort auf der Welt, den Sie noch nicht gesehen haben, den Sie aber gerne bereisen würden?

Hannes Jaenicke: Unzählige, je mehr man reist, desto größer wird interessanterweise die Welt. Patagonien, Antarktis, Mongolei, viele kleine Mittelmeerinseln, Provinzstädtchen in Italien oder Skandinavien. Es gibt mitten in Europa noch so viele kleine Verstecke und Perlen, die siehst du nicht, wenn Du per Pauschalreise nach Malle oder auf die Malediven jettest.  Man muss nicht weit reisen, um Neues zu entdecken, selbst in Deutschland.

Haben Sie auch schon die Pfalz und die Südliche Weinstraße entdeckt?

Hannes Jaenicke: Eben noch nicht! Ich hab diese Gegenden immer nur haarscharf gestreift. Habe in Ludwigshafen, Mannheim und Karlsruhe gedreht.

Abgesehen von den Orten, was ist mit der Kulinarik?

Hannes Jaenicke: Ich bin ein großer Fan von Gegenden, in denen Wein angebaut und getrunken wird, und die Pfalz hat mittlerweile tolle Weine, sogar bio. Und da ich gerne regional kaufe und es nicht einsehe, warum mein Wein aus Südafrika oder Australien eingeflogen werden muss, trinke ich mit Begeisterung auch Weine aus der Pfalz.

Welche Frage würden Sie als mutig bezeichnen, wenn man sie Ihnen in einem Interview stellen würde?

Hannes Jaenicke: In Bezug auf den Film „Im Einsatz für Nashörner“ hat mich eine Journalistin gefragt, ob ich mir geriebenes Nashorn beschaffen würde, wenn meine Mutter an Krebs erkrankt wäre und keine andere Therapie angeschlagen hätte.

Würden Sie?

Hannes Jaenicke: Nein, weil ich weiß, dass das Horn zu 100 Prozent aus Keratin besteht. Man würde ja auch nicht auf die Idee kommen, gegen den Krebs seine eigenen Nägel zu kauen oder Haare zu essen. Aber wenn es um Krankheiten geht, wird der Mensch gerne irrational. Insofern hat mich die Frage schon zum Nachdenken gebracht.